Auf alten Handelswegen in Spanien (2): Bodenschätze in Kastilien und Andalusien
Die spanischen Windmühlen verbindet man gerne mit Don Quijotes Kampf gegen die Windmühlen im Roman von Miguel de Cervantes. Hier sind die elf auf einem Hügel noch erhaltenen weissen Mühlen neben der Burg aus dem 16. Jahrhundert das Wahrzeichen der Stadt Consegrua in der Provinz Toledo. Sie tragen Namen wie El Blanco, La Turca oder El Sancho Pansa. Früher wurden sie hauptsächlich für das Mahlen des Getreides verwendet. Heute dienen sie als Ausstellungsort, Restaurant oder Fremdenverkehrsbüro.
Die Windmühlen von Consegrua mit der Burg aus dem 16. Jahrhundert
Zinnobervorkommen und Quecksilber in La Mancha
Das Bergwerk Almadén in der Provinz Ciudad Real in der Region Kastilien-La Mancha war über 2000 Jahre lang eine der wichtigsten europäischen Abbaustätten mit dem weltweit grössten Vorkommen an Zinnober. Ein Mineral, aus dem Quecksilber gewonnen wird. Man schätzt, dass über 250‘000 Tonnen Quecksilber in Almadén hergestellt wurde. Im Jahr 2003 wurde das Bergwerk stillgelegt und ist seit 2008 für Besucher als Parque Minero de Almadén zugänglich und gehört zum UNESCO-Welterbe.
Direkt unter den Häusern des Städtchens Almadén befinden sich die Stollen des Bergwerks, wo man 2000 Jahre lang Zinnober abbaute und zu Quecksilber verarbeitete.
Seit der Antike wird Zinnoberrot als Farbpigment in der Malerei verwendet. Quecksilber benötigte man für medizinische Zwecke, zur Herstellung von Spiegeln und zum Gerben von Leder, zudem spielte es für die Alchemie eine wichtige Rolle. Unter der maurischen Herrschaft wurde der Bergbau weiterentwickelt. Im 12. Jahrhundert erreichte die Grube eine Tiefe von 450 Meter, in der bis zu 1000 Bergleute arbeiteten.
Nach der Reconquista, der christlichen Rückeroberung von Almadén Mitte des 13. Jahrhunderts, gelangte das Bergwerk in den Besitz des Calatrava Ordens. 1487 wurde dieser Orden dem König unterstellt. Als Gegenleistung für die Finanzierung seiner Wahl zum römisch-deutschen Kaiser im Jahr 1519 übertrug Karl V. dem Augsburger Kaufmann und Bankier Anton Fugger die Nutzung der Bergwerke von Almadén. Bis Mitte des 17. Jahrhunderts blieb der Zinnoberabbau in der Hand der Familie Fugger und beschäftigte bis zu 2000 Minenarbeiter. 1774 wurde ein Hospital für die Bergleute errichtet. Behandlungen, wie Inhalieren von giftigen Quecksilberdämpfen, galt seit der Antike als stärkend.
In den erhitzten Tontöpfen des „Aludelofens“ aus der Mitte des 17. Jahrhunderts wurde der Zinnober zu Quecksilber „geröstet“.
Nach der Entdeckung Amerikas und seinen Gold- und Silbervorkommen stieg der Bedarf an Quecksilber. Denn um die Edelmetalle aus dem Gestein zu lösen, braucht es Quecksilber. So transportierte man Quecksilber aus Almadén über Sevilla in die amerikanischen Kolonien, wofür eigene Schiffe gebaut wurden.
Die Abbauprodukte mussten mit Handkarren aus dem Bergwerk herausbefördert werden. Später folgten Förderbänder und ein kleiner Zug, der auch uns wieder ans Tageslicht brachte.
Die gefährliche und gesundheitsschädigende Arbeit im Bergwerk mussten vor allem Sklaven und politische Häftlinge verrichten. Sie wurden direkt vom Gefängnis durch einen unterirdischen Gang zum Stollen geführt und hatten keine Fluchtmöglichkeiten. Meist erlebten sie das Ende ihrer Strafe nicht. 1799 wurde die Zwangsarbeit in den Bergwerken aufgehoben, 1907 die Kinderarbeit verboten. 1755 gab es einen verheerenden Brand, der über zwei Jahre wütete und bei dem viele Menschen starben. Im 18. Jahrhundert wurde das Bergwerk modernisiert. Mehrere Direktoren wurden hierzu aus der 1765 in Sachsen gegründeten Bergakademie Freiberg nach Almadén berufen. Seit 1973 besteht hier eine eigene Schule für Ingenieure. Und seit 1982 untersteht das Bergwerk der staatlichen Bergbaugesellschaft. Nach der Stilllegung des Bergwerks musste aus dem Umfeld von etwa zehn Hektaren hochgiftiger Abfall entsorgt werden.
