StartseiteMagazinKulturCaspar Wolf - Malender Gebirgspionier

Caspar Wolf – Malender Gebirgspionier

Das Kloster Muri würdigt seinen berühmten Künstler Caspar Wolf, den Malerpionier der Alpen in einer erfrischenden Dauerausstellung in dem ihm gewidmeten Museum. Caspar Wolf (1735-1783) wurde zu Lebzeiten von Sammlern und Gelehrten geschätzt, geriet aber nach seinem Tod in Vergessenheit und wurde erst Mitte des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt.

Mit den Gebirgsansichten von Caspar Wolf habe ich mich seit den 1970er Jahren beschäftigt. Gehört er doch zu den Landschaftsmalern, die nicht nur Tafelbilder, sondern auch grossformatige, die ganzen Wände überspannende Landschaften in Öl gemalte hatte, wie im aargauischen Schloss Horben. In dieser ehemaligen Sommerresidenz der Benediktinermönche von Muri malte er zwei Räume mit Landschaften (1762-63) aus, die heute leider nicht zugänglich sind. Umso erfreulicher ist es, dass das im April 2019 neu eröffnete Museum den Künstler so lebendig vorstellt und es ein Vergnügen ist, ihn kennenzulernen.

Caspar Wolf, Selbstbildnis mit aufgekrempten Hut, 1774, Gouache auf Pergament. Foto: Murikultur

Caspar Wolf kam als viertes von sieben Kindern eines verarmten Schreiners 1735 in Muri zur Welt. Während seiner Schulzeit wurde die Innenausstattung des Klosters Muri im Stil des Rokoko erneuert. So konnte er als Schüler den aus Süddeutschland zugezogenen Künstlern bei der Arbeit zuschauen. Dank der Unterstützung des Abts kam er als Vierzehnjähriger in Konstanz in die Lehre eines Kirchen- und Landschaftsmalers. Die Gesellenjahre führten ihn nach Augsburg, München und Passau. 1760 kehrte er nach Muri zurück, wo das Kloster sein Auftraggeber wurde.

Caspar Wolf zog es 1770 weiter nach Paris, wo die Künstler nicht mehr sanfte Ideallandschaften malten, sondern dramatisch aufgeladene Natur, durch die er den Mut zum eigenen Stil fand. Zurück in der Schweiz bereiste er das Voralpengebiet bis in die Zentralschweiz und entdeckte hier seine Landschaftsmotive.

Caspar Wolf, Der Engstlensee mit Jochpass, Titlis und den Wendenstöcken, 1775, Öl auf Leinwand.

Auf einer seiner Wanderungen lernte er 1773 den Berner Buchhändler und Verleger Abraham Wagner (1734-1782) kennen, der eine illustrierte Enzyklopädie über die Alpen plante und einen Künstler wie Caspar Wolf suchte. Damals begann der Tourismus ins Gebirge beliebt zu werden und die Nachfrage nach Schweizer Landschaften nahm zu. So wurde Wolf zu Wagners engstem Mitarbeiter und malte in den folgenden Jahren rund 200 Landschaftsgemälde, die hauptsächlich als Vorlagen für die Druckgrafik der verschiedenen Publikationen dienten.

Caspar Wolf, Ansicht der Beatushöhle, ca 1776, Öl auf Karton.

Für Wagners Projekt reiste Caspar Wolf während drei aufeinanderfolgenden Sommer in die Berge, begleitet von Wagner, aber auch vom Berner Pfarrer und Naturforscher Jakob Samuel Wyttenbach, der die Kommentare zu den Bildern schrieb. Es entstanden zahlreiche Zeichnungen und Ölskizzen unter freiem Himmel, die der Maler im Winter zu Ölgemälden umarbeitete. Um die Bilder möglichst naturgetreu darzustellen, nahm Wolf bei der nächsten Expedition die Ölgemälde mit und kontrollierte, ob sie mit der Realität übereinstimmten. Zusätzliche Begleiter waren Vermesser sowie ein Träger, der das lange schwere Seil schleppen musste. Dieses diente zur Vermessung von Wasserfällen und Felsen, indem es von oben heruntergelassen wurde.

Im Zentrum der Maler Wolf vor der Staffelei, links der Verleger Wagner mit einer langen Tabakpfeife und zwei Frauen. Rechts unten der Schreiber Wyttenbach, neben ihm der Vermesser mit einem langen Messstab sowie der Träger mit dem schweren Seilbündel auf dem Rücken und ein Helfer. Ganz oben im Medaillon thront das grosse Vorbild Albrecht Haller, der Naturforscher Aufklärer und Dichter des berühmten Gedichts «Die Alpen» (1729). Foto: Ruth Vuilleumier

Trotz der Detailtreue liebte Wolf auch ungewöhnliche Perspektiven, um die Monumentalität des Gebirges hervorzuheben oder er zoomte bestimmte Ansichten nahe heran, um sie gross und dramatisch erscheinen zu lassen. Kein Landschaftsmaler vor ihm wagte es, so nahe an den Berg und den Fels heranzugehen und diese so überhöht darzustellen, auch im kräftigen Kolorit. Damit wurde Caspar Wolf zum Vorboten der Romantik und nimmt in der Kunstgeschichte eine vielbeachtete Stellung ein.

