StartseiteMagazinKulturExtravagantes aus dem alten Ägypten

Extravagantes aus dem alten Ägypten

Aus ihrer umfangreichen Textilsammlung zeigt die Abegg-Stiftung in Riggisberg BE kostbare Gewänder aus dem Ägypten des 3. bis 9. Jahrhunderts.

Würde und Rang in der Gesellschaft wurden schon im spätantiken Ägypten durch edle Kleidung zur Schau gestellt. Wie jedoch präsentierten sich die Reichen und Einflussreichen, wenn Alte und Junge, Grosse und Kleine dasselbe Gewand trugen? DAS Kleidungsstück vor 1500 Jahren war nämlich die Tunika. Wenn diese aus teuren Materialien und mit der entsprechenden Kunstfertigkeit hergestellt wurde, genügte sie durchaus den höchsten Ansprüchen. «Luxus am Nil», die diesjährige Sonderausstellung der Abegg-Stiftung, zeigt Kleidungsstücke, Schmuckleisten und Ornamente, die von Würdenträgern und ihren Familien getragen worden waren.

Gewirkter Ärmeldekor Ägypten, 7.–9. Jahrhundert Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 1085.

Diese feine, qualitätvolle Wirkerei diente einst als Verzierung am Ärmel einer Tunika. In den kleineren Medaillons befinden sich Meeresnymphen, die auf Fischen reiten.

Eine spätantike Tunika ist ein einfaches, weit geschnittenes Gewand, mit und ohne Ärmel. Im gesamten Mittelmeerraum war sie das wichtigste Kleidungsstück. Ihren Charakter erhielt sie nicht durch den Schnitt, er kam vielmehr durch die Materialien, Farben und Verzierungen zum Ausdruck. Kostbare Seide oder alltägliches, grobes Leinen, teuer gefärbt oder naturbelassen sowie Anzahl und Feinheit der Dekorationen spiegelten den Wert einer Tunika.

Wüstensand konserviert die Stoffe

Wir staunen über diese ägyptischen Textilien, deren Farben noch immer leuchten. Dass sie nicht zerfielen, ist dem trockenen Wüstensand zu verdanken. Dort konnten die Gewänder, die aus so fragilen Fasern wie Wolle, Seide und Leinen gefertigt sind, geschützt vor Feuchtigkeit und Licht, die Zeiten überdauern. Denn seit dem 3. Jh. n. Chr. wurden die Toten in Ägypten nicht mehr einbalsamiert und in Bänder gewickelt, sondern in ihren Kleidern bestattet. Oft zog man ihnen mehrere Gewänder übereinander an. Diese wurden viele Jahrhunderte später von Archäologen ausgegraben.

Zeitlose Eleganz

Blickfang der Ausstellung sind zwei vollständig erhaltene Wollgewänder von imponierender Grösse. Das eine ist eine leuchtend rote Tunika mit zwei lila-beige gemusterten Längsstreifen. Sie hängt flach an der Wand. So wird ihre Grösse deutlich und der Herstellungsprozess anschaulich: die Tunika wurde mit den Ärmeln in einem Stück quer gewebt, das heisst von Ärmel zu Ärmel. Das setzte einen Webstuhl von mehr als zweieinhalb Metern Breite voraus. Die gemusterten Partien wurden direkt in den Stoff eingewebt. Entsprechend anspruchsvoll gestaltete sich das Weben eines solchen Kleidungsstücks.

Wolltunika mit Ärmel Ägypten, 5.–7. Jahrhundert. Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 31.
Diese Tunika hat eine einfache, hemdartige Form. Sie ist am Körper oft sehr weit, an den Ärmeln dafür eng. In den eingewebten purpurfarbenen Zierleisten dieses beigefarbenen Beispiels sind kleinteilige Ranken mit tanzenden Figuren und Tieren dargestellt.

Das zweite Gewand lässt sich gut mit der roten Tunika vergleichen. Es besteht aus einem schweren, beigefarbenen Wollgewebe, das unten mit einer breiten Kordel abschliesst. In den eingewebten purpurfarbenen Zierleisten sind kleine Ranken mit tanzenden Figuren und allerlei Tieren dargestellt. Auch diese Tunika wurde in einem Stück gewebt. Wir können sie auf ihrem T-förmigen Ständer von allen Seiten anschauen.

