StartseiteMagazinKulturZwischen Zeigen und Verhüllen

Zwischen Zeigen und Verhüllen

Das Aargauer Kunsthaus präsentiert mit «Maske. In der Kunst der Gegenwart» eine internationale Gruppenausstellung mit hundertsechzig neueren Arbeiten. Masken nicht als Kultobjekt alter Kulturen, sondern Masken im Spannungsfeld unserer Kultur und Gesellschaft.

Bei Masken denken wir an Fasnacht, Karneval, an afrikanische Stammesriten oder Totenmasken, an Theater, Film und Mode – an Rollenspiel, Identitätswechsel, Verhüllung und Schutz. Masken haben als kultische Objekte, aber ebenso in der bildenden Kunst eine lange Tradition. In dieser Ausstellung geht das Aargauer Kunsthaus der Frage nach, wie die Maske in der zeitgenössischen Kunst behandelt wird.

Das Video «Project for a Masquerade (Hiroshima)» (2010-2011) zeigt einen traditionellen japanischen Maskenschnitzer in seiner Werkstatt. Er stellt die von Simon Starling (*1967, Epsom/UK) skizzierten Masken her, die in einer Installation ausgestellt sind. Das Video erzählt eine hintergründig entlarvende Geschichte zwischen Nō-Tradition und Moderne. (Foto: rv)

Die Selbstdarstellung mit Zeigen und Verhüllen ist in unserer Gesellschaft ein Gradmesser des persönlichen Erfolgs und höchst aktuell. So interessieren sich die Kunstschaffenden nicht für die Maske als Kultobjekt, auch nicht für den psychologisierenden Aspekt, sondern für den Blick auf die Maske mit sozialen, kulturellen und politischen sowie symbolischen Bedeutungen. Sie thematisieren die Maske als Kunstobjekt, als Mittel der Selbstdarstellung, des politischen Ausdrucks oder als Instrument zum Spiel mit unterschiedlichen Identitäten. Das Wesen der Maske wird mit verschiedenen Materialien und Verfahren neu interpretiert.

John Stezaker, Mask (Film Portrait Collage) CLXXIII, 2014. Foto: FXP Photography, London, 2014.

John Stezaker (*1949, London) überblendet Porträts aus klassischen Filmstills mit topografischen Postkarten, was dem Gesicht eine fremdartige Schönheit verleiht. Seine Collagen gehören zu einer Serie mit dem Titel Masks, an welcher der Künstler seit den 1980er Jahren arbeitet. Mit verschiedenen Arten der Maskierung erkundet er, wie Masken das Erscheinungsbild manipulieren, das Wesen des Trägers verschleiern oder betonen.

Die mit Landschaften bemalten Masken der Serie Nomads 2007/2008 von Laura Lima (*1971, Rio de Janeiro) könnte man tragen. Setzt sie jemand auf, schaut man in einen Bildraum, den man unwillkürlich mit der Person in Verbindung bringt. Für diese Serie suchte die Künstlerin in Bildbänden nach historischen Gemälden, die sie ohne Figuren professionell kopieren liess. Dafür setzte sie Pflanzenformen ein, entlehnt aus illustrierten Botanikbüchern, was den Masken eine gewisse Absurdität verleiht.

Sabian Baumann, ohne Titel, 2008, Ungebrannter Ton, Lack. Im Besitz der Künstlerin, Courtesy Galerie Mark Müller, Zürich. Foto: Anja Busse.

Die Maske erfüllt ihre ursprüngliche Funktion erst, wenn sie getragen wird. Die ausgestellten Masken sind jedoch häufig nicht zum Tragen bestimmt, wie die Serie aus ungebranntem Ton von Sabian Baumann (*1962, Zürich). In der Ahnengalerie identischer Masken aus grauen, ungebrannten Tonscheiben ist das einzige individuelle Merkmal die markante, mit Goldfarbe bemalte Nase.

Auch die überdimensionalen Augenmasken von Amanda Ross-Ho (*1975, Los Angeles) lassen sich nicht tragen, ebenso wenig ihre riesigen Stoffmasken in Gold und Silber. Durch ihre Vorliebe, banale Gegenstände mittels eines veränderten Massstabs zu verfremden, schafft sie überdimensionierte textile Skulpturen.