Die letzten Anlagen zur Verarbeitung von Quecksilber rosten langsam vor sich hin.
Die Kupfermine am Rio Tinto in Andalusien
So rostrot sich die Anlagen in Almadén verfärben, so rostrot verfärbt sich weiter südlich in der Provinz Huelva in Andalusien der Fluss, besonders bei Regen. Der Rio Tinto („roter Fluss“) erhält die typische Färbung des Wassers durch die Verwitterung der dort vorkommenden Erzlagerstätten. Diese haben die Menschen schon vor 4000 Jahren entdeckt und genutzt. Das Erz lockte auch die Römer hierher. Mit Wasserleitungen und anderen technischen Neuerungen erhöhten sie die Ausbeute. Die Araber stellten aus dem erzhaltigen Gestein auch medizinische Tinkturen her.
Die Rotfärbung des Wassers entsteht durch die Verwitterung der natürlichen Erzvorkommen.
Die Kupfermine wurde zeitweise wenig genutzt, bis sie 1775 von einem Schweden entdeckt und 1873 von englischen Ingenieuren aufgekauft und weiter erschlossen wurden. Schon zwei Jahre später weihte man die Eisenbahn ein, welche das gewonnene Material bis zum Atlantikhafen von Huelva transportierte. Die rasche Expansion des Bergbaus veränderte das soziale Gefüge durch Zuwanderung von Arbeitskräften aus anderen Teilen Spaniens. Das alte Dorf wurde gesprengt, weil es dem Ausbau der Mine im Weg stand, dafür baute man nach britischen Vorstellungen ein neues Dorf „Del Valle“ und siedelte die Menschen um. Die Führungspersönlichkeiten des Unternehmens liessen sich im exklusiven viktorianischen Viertel „Bella Vista“ nieder.
Die Lebensumstände für die einfache Bevölkerung waren katastrophal. Der Einsatz der in England verbotenen offenen Röstöfen, um das Erz zu verarbeiten, vergiftete die Luft und viele Einwohner wurden krank oder starben. Bei einer Protestkundgebung 1888 liessen die Eigentümer über 100 Zivilisten durch spanische Soldaten erschiessen. Bis 1903 wurden neben geringen Mengen Mangan und Eisen insgesamt etwa 80‘000 Tonnen Kupfererz gefördert. 1954 gingen die Bergwerke in staatliches Eigentum über, 2001 wurde die letzte Mine geschlossen. Mit dem ansteigenden Rohstoffpreis für Kupfer wurde der Abbau 2016 stellenweise wieder in Betrieb genommen.
Ein 11 km langer ehemaliger Minenzug entlang des Rio Tinto führt die Touristen durch das verlassene Tal, dessen Erze im Tagbau abgebaut wurden. Ein Tal, das seine Wunden offen zeigt und von der Natur langsam wieder erobert wird.
Heute dient das Tal des Rio Tinto als Touristenattraktion. Die Landschaft mit den ausgehöhlten Bergen, den geometrischen Formen und Farben in Rot-, Violett-, Blau-, Orange- und Schwarztönen ist faszinierend, dazwischen schlängelt sich der rostrotgefärbte Fluss. Das Wasser ist so sauer, dass kein Fisch darin leben kann, nur mikroskopisch kleine Organismen. Mittlerweilen interessiert sich die NASA dafür, um das Ökosystem wegen seiner Ähnlichkeit mit dem Planeten Mars zu untersuchen.
Der holprige Minenzug brachte uns ordentlich durchgeschüttelt und mit ohrenbetäubenden Kommentaren aus den Lautsprechern wieder zurück. Nun konnten wir ein wunderbares spätes Mittagessen im ehemaligen Bahnhofgebäude geniessen und gedachten der Minenarbeiter, die mit viel weniger zufrieden sein mussten.
Teil 1, Teil 3, Teil 4 des vierteiligen Reiseberichts
Alle Fotos: ©Ruth Vuilleumier