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Auf dem Wasser zu singen…

Unser Lebenselixier Wasser ist ein unerschöpfliches Thema, das auch die Dichterwelt immer wieder inspirierte und in der Lyrik weiterhin Nahrung findet. Einige Gedichtperlen davon seien in Erinnerung gerufen.

Auf dem Wasser zu singen ist ein Gedicht, das 1782 von Graf Friedrich Leopold zu Stolberg, einem deutschen Dichter, Übersetzer und Juristen, geschrieben wurde. Seine revolutionär-pathetische Lyrik wird zum Sturm und Drang gezählt.

Graf Friedrich Leopold zu Stolberg (1750-1819) 

Lied auf dem Wasser zu singen

Mitten im Schimmer der spiegelnden Wellen
Gleitet, wie Schwäne, der wankende Kahn;
Ach, auf der Freude sanftschimmernden Wellen
Gleitet die Seele dahin wie der Kahn;
Denn von dem Himmel herab auf die Wellen
Tanzet das Abendroth rund um den Kahn.

Ueber den Wipfeln des westlichen Haines
Winket uns freundlich der rötliche Schein;
Unter den Zweigen des östlichen Haines
Säuselt der Kalmus* im rötlichen Schein;
Freude des Himmels und Ruhe des Haines
Atmet die Seel› im errötenden Schein.

Ach, es entschwindet mit tauigem Flügel
Mir auf den wiegenden Wellen die Zeit.
Morgen [entschwinde] mit schimmerndem Flügel
Wieder wie gestern und heute die Zeit,
Bis ich auf höherem strahlendem Flügel
Selber entschwinde der wechselnden Zeit.

* Der (Indische) Kalmus ist eine Pflanzenart innerhalb der Familie der Kalmusgewächse(Acoraceae). Die Sumpfpflanze stammt aus Asien, wurde im 16. Jahrhundert in Mitteleuropa eingebürgert und ist auf der gesamten Nordhalbkugel verbreitet.

Franz Schubert vertonte neun Gedichte von Stolberg, unter ihnen auch dieses. Das Lied für Singstimme mit Klavierbegleitung gehört zu den beliebtesten Schubert-Liedern. Auch  Franz Liszt bearbeitete diesen schwärmerischen Text und veröffentlichte dazu eine Klavieretüde.

Gesang der Geister über den Wassern

Der Staubbachfall im Lauterbrunnental diente Goethe als Inspiration für das Gedicht „Gesang der Geister über den Wassern“ aus dem Jahre 1779. Es ist sechsstrophig und entstand während Goethes zweiter Schweizerreise. Unter dem Eindruck des 300 Meter hohen Staubbachfalls, dessen Gischt zwischen Lauterbrunnen und Stechelberg ins Tal zischt, sandte Goethe die Poesie an die seelenverwandte Charlotte von Stein.

Staubbachfall bei Lauterbrunnen, der Goethe zum Gedicht angeregt hat

Inhaltlich zieht Goethe einen Vergleich zwischen den Naturelementen und dem menschlichen Dasein. Konkret stellt er der menschlichen Seele das Element Wasser gegenüber und nennt Ähnlichkeiten. Als Hauptthema tritt dabei die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens in Erscheinung. Der Wind verkörpert die Vorherbestimmung des Lebens. Während die Seele des Menschen dem unausweichlichen Lebensende entgegengeht, ist auch das Schicksal fremdbestimmt, und jeder Versuch der Menschen, es selbst in die Hand nehmen zu wollen, ist zum Scheitern verurteilt.

Des Menschen Seele
Gleicht dem Wasser:
Vom Himmel kommt es,
Zum Himmel steigt es,
Und wieder nieder
Zur Erde muß es,
Ewig wechselnd.

Strömt von der hohen,
Steilen Felswand
Der reine Strahl,
Dann stäubt er lieblich
In Wolkenwellen
Zum glatten Fels,
Und leicht empfangen,
Wallt er verschleiernd,
Leisrauschend
Zur Tiefe nieder.