Zierstreifen mit Vögeln und Blüten. Wirkerei aus Leinen und Wolle; Ägypten, 7.–8. Jahrhundert Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 1388.
Je mehr und je feinere Dekorationen eine Tunika aufwies, desto kostbarer war sie. Beliebt waren farbige Zierstreifen, die an Vorder- und Rückseite von den Schultern nach unten verliefen.

 

Wie fühlte es sich wohl an, dieses extrem weite Gewand zu tragen? Verhedderte man sich nicht bei jeder Bewegung in den Stoffmassen, und sah man darin nicht wie ein wandelnder Vorhang aus? Entscheidend sind die eng anliegenden Ärmel, die der ganzen Tunika den nötigen Halt gaben, der Stoff bauschte sich über den Schultern. Vorder- und Rückenteil überlappten sich an den Seiten. Eine breite Kordel am unteren Rand liess das Gewand nach vorne und nach hinten abstehen, so dass es auch in Bewegung die gewünschte Form behielt und bequem zu tragen war.

 

 

 

 

 

 

Reizvolle Schmuckbesätze

An den Wänden sehen wir Gewandfragmente oder Zierbesätze in ihrer ganzen Vielfalt: farbige Streifen, die an Vorder- und Rückseite von den Schultern nach unten verliefen, kreisrunde Medaillons oder rechteckige Felder, die über den Schultern oder in Kniehöhe aufgenäht waren, aparte Borten am Halsausschnitt und am Ärmelsaum.

Im zentralen Medaillon ist eine weibliche Halbfigur zu sehen, gekleidet in eine reich verzierte Tunika.
Gewirkter Ärmeldekor Ägypten, 7.–9. Jahrhundert Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 1085

Mit bereitliegenden Lupen kann man die Besätze genau betrachten. Neben geometrischen Mustern und floralen Motiven finden sich darauf sehr oft reizvolle figürliche Szenen. Zumeist haben die menschlichen Figuren – Jäger, Athleten, Tänzerinnen – im Verhältnis zum Körper übergrosse, ausdrucksstarke Gesichter, die jedem modernen Comic zur Zierde gereichen würden.

 

 

 

Seide und Farbe als Luxusmerkmale

Die meisten Tuniken waren aus Leinen und wurden mit Schmuckbesätzen aus Leinen und Wolle verziert. Aber auch Wolltuniken scheinen verbreitet gewesen zu sein, während Seide die absolute Ausnahme bildete. Wie kein anderes Kleidungsstück vermochte eine Seidentunika dem Träger Prestige und Exklusivität zu verleihen. Rohseide, ein Luxusgut von höchstem Rang, musste bis ins 6. Jahrhundert aus Indien oder China importiert werden. Von den seltenen seidenen Gewändern der Spätantike sind nur wenige erhalten geblieben.

Detail eines runden Schmuckelementes mit Fischer Ägypten, 7.–8. Jahrhundert Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 640.
Die feine, aus Leinen und Wolle gewebte Darstellung zeigt einen Fischer umgeben von Muscheln, Fischen, Vögeln, hasenartigen Tieren und pflanzlichen Motiven. Er trägt einen Lendenschurz und hat zwei Fische an der Angel.

 

Ein weiteres Luxusmerkmal stellen die Farben dar. Die Textilfasern wurden mit pflanzlichen Farbstoffen wie Krapp und Indigo gefärbt oder mit Sekreten von Lackschildlaus oder Purpurschnecke. Ihre Gewinnung war aufwendig, und entsprechend teuer wurden sie verkauft. Deshalb konnte sich nicht jeder eine farbige Tunika leisten. Die meisten Menschen mussten sich mit einem Stoff aus ungefärbtem Garn begnügen und werteten ihre Tunika dann mit einzelnen farbigen Schmuckbesätzen auf.

Bis 10.November 2019

Alle Informationen. 
Sehr zu empfehlen sind die regelmässig angebotenen Führungen.

Alle Fotos: © Abegg-Stiftung, CH-3132 Riggisberg (Fotograf: Christoph von Viràg)

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