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Verschobene Wahrnehmung

Neulich beim Gespräch mit einem Nutztierhalter (Milchproduktion) in seiner Tierfabrik.

Für ihn ist es normal, dass man jungen Kühe die (durchbluteten, schmerzempfindlichen) Hornansätze verglüht, sie einmal pro Jahr zwangschwängert, nach ein paar Stunden oder Tagen nach der Geburt mit Gewalt auf immer von ihren Säuglingen trennt und sie nur einen kleinen Teil ihrer Lebenserwartung überhaupt «leben» dürfen, bevor (erneut unter Anwendung von Gewalt) Transport und Schlachthaus bevorstehen.

Eine Diskussion mit einem solchen Nutztierhalter über die eigentlichen Bedürfnisse der für Kommerz und Konsum genutzten Tiere ist schwierig. Warum sieht er dabei fast ausschliesslich Produktion, Kosten und Erträge und kaum die Lebewesen, die Tiere, die Natur?

Es hat sich in unseren Systemen in Wirtschaft, Gesellschaft, Politik ein Rechtfertigungs-Muster (intentional behavioural pattern) eingeschlichen, das uns dahin gebracht hat, wo wir sind und so vieles lapidar als gegeben, vernünftig und alternativlos (zum Beispiel eindimensionales Wachstum) scheinen lässt.

Das geht so: Als erstes werden Exzesse (zum Beispiel massive Umweltbelastungen, Glyphosat) VERHARMLOST, was etwa so tönt: “… ist nicht so schlimm … war immer so … geht halt nicht anders … die Technologie wirds schon richten …”, usw. Wird dies über längere Zeit wiederholt und unterlegt mit Marketing-, Werbe-, PR- und Subventionsmilliarden, werden auch groteske, schädliche, nicht nachhaltige, sogar brutale Praktiken und Geschäfts- und Gesellschaftsmodelle NORMAL. Das tönt dann etwa so: “… das ist best practice … das machen wir schon immer so … das machen alle anderen auch…”, usw.

Dieses Rechtfertigungsmuster ist bei unzähligen Themen und Problemen erkennbar;  u.a. Klima-/Umweltschädigung,  industrielle Landwirtschaft/ Massentierproduktion, Verkehr, Energie, Waffenproduktion/-handel, Handelsabkommen, Flüchtlinge/unfreiwillige Migration, Kinder-/ Frauenmissbrauch, usw.

Das einfache wie wirksame Konzept der gewollten VERHARMLOSUNG und NORMALISIERUNG hat sich über die Zeit quasi selbst verharmlost und normalisiert. (Beispiele: Sklaverei, Gladiatorenkämpfe und Versäuberung der Menschen im Wald galten auch mal als normal). Die mit Verharmlosung und Normalisierung einhergehende Verschiebung und stetige Verkümmerung einer objektiven, umfassend-verantwortungsvollen Wahrnehmung und Beurteilung von Zuständen und Problemen – vor allem jene von vitaler Bedeutung und Auswirkung – sollten demnach als Voraussetzung für seriöse, zukunftsrelevante Problemanalysen und Lösungen zuerst bereinigt, also ent-harmlost und ent-normalisiert werden. Am besten mit Ernsthaftigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Beharrlichkeit und konstruktiver Radikalität à la Greta Thunberg (weils nicht fünf vor zwölf, sondern zwölf ist).

Dazu wären wir Menschen potenziell fähig, sicher aber dringend und nachdrücklich aufgefordert.

Bis das passiert, werden sie wohl weiterleiden, die Nutztiere in unseren Tierfabriken, die Kinder in den Textilfabriken und Rohstoffgruben sowie alle anderen im Alltag ganz vergessenen Stimm- und Schutzlosen, für unsere Konsumgewohnheiten Genutzten. Weltweit milliardenfach, täglich, unnötig und äusserst grausam.

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