Ragen Klippen
Dem Sturz entgegen,
Schäumt er unmutig
Stufenweise
Zum Abgrund.

Im flachen Bette
Schleicht er das Wiesental hin,
Und in dem glatten See
Weiden ihr Antlitz
Alle Gestirne.

Wind ist der Welle
Lieblicher Buhler;
Wind mischt vom Grund aus
Schäumende Wogen.

Seele des Menschen,
Wie gleichst du dem Wasser!
Schicksal des Menschen,
Wie gleichst du dem Wind!

Der römische Brunnen

Der römische Brunnen ist ein Gedicht von Conrad Ferdinand Meyer aus dem Jahr 1882, in dem er die Fontana dei Cavalli Marini in der Villa Borghese beschreibt.

Von dieser Eingebung existieren sieben Fassungen. Inspiriert dazu wurde C.F. Meyer auf seiner Italienreise im Jahr 1858, die erste Fassung schrieb er 1860, aber erst 1882 wurde das Gedicht in der heute bekanntesten Form veröffentlicht. Die vierte Version stammt zum Beispiel aus dem Jahr 1866, die sechste aus dem Jahr 1870 und die letzte aus dem Jahr 1882. Meyer arbeitete sehr sorgfältig am Text und verringerte dabei den Umfang des Gedichts von sechzehn Versen auf acht sowie von zwei Strophen auf eine Strophe. Es lag ihm viel daran, in möglichst wenigen Worten möglichst viel zu vermitteln, die Sprache also zu „verdichten“.

Der schöne Brunnen
(6. Version, 1870)
Der römische Brunnen
(7. Version, 1882)
Der Springquell plätschert und ergießt
Sich in der Marmorschale Grund,
Die, sich verschleiernd, überfließt
In einer zweiten Schale Rund;
Und diese gibt, sie wird zu reich,
Der dritten wallend ihre Flut,
Und jede nimmt und gibt zugleich,
Und alles strömt und alles ruht.
Aufsteigt der Strahl und fallend gießt
Er voll der Marmorschale Rund,
Die, sich verschleiernd, überfließt
In einer zweiten Schale Grund;
Die zweite gibt, sie wird zu reich,
Der dritten wallend ihre Flut,
Und jede nimmt und gibt zugleich
Und strömt und ruht.

 

Inspirationsquelle für Conrad Ferdinand Meyer (1825-1898)

Römische Fontäne von R. M. Rilke

Rainer Maria Rilke (1875-1926) hat sein Versmass in Form eines italienischen Sonetts geschrieben. Auf die ersten zwei Strophen, den Quartetten, folgen die beiden letzten als Terzette.

Das deutsche Wort Fontäne hat eine andere Konnotation als das italienische fontana, das auch Brunnen heißt. Im Vergleich zur Lyrik von C.F. Meyer wird hier ein Brunnen beschrieben, der Ruhe und Stille ausstrahlt. Das Wasser neigt sich leise, schweigt und ruht in der Schale. Der Blick des Beobachters folgt dem Wasser, das seinen Weg nur tröpfchenweise durch die dicht gewachsenen Pflanzen hindurch findet. Auf der letzten Schale widerspiegelt es den Himmel und wirft von unten Lichtreflexe auf den Stein. Der Text lädt ein zur Meditation.

Zwei Becken, eins das andre übersteigend
aus einem alten runden Marmorrand,
und aus dem oberen Wasser leis sich neigend
zum Wasser, welches unten wartend stand;
dem leise redenden entgegenschweigend
und heimlich, gleichsam in der hohlen Hand
ihm Himmel hinter Grün und Dunkel zeigend
wie einem unbekannten Gegenstand;
sich selber ruhig in der schönen Schale
verbreitend ohne Heimweh, Kreis aus Kreis,
nur manchmal träumerisch und tropfenweis
sich niederlassend an den Moosbehängen
zum letzten Spiegel, der sein Becken leis
von unten lächeln macht mit Übergängen.

 

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