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Zu Besuch bei Werner Schmitt

Vor gut 25 Jahren schuf Yehudi Menuhin gemeinsam mit Werner Schmitt das Programm MUS-E®, um die Entwicklung von Kindern mit musischen Mitteln zu fördern.

Am Anfang stand eine Enttäuschung: Werner Schmitt, damaliger Direktor der Berner Musikschule, Teil des Konservatoriums, musste hinnehmen, dass der seinerzeit amtierende Finanzdirektor der Stadt Bern kurzfristig die finanzielle Unterstützung der Stadt an das Konservatorium massiv kürzte, so dass daraus ein Aufnahmestopp für alle neu eintretenden Schülerinnen und Schüler resultierte. Damals, 1991, ahnte Werner Schmitt noch nicht, dass sich daraufhin ein internationales Netzwerk bilden würde, das den Geist der Künste in zahllose Schulklassen Europas tragen würde.

Werner Schmitt an der Jubiläumskonferenz «25 Jahre MUS-E®» im Oktober 2018
(Foto: Stefan Maurer)

Seniorweb hat sich mit Werner Schmitt über die Ideen, die hinter MUS-E® stehen, und über ihre Verwirklichung unterhalten.

Wie begann es eigentlich mit Ihrem Projekt?

Werner Schmitt:  Genau genommen am 30. August 1992, als ich Yehudi Menuhin in Gstaad besuchte, um mit ihm eine andere Angelegenheit zu besprechen. Dabei erwähnte ich auch die Finanzkürzungen in Bern und die Folgen für den Musikunterricht. Ich brauchte nicht lange zu reden, Menuhin war wie ich überzeugt, dass für die kulturelle Förderung der Kinder etwas Substanzielles getan werden müsste. Er konnte eine Verbindung zur UNESCO in Paris herstellen, dafür erarbeiteten wir ein schriftliches Konzept, und 1993 fand dann wiederum in Gstaad die Vorbereitungskonferenz zur Gründung von MUS-E® statt. In den folgenden Jahren konnten wir gleich in sechs Ländern MUS-E®-Projekte ins Leben rufen – die positive Resonanz zeigte uns, dass wir auf dem richtigen Weg waren.

Inzwischen ist aus MUS-E® ein internationales Netzwerk geworden, das schon eine Million Kinder erreicht hat und von Tausenden von Künstlerinnen und Künstlern getragen wird. Der Name MUS-E® bezieht sich auf musische Arbeit, es konnte aber nicht einfach das Wort ‹Muse› sein, das wäre missverständlich gewesen. – Welche Idee steht eigentlich hinter MUS-E®?

Es ist der Kerngedanke des Humanismus, hinter dem Yehudi Menuhin ebenso wie ich selbst seit jeher stehen: Respekt und Toleranz gegenüber dem anderen. Die Künste sind der beste Weg, diese Einstellung lebendig zu erhalten. Analog zu unserer Bildungstradition sollten wir auch die kulturellen Besonderheiten aller europäischen Regionen pflegen, das ist der Reichtum Europas. Yehudi Menuhin hatte ja ein paar Jahre früher seine internationale Foundation(IYMF) in Brüssel gegründet, die genau diesen Idealen verpflichtet ist. MUS-E® ist in diese Foundation integriert.

Die herrschende Orientierungslosigkeit durch MUS-E®-Kurse überwinden zu helfen, den Kindern Werte zu vermitteln, ist ein wichtiges Ziel. Bei Besuchen in Schulklassen bin ich jedes Mal sehr berührt. Nichts wirkt so integrierend und grenzübergreifend wie die Arbeit in unseren Projekten. In einer Berliner Schule arbeitet eine Lehrerin in einer Klasse, in der kein Kind Deutsch als Muttersprache spricht, und doch sind alle dort voll motiviert – dank der Unterstützung durch MUS-E®.

Wie können sich unsere Leserinnen und Leser ein MUS-E®-Projekt konkret vorstellen?

