Im Berner Theater an der Effingerstrasse überzeugen Gilles Tschudi und Berth Wesselmann mit einem szenischen und sprachlichen Feuerwerk der steitbaren Komik.
Zwar haben sie sich jetzt elf Jahre seit ihrem letzten Auftritt gemieden. Die lange frühere Zeit mit erfolgreichen Produktionen hat sie wohl aufgerieben. Kleine Unannehmlichkeiten, gegenseitige Empfindlichkeiten, schlechte Gewohnheiten, stereotype Reibereien, anfänglich wohl noch mit Kopfschütteln überstanden, haben sich mehr und mehr zu Feindseligkeiten entwickelt, so dass vor allem Willie seinen ehemaligen Partner von Herzen hasst. Oder doch nicht ganz…? Er ist auch nicht mehr gerade der Jüngste, wie er da mit seiner Nichte um Kleinigkeiten streitet, seine Vergesslichkeiten und zeitweiligen Erinnerungslücken mit Witz und Selbstironie teilweise auch aggressiv überspielt.
Lichtblick nach Jahren stumpfen Wartens
Aufs Mal scheint Willies Warten auf ein Engagement Früchte zu tragen, denn Nichte Emma Silverman bringt in ihrer Zweitfunktion als Agentin die gute Nachricht: Man will in einer Nostalgie-Fernsehschau den berühmten «Doktorsketch» des Duos nochmals sehen. Der Partner Al Lewis hat schon zugesagt und steht bereits, ängstlich zögernd, vor der Türe des ärmlichen Appartements seines Kollegen. Dieser stellt klar: «Ich bin dagegen, doch ich mache es.» Bis es soweit kommt, klatschen und treffen noch viele ironische und satirische Pointen und schlagfertige Kalauer hin und her und über die Bühnenrampe zum Auditorium.
Berth Wesmann, Gilles Tschudi, Karo Guthke
Die beiden Persönlichkeiten zeigen schon von den Anlagen her einige Unvereinbarkeiten; das heftige und bis ins fiese sich steigernde und wandelnde Aufeinanderprallen scheint vorprogrammiert. Beide sind sie intelligent und sprachgewandt, weder um plumpe Ausreden noch um spitzfindige Argumente verlegen. Sie beginnen mit improvisierten Proben für ihren Doktorsketch, kommen jedoch nicht über die ersten Gesten und Worte hinaus, bevor sie lauthals zu streiten beginnen. Lauthals, ja, aber sowohl mit der Körpersprache als auch mit Worten streiten sie höchst differenziert, mit einem Feuerwerk an Ausdruck und Rhythmus, ohne Hast und doch mit einer auch die Zuschauenden mitreissenden Dynamik in Tempo und Lautstärke.
Subtile Inszenierung, treffsicheres Spiel
Alexander Kratzer verhilft mit seiner Inszenierung von Sonny Boys zusammen mit Karo Guthke (Emma), Berth Wesselmann (Willie) und Gilles Tschudi (Al Lewis) im geschickt umbaufähigen Bühnenbild von Louis Graninger der kammerspielartig angelegten Komödie des berühmten Broadway-Autors Neil Simon (1927-2018) zu einer bewegenden und begeisternden Wirkung auf der Bühne.
Die lautstarke und selbstzufriedene Grossspurigkeit von Willie, seine übersteigerte Dominanz wie seine Uneinsichtigkeit verkörpert Berth Wesselmann ebenso stimmig und überzeugend wie Gilles Tschudi die zum Teil eher unsicher, schüchtern wirkende Aufmüpfigkeit von Al Lewis. Beide Männer steigen streitend in der Art von kämpfenden Hunden gegeneinander hoch, befleissigen sich gegenseitig andererseits auch einer sordinierten Höflichkeit, über deren Aufrichtigkeit man nicht überzeugt sein kann. Karo Guthke bildet mit zeitweise beruhigender Wirkung geschickt das vermittelnde Element zwischen den beiden Hitzköpfen.
Am wirkungsvollsten entfesselt sich die doppelbödige Komödiantik bei den kurzen Abläufen mit Abschnitten des Doktorsketches, wo die Spieler in der Probe, bewusst chargierend, wie weiland in gutgemeinten Dorftheatern – nur dichter, professionell und satirisch-grotesk ausgeführt – aus dem Szenischen wieder und wieder ins Persönliche, ins Streiten, ins Anschreien wechseln: Momente unvergleichlicher Theatralik!
Aufführungen bis 27. Juni 2019.
Bilder: © Severin Novacki
DAS THEATER an der Effingerstrasse