StartseiteMagazinKulturEinsamkeit, Liebe und Neid

Einsamkeit, Liebe und Neid

Heidi Maria Glössner und Florentin Groll zeigen im Effingertheater Bern, wie es mit Gefühlen im Alter so gehen kann.

Es ist ein behutsames, ein einfühlsames Stück, auch eines mit häufigen melancholischen Anspielungen, doch eine Geschichte voller Lebenslust und Lebensfreude: Unsere Seelen bei Nacht. Geschrieben hat es der amerikanische Erfolgsautor Kent Haruf (1943-2014) ursprünglich als Roman, den er kurz vor seinem Tod vollendete. Erschienen ist das Buch posthum. Es folgten erste Bühnenfassungen und Filme. Jetzt in Bern bringt Alexander Kratzer, ab 2020/21 künstlerischer Leiter des Theaters an der Effingerstrasse, seine Bühnenfassung in der Übersetzung von Tanja Geier Thompson, der administrativen Leiterin des Theaters, zur Uraufführung.

Eine Aufführung voller Höhepunkte

Der erste Höhepunkt dieser Produktion ist die erneute Begegnung mit Heidi Maria Glössner – man erinnert sich: 75 Lebensjahre, 50 Bühnenjahre (2018) – in der Rolle der Addie Moore. Die jugendlich frisch wirkende alte Frau lebt alleine in ihrem Haus, einsam, verwitwet, verlassen von ihrem geschiedenen Sohn. Ihr täglich Brot ist die Einsamkeit, und das bringt sie auf eine Idee, welche man vermutlich in jüngeren Jahren nicht unmittelbar verstehen kann. Sie fragt ihren ebenfalls betagten und einsamen Nachbarn, ob er sich vorstellen könnte, von Zeit zu Zeit die Nacht mit ihr zu verbringen. Nicht allein einschlafen, miteinander sprechen, etwas essen und trinken vielleicht vorher. Dieses Motiv ist ein zweiter Höhepunkt und wohl nur literarisch und auf der Bühne in allen Facetten denkbar: Zusammen die Nacht verbringen! Von Sex oder gar Liebe ist nicht die Rede. Es geht nur darum, der Einsamkeit die beängstigende Wirkung zu nehmen. Louis Waters, der Nachbar, von Florentin Groll mit Feinfühligkeit so gut wie mit Kraft ausgestattet und ein zu Heidi Maria Glössner adäquat passender Partner, versteht das Anliegen richtig. Nichts wird überstürzt; nach gründlicher Überlegung findet er sich bei seiner Nachbarin ein, nicht schüchtern, doch ein wenig vorsichtig und sicher nicht mit unbekümmerter Selbstverständlichkeit. Immerhin sind da noch die Leute der Kleinstadt, mit deren Gerede man ja auch rechnen muss.

Auf die eine gemeinsame Nacht folgen weitere. Man erzählt sich vom Leben, von der Familie und den alltäglichen Freuden und Miserabilitäten, welche den Reichtum so gut wie die Schulden und Schwächen des Reifens, Alterns und Vereinsamens ausmachen. Dass dabei immer grössere Nähe der Gefühle entsteht, ahnt man schon anfangs und erlebt man an den sublimen und doch aussagestarken, aufrichtigen Dialogen und Verhaltensweisen der beiden Partner, deren Professionalität als Schauspieler ob der starken menschlichen Präsenz im Verlauf der Handlung schlicht vergessen geht.

Liebe im Alter weckt Neid der Kinder

Erstaunlicherweise sieht die Umwelt der beiden dem Wachsen der Gefühle und der sich festigenden Beziehung ohne hämisches Gerede und Getuschel zu. Mit dem Eingeständnis der schliesslich aufgeblühten Liebe zwischen den beiden tritt trotzdem die Peripetie ein, wie man den Wendepunkt im klassischen Drama bezeichnet. Addies Sohn, der vor geraumer Zeit seinen Buben, Addies Enkel, bei ihr abgestellt hat, übt aus allen möglichen Gründen, vorgeblich aus Angst um sein Erbe, Druck auf das Paar aus. Addie fühlt sich der Familie verpflichtet und zu wenig stark. Louis muss wegbleiben. Es bleiben wenige heimliche Kontakte nachts per Telefon. Addie fühlt: «Es ist so kalt…».

Alexander Kratzer hat diese ganze Alters- Einsamkeits- und Liebesgeschichte in einem lebendig bewegten Rhythmus inszeniert. Das Bühnenbild von Peter Aeschbacher erstaunt schon zu Beginn des Abends: Ein Union-Jack, wandgross und etwas unscharf gezeichnet, steht hinter Schichten von schätzungsweise insgesamt 25 Matratzen. Was Addie, Louis und die beiden Verkörperer sämtlicher Nebenrollen im Verlauf der Handlung mit diesen Matratzen anstellen, weitet sich beinahe zu einer Parallelhandlung aus: Bett, Umbau, Esstisch, Umbau, Gebirge, Fluss oder See, Speiselokal – und immer wieder das Bett der ersten Nächte, Ruhe- und Begegnungsstätte zweier Einsamer, die sich fern aller sexuellen Bedürfnisse finden können. Somit ein Theater mit grosser Anregung der Fantasie der Zuschauer!

Anna Rebecca Sehls und Aaron Frederik Defant sind die beiden Nebenrollenträger. Was die Inszenierung von ihnen an Anpassungs- und Verwandlungsfähigkeit fordert, erfüllen sie mit grosser Vielfalt von mimischer und gestischer Präsenz; man vergisst, dass es immer dieselben zwei Darsteller sind.

Heidi Maria Glössner (Addie Moore) und Florentin Groll (Louis Waters)

Aufführungen bis 25. Mai 2019.

Bild: © Severin Novacki

DAS THEATER an der Effingerstrasse

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