Es geht in allen MUS-E® Projekten um die soziale, emotionale und körperliche Sensibilisierung von Schulkindern im Sinn einer ganzheitlichen Bildung. Künste wie Theater, Tanz, Musik, bildende Kunst oder Film werden während zwei Jahren wöchentlich in zwei Lektionen in den Schulalltag integriert. Schülerinnen und Schüler sollen mit Hilfe der Künste sich selbst und die Umwelt besser verstehen lernen sowie ihre Fähigkeiten und Stärken entdecken. In der Schweiz dauern MUS-E®-Module ein Quartal oder ein Semester innerhalb des zweijährigen Projekts.

«Wenn wir die Welt verändern wollen, müssen wir bei den Kindern anfangen.» (Lord Yehudi Menuhin)

Das Programm ist auf langfristige Wirkung angelegt und soll nachhaltig wirken, eindringlicher als andere Kunstprojekte, dies vor allem aufgrund der vergleichsweise langen Dauer jedes einzelnen Projekts.

Das MUS-E®-Netzwerk hat sich in den 25 Jahren seines Bestehens enorm ausgebreitet, wie jeder, der den Begriff googelt, schnell erkennt.

MUS-E® lebt vom Enthusiasmus aller Beteiligten – und Begeisterung wirkt ja bekanntlich ansteckend. Die spanische Gruppe ist die grösste, gefolgt von Italien, in Deutschland mussten wir aus politischen Gründen einen Rückschlag hinnehmen, und beginnen nun, uns auch dort wieder auszubreiten. Daneben gibt es MUS-E® zurzeit in Belgien, Liechtenstein, Portugal, Ungarn, Kosovo, Zypern und Israel. In der Schweiz begann MUS-E® mit einem Projekt im Muesmatt-Schulhaus in Bern.

Sie selbst, Werner Schmitt, sind von Ihrer Ausbildung her Orchestermusiker und dipl. Musikpädagoge.

Ich habe lange Jahre im Berner Symphonieorchester gespielt. Mein Vater hatte als Laienmusiker Violoncello gespielt – ich durfte das Cellospielen zu meinem Beruf machen, während meine Brüder Ingenieure wurden und den Handwerksbetrieb meines Vaters in der Eifel ausbauten. Ich musste allerdings in den Ferien im Betrieb mithelfen, vor allem das erledigen, was meinen Händen nicht schadete. Also lernte ich zu organisieren, Transporte durchzuführen, viele praktische Dinge, die mir später nützlich waren, zuerst bei meiner Arbeit am Konservatorium und nun für MUS-E®. Kontakte aufzubauen fiel mir immer leicht, aber auch mit den vorhandenen finanziellen Ressourcen auszukommen, hatte ich oft genug geübt.

Sie verfügen wohl auch über ein gewisses diplomatisches Geschick, denn gerade bei der Einführung der MUS-E®-Projekte ist sicher viel Überzeugungskraft notwendig.

Musik – wie alle Künste – wird von Menschen für Menschen gemacht. Ich habe auch immer gern Beratungsgespräche geführt, wenn es darum ging herauszufinden, welches Instrument ein Kind lernen sollte. Am Konservatorium Bern können Menschen jeden Alters Musikunterricht nehmen, diese Sparte habe ich zu meiner Zeit ausgebaut. Es ist eine sehr befriedigende Aufgabe, Senioren zu beraten, was sie lernen könnten – auch ganz ohne Vorkenntnisse –, und zu beobachten, was sie daraus machen.

Heutzutage besteht meine Haupttätigkeit neben kleineren Projekten zur Förderung junger Musiker vor allem in der Arbeit für MUS-E®. Dieses Netzwerk international zu stärken, liegt mir sehr am Herzen. Ich betrachte MUS-E® als das Wichtigste, was ich in meinem Leben erreicht habe.

Für alle Ihre Projekte, die grossen wie die kleinen, wünschen wir Ihnen viel Freude und Erfolg. Herzlichen Dank für das Gespräch.

MUS-E®

International Yehudi Menuhin Foundation

Teaserbild: Mittelteil eines Violoncellos / commoms.wikimedia.org

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