StartseiteMagazinKulturVergebliche Liebesmüh von Jewgeni Onegin

Vergebliche Liebesmüh von Jewgeni Onegin

Sie ist Tschaikowskis Vorzeige-Oper, aber eigentlich sind es „Lyrische Szenen“ in sieben Bildern, und die inhaltliche Glaubwürdigkeit hängt an einem zweifelhaften Faden.

Wenn die zauberhafte Musik nicht wär, ich weiss nicht, ich weiss nicht. „Ich brauche keine Zaren, Volksaufstände, Schlachten, Märsche… Ich suche ein intimes, aber starkes Drama, das auf Konflikten beruht, die ich selber erfahren habe, die mich im Innersten berühren können.“ Also bitte weg von der Grand Opéra, von Balletteinlagen und dem ganzen Gepränge, das im  Musiktheater des 19. Jahrhundert mehr und mehr Statussymbol gewann. So die Botschaft Tschaikowskis und damit nichts wie hin zu Puschkins gleichnamigem Versroman.

Die Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel

Das vom Komponisten und einem seiner Schüler zusammengeschusterte Libretto ist derart plakativ und machoselig, dass man jeden Sänger begreift, welcher der wankelmütigen und narzisstischen Hauptfigur nicht allzu viel abgewinnen kann. Die rührende Liebesgeschichte zweier Töchter, die redlich darum bemüht sind, den zwei befreundeten Wichtsäcken Onegin und Lenski ihr Herz anzuvertrauen, führt wegen Nichtigkeiten in Tod und Verzweiflung.

Der dünkelhafte Schlaks Onegin brüskiert die entflammte Tatjana, die in ihren Liebesromanen eine Projektionsfläche für ihre wahren Gefühle zu erkennen glaubt, auf rüpelhafte Weise. Er findet sich auch Manns genug, um mit Lenskis Verlobter Olga zu flirten. Dass ein, zwei Tänzchen dann ausreichen, damit die beiden heissblütigen Freunde deswegen zu Duellanten werden und Onegin Lenski einfach niederknallt, das ist schwer zu fassen.

Jewgeni Onegin (Peter Mattei) auf der Suche nach sich selbst / © Monika Ritterhaus

Der Regieeinfall, die beiden zur Schnapsflasche greifen zu lassen, um ihrem usurpierenden Ego Glaubwürdigkeit zu verschaffen, ist mir dann doch zu billig. Aber es kommt noch schlimmer: Der nach Reisen zurückkehrende Onegin erdreistet sich auch noch, die inzwischen mit Fürst Gremin verheiratete Tatjana ausspannen zu wollen. Zum Glück verhallen seine allzu durchsichtigen Liebesschwüre am Ende dann, sodass er mit Heulen und Zähneknirschen der schieren Verzweiflung anheimfällt.

Barrie Koskys Lichtkegel und „eine Welt aus Gras und Bäumen“

Wer in Zürich Verdis „Macbeth“ in Erinnerung hat, weiss um Barrie Koskys eindringliche Inszenierung, die ihn 2016 zum Regisseur des Jahres auszeichnete. Im Sommer debütierte er mit Wagners „Meistersingern“ in Bayreuth nun ebenso erfolgreich. Dass er als Intendant und Chefregisseur der Komischen Oper Berlin im Opernhaus Zürich auch noch gleich die Eröffnungspremiere 17/18 zur Chefsache machen sollte, ist einem Kompromiss zu verdanken. Er funktionierte seine Berliner Regiearbeit mit einem Spielleiter zur Koproduktion um, um die Ressourcen zu binden, wogegen nichts einzuwenden ist.

Und ein Kosky auf Sparflamme ist immer noch besser als gar keiner. Da waren sie wieder, die Lichtkegel aus dem „Macbeth“. Immer wenn die Protagonisten seelisch an ihr Innerstes rührten, ihre Ausweglosigkeit preisgaben, war nur begrenztes, fokussiertes Licht um sie, und die ganze Umgebung tauchte ins Niemandsland. Für den Regisseur beginnt die Arbeit an einer neuen Inszenierung offenbar immer mit einem Bild: „Ich hatte immer das Gefühl, dass man die Figuren in einer Landschaft sehen muss“. Und so wählte er dann mit der Bühnenbildnerin Rebecca Ringst eine von Bäumen umflorte raumgreifende Wiese, die mit den lyrischen Valeurs der Partitur wunderbar korrespondiert und mit den Kostümen von Klaus Bruns bezaubernde Farbakzente setzt. Überraschend gelungen auch der Einfall, das  fürstlich drapierte Interieur im 3. Akt wie von Geisterhand abzubauen, um die um Identität Ringenden wieder ganz der einsamen Wiese zu überlassen.

Tatjana (Olga Bezmertna) und Jewgeni Onegin (Peter Mattei): verlorene Liebesmüh

Musikalisch aus einem Guss, gesanglich von erlesener Güte

Die musikalische Leitung oblag dem russischen Dirigenten Stanislav Kochanovsky, der seinen Tschaikowski in vielfältigen Schattierungen zu deuten weiss. Spielen und spielen lassen war aber in Zürich schon immer heikel, wenn man das Blech nicht an die Kandare nimmt. Sobald die Oper sinfonisch wird, geraten die kompakten Tutti oft einfach zu undifferenziert.

Ein Kränzchen gilt es vorerst dem von Ernst Raffelsberger einstudierten Chor zu winden. Es war eine Ohren- und Augenweide, sich am geadelten munteren Landvölklein zu erfreuen. Wie denn überhaupt stimmlich erlesene Kost serviert wurde. Die russische Sprache verfügt über ein Timbre an Artikulation und warm ausschwingenden Lautmalereien, die einfach betören, zumal in der solistischen Besetzung nichts dem Zufall überlassen wurde.

Die Tatjana von Olga Bezmertna steigerte sich (ergreifend in der Briefszene) im Laufe des Abends hinreissend, ihre Schwester Olga von Ksenia Dudnikova kontrastierte dazu eloquent, Margerita Nekrasova  (Amme) gab eine Babuschka, wie sie russischer nicht sein könnte, Liliana Nikiteanu (Gutsbesitzerin) stand ihr in nichts nach, und Martin Zysset (Coupletsänger) und Christoph Fischesser (Fürst Gremlin) zeigten in kleineren Rollen Statur. Die männliche Krone teilten sich aber Pavol Beslik als Lenski, der in dieser Tenorrolle unwiderstehlich singt, und Peter Mattei als weltweit gefeierter Bariton Onegin, der die zwielichtige Hauptrolle aber gar nicht so gerne mag, was man seiner etwas fahrigen Gestaltung leider auch etwas anmerkt.

Weitere Vorstellungen: September 27, 30, Oktober 8, 13, 19, 22, 25, 28

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