Die Politik, die Wirtschaft, die Gesellschaft treibt allesamt ein Problem um, genauer eine Frage: Dürfen Frauen am kommenden Freitag, am Frauentag, streiken? Dürfen sie am Arbeitsplatz fehlen, dürfen sie ihre Kinder den Vätern überlassen, die dafür am Arbeitsplatz fehlen, dürfen sie die Schule, die Vorlesungen schwänzen? Ja, dürfen sie dieses Instrument des politischen Protestes überhaupt benutzen, selbstbewusst anwenden, auf die Strasse gehen, lautstark skandieren, was in der Gesellschaft, in der Politik, in der Wirtschaft endlich umgesetzt werden soll: die in der Verfassung garantierte Gleichberechtigung? Ja, sie dürfen, ja, sie müssen, sonst wird in der Politik, in der Gesellschaft und in der Wirtschaft nicht verstanden, schon gar nicht umgesetzt, was dringend notwendig ist: eine Gesellschaft, in der alle einander auf Augenhöhe begegnen.
Noch ist die in der Verfassung verankerte Gleichberechtigung nicht umgesetzt, noch verdienen Frauen weniger als Männer, selbst in der hohen Kunst des Filmes erhalten die Frauen weit weniger als die Stars unter den Männern. Also, Frauen geht auf die Strasse!
Noch vor zwei Jahren sah es in der Weltpolitik ganz anders aus. Es machte den Anschein, dass drei Frauen künftig die Welt regieren werden: Hillary Clinton in den USA, Teresa May in Grossbritannien und seit 14 Jahren schon Angela Merkel im grössten europäischen Land, in Deutschland. Die Frauen waren auf dem Vormarsch, die Frauen signalisierten, dass sie nicht in die Schützengräben der Weltpolitik steigen, sondern die westlichen Werte, wie Freiheit, Unabhängigkeit, offene, freie Handelsbeziehungen, die universellen Menschenrechte hochhalten, sie gar weltweit ausweiten wollten.
Doch in den vergangen zwei Jahren geschah Sonderbares: Hillary Clinton konnte zwar die meisten der abgegebenen Stimmen in den USA auf sich vereinigen, doch das US-Wahlgesetz setzte sie auf den zweiten Platz, hinter dem Macho Donald Trump. Teresa May ist zwar noch im Amt, doch in der vergangenen Woche gab sie den Vorsitz ihrer konservativen Partei, den Tories, ab. In Grossbritannien steht immer der grössten Partei automatisch das Amt der Regierungschefin oder des Regierungschefs zu. Teresa May hat sich verheddert, nicht weil sie unfähig war, sondern weil sie glaubte durchsetzen zu müssen, was das Volk knapp beschlossen hatte: den Brexit. Sie blieb stur, statt sich zu wandeln, beispielsweise eine zweite Abstimmung zu wagen, wie dies in der Schweiz beim Frauenstimmrecht selbstverständlich war. Angela Merkels Zeit an der Spitze der deutschen Regierung scheint langsam abzulaufen. Ihre potentielle Nachfolgerin, Annegret Kramp-Karrenbauer, verstrickt sich zunehmend in Widersprüche und scheint sich selber aus dem Rennen um die Erbschaft Merkels herauszunehmen.
Anders die Männer, die in der Weltpolitik mitmischen, allesamt Machos. Der US-Präsident Donald Trump möchte, dass das britische Amt seinem Kumpanen Boris Johnson, quasi seinem Ebenbild, zugewiesen wird, obwohl er als Aussenstehender dazu gar nichts zu sagen hat, sondern zu schweigen hätte. In Ungarn regiert von Gnaden des Volkes Viktor Orban, der sich immer mehr zu einem Autokraten wandelt, genauso wie dies der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan tut, wie dies die polnische graue Eminenz in der Politik, der Präsident der regierenden Partei Polens, Jarosław Aleksander Kaczyńsk, meint vorführen zu müssen. In Italien gebärdet sich Matteo Salvini von der Lega wie ein selbsternannter Regierungschef, obwohl er nur Innenminister ist. Alles Machos, statt besonnene, souveräne Frauen, die in ihrem politischen Handeln ein Ziel verfolgen: das Wohl der Bürgerinnen und Bürger ihres Staates. Einzig in Frankreich hält einer die europäischen Werte hoch, weiss, was die europäische Union in ihrem Innersten zusammenhält: die immerwährende Hoffnung, aber auch Erwartung auf einen gesicherten Frieden nach den grauenvollen Kriegen der Vergangenheit: Emmanuel Macron. Er will mehr, will ein starkes, souveränes Europa, das auf Augenhöhe mit den USA, mit China, mit Putins Russland zu agieren versteht.
Da können wir uns in der Schweiz glücklich schätzen. Unsere neuen Bundesrätinnen Karin Keller Suter und Viola Amherd stehen ihre Frau voll und ganz. Schon jetzt, kaum im Amt, geben sie den Takt an. Karin Keller Sutter in der Europa-, Viola Amherd in der Sicherheitspolitik, unaufgeregt, und souverän. So haben die Frauen am nächsten Freitag beim Frauenstreik auch etwas zu feiern: zwei Bundesrätinnen, die auf Augenhöhe mit den Männern in unserer Landesregierung politische Zeichen nicht nur zu setzen, sondern auch durchzusetzen verstehen.