Caspar Wolf, La Grosse Pierre sur le Glacier de Vorderaar, 1785, Farbaquatinta, gestochen von Jean François Janinet, «Vue remarquables des Montagnes de la Suisse», Bern 1780-82, no. 20.

Im Geist der Aufklärung sollte die 1777 veröffentlichte erste Ausgabe von «Merkwürdige Prospekte aus den Schweizer-Gebürgen und derselben Beschreibung» den realen Gegebenheiten entsprechen. Die Herstellung der Bildbände war arbeitsintensiv: Die in Öl gemalten Vorbilder mussten von spezialisierten Stechern auf Kupferplatten übertragen und die Papierabzüge von Hand koloriert werden, jedes Blatt in einer eigenen Färbung. Die Arbeit war so aufwendig, dass die erste Auflage nur zehn Radierungen enthielt, welche die Entstehungskosten nicht decken konnten. Zudem wurde kritisiert, die Ansichten wären zu wenig einheitlich.

Caspar Wolf, Der Obere Staubbachfall im Lauterbrunnental, nach 1776, Öl auf Leinwand.

Als Wagner in Paris von der neuen Aquatinta-Technik erfuhr, mit der man farbig drucken konnte, publizierte er dort 1777 seine Vues Remarquables. So entstanden neben der kleinen Berner Ausgabe mehrere Pariser Editionen und weitere in Amsterdam, zudem günstige Einzelblätter. Dennoch harzte der Verkauf und Wagner ging bankrott. Er musste seine gesamte Sammlung an Bildern und Drucken seinem Gläubiger abtreten. Was dazu führte, dass sie während hundertsechzig Jahren in holländischem Privatbesitz verschwunden war, – der Künstler ging vergessen.

Caspar Wolf suchte nach dem Bankrott seines Arbeitgebers sein Glück in Deutschland. Ab 1780 lebte er in Aachen und Spa, wo er wegen Nierenproblemen kurte, arbeitete in Köln, Düsseldorf und auf Schloss Bensberg, zeichnete Panoramen, Dörfer, Kirchen, Park- und Schlossanlagen. Im Juni 1781 bot er der Kunstakademie Düsseldorf «80 Vorstellungen der Alpengebürge» in Wasserfarbe zum Verkauf an. Als es ihm besser ging, wollte er in die Schweiz zurückkehren. Doch in Heidelberg musste er ins Hospital, wo er vergessen und verarmt achtundvierzig jährig starb. Erst zwei Jahre später erfuhr man in der Heimat von seinem Tod. Auch Abraham Wagner starb jung, ein Jahr zuvor im gleichen Alter.

Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg erfuhr der aus Muri stammende Kunsthistoriker Willi Raeber (1897-1976) von der Caspar Wolf Sammlung im holländischen Schloss Keukenhof. Er konnte sie erwerben und in die Schweiz bringen. Bedeutende Bilder übergab er neben der Kulturstiftung in Muri verschiedenen Museen in Aarau, Basel, Bern und Winterthur. Die Sammlung in Muri umfasst über 40 Gemälde sowie rund 130 zumeist kolorierte Originalgrafiken und verfügt über die umfassendsten Bestände des Künstlers.

Caspar Wolf, Glacier du Breithorn, contre le Couchant, 1777, kolorierte Umrissradierung, gestochen von Caspar Leontius Wyss, «Merkwürdige Prospekte», Bern 1777, no. 7.

Unter der Schirmherrschaft der Stiftung Murikultur wurde die Dauerausstellung unter der Leitung des Kunsthistorikers und Museumsfachmanns Peter Fischer konzipiert und Caspar Wolf erhält so an seinem Heimatort eine angemessene Würdigung. Auch wenn die spektakulären Bilder in den grossen Museen der Schweiz hängen, gibt die Ausstellung in Muri einen vertieften Einblick in das Wirken des Künstlers und schafft einen breiten Kontext mithilfe von Videos. Bildschirme geben Einblicke in Werke und Vorbilder jener Zeit, ebenso in Wolfs Skizzenbuch. Das Umfeld von Abraham Wagner und der Herstellungsprozess seiner Editionen werden ebenso anschaulich dargestellt. Zudem zeigt eine erste Wechselausstellung «Die Wiederentdeckung von Caspar Wolf» und eine reizvolle Tonbildschau im Obergeschoss lässt den Künstler und sein Werk lebendig werden.

Fotos: ©Ullmann Photography

Museum Caspar Wolf, Murikultur

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