Als freiberuflicher Designer entwirft Christoph Hefti (*1967, Zürich/Brüssel) Textilien für grosse Modehäuser, parallel dazu entstehen Arbeiten im Bereich der bildenden Kunst. Seine Liebe zu handgefertigten Textilien führte ihn nach Nepal, wo er seine Teppiche herstellen lässt. Bei den Maskenteppichen stand von Anfang an das Gestaltungsprinzip der Collage fest. Diese setzt sich aus Fragmenten unterschiedlicher Maskentypen zusammen, die zu einem neuen, fratzenhaften Gesicht verschmelzen.

Christoph Hefti , World Mask, 2014, Gefärbte Naturwolle und Seide, 100 Knoten, 305 x 220 cm. Foto: ©Christoph Hefti.

Aneta Grzeszykowska (*1974, Warschau) interessiert sich als Feministin für den sozialen Aspekt der Maske, der insbesondere Frauen im Alltag geläufig ist. In der Fotoserie Selfie dekonstruiert sie das digitale Selbstporträt, indem sie Teile ihres Körpers mit Schweinehaut nachmodelliert und die so entstandenen Objekte sowie den Herstellungsprozess auf Lederuntergründen fotografiert. In der 13-teiligen Fotoserie Beauty Mask (2017) liess sich die Künstlerin mit diversen kosmetischen Gesichtsmasken porträtieren. Diese sollen Schönheit fördern, sind selbst aber unansehnlich.

Aneta Grzeszykowska, Selfie #19, 2014, Pigmentdruck auf Baumwollpapier, Sammlung Fotomuseum Winterthur. Foto: ©Courtesy of Raster Gallery, Warsaw.

Das Rundbild, in Öl gemalt von Cecilia Edefalk (1954, Stockholm), entstand nach einem Filmstill mit dem Komikerduo Stan Laurel und Oliver Hardy. Dabei interessiert sich die Künstlerin nicht für die Figuren als Ikonen des Films, sondern als Individuen mit inneren Konflikten in einer Beziehung. Zugleich reflektiert sie das Zusammenspiel von Maske und Schauspielerei. Auf dem Antlitz der Figuren sind im Gemälde weisse Masken angedeutet, keine physischen Masken wie in der Commedia dell’arte, sondern verinnerlichte Masken, die hier sichtbar sind.

Cecilia Edefalk, At the Moment Untitled, 1997/1998, Öl auf Leinwand, Malmö Art Museum, Sweden. Foto: ©Cecilia Edefalk/Andreas Nilsson, Malmö Konstmuseum.

Olaf Breuning (*1970, Schaffhausen) lebt und arbeitet erfolgreich in den USA, wo die Unterscheidung zwischen Hoch- und Populärkultur weniger ausgeprägt ist als in Europa. Auf seiner Fototapete Emojis (2014) sind über die gesamte Bildfläche verteilt kleinere fotografische Aufnahmen von sitzenden und stehenden Menschen aufgereiht, die Emojis vor das Gesicht und Cliparts in den Händen halten. Breuning findet in den Masken, die man der Welt überstülpt, neue künstlerische Freiheiten und erschafft mit der Emojis-Tapete eine heiter-apokalyptische Welt.

Olaf Breuning, Emojis, 2014, C-print, Fototapete, Courtesy der Künstler. Foto: ©Studio Olaf Breuning.

In der medial breit angelegten, abwechslungsreichen Ausstellung begegnet man Werken, die in den letzten zehn Jahren von sechsunddreissig Künstlerinnen und Künstlern aus zwölf Ländern entstanden sind. Es ist anregend sie zu entdecken, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und mit den künstlerischen Intentionen in Verbindung zu bringen. Dazu bietet der reich illustrierte Katalog fundierte Hintergrundinformationen.

Ausstellung im Aargauer Kunsthaus, Aarau, bis 5. Januar 2020

Katalog, Deutsch/Englisch, Hrsg. Madeleine Schuppli und Aargauer Kunsthaus, Aarau. Verlag Scheidegger&Spiess, Zürich 2019. ISBN: 978-3-85881-645-0. CHF 49.00 / CHF 42.00 für Mitglieder des Aargauischen Kunstvereins

Im Rahmen der Ausstellung wird am 1. und 2. November die Kollektivperformance «Schraffur für das Aargauer Kunsthaus» – entwickelt vom Schlagzeuger und Komponist Fritz Hauser – mit 100 Mitwirkenden aufgeführt und verwandelt das Kunsthaus in einen imposanten Klangraum. Weitere Veranstaltungen hier.

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