Zwanzig Jahre lang streifte der Schweizer Fotograf Guido Baselgia (66) mit seiner Grossformatkamera um den Globus und machte abstrakte Bilder von Gesteinsformationen, Schnee und Eis. Jetzt begab er sich in den tropischen Regenwald im Amazonas. Diese Werke stellt die Fotostiftung im Fotomuseum in Winterthur bis 16. Februar 2020 aus.
Der Fotograf als Forschungsreisender: In den vergangenen zwanzig Jahren bewegte sich Guido Baselgia mit seiner Kamera in geologischen Randzonen, tastete die karge Erdoberfläche ab und beobachtete Lichtphänomene in den Alpen, den Anden und im Norden Norwegens.
Seine Studien übersetzte er in die Bildsprache einer langsamen, analogen Fotografie. So entstanden schwarzweisse Tableaus an der Grenze zur Abstraktion, ausgeführt als grossformatige Silbergelatineabzüge oder Heliogravüren, die sich durch ihre Detailliertheit und materielle Beschaffenheit auszeichnen.
Terra nevada – cotopaxi, 1. September 2013, 15-20 Uhr
Die Ausstellung knüpft an die bekannten Werkzyklen – «Hochland», «Weltraum», «Silberschicht« und «Light Fall» – an und stellt erstmals Baselgias neuestes Projekt vor. Sein neustes Langzeitprojekt «Als ob die Welt zu vermessen wäre» zog ihn in den Amazonas, nach Ecuador und Peru, eines der dichtestes bewachsenen Gebiete der Welt. Dort setzte sich der Fotograf mit der Darstellbarkeit des tropischen Regenwaldes auseinander.
Guido Baselgia vor dem Bild Ceibo I, 2018
Die flirrende Dichte und Vielfalt der Vegetation verwandelt er in Kompositionen grösster Ruhe und Konzentration. Porträts der indigenen Bewohner (man unterhielt sich auf spanisch) und Stillleben aus dem Umfeld der Siedlungen wurden zu Reflexionen über die fotografische Repräsentation dieser bedrohten Lebenswelt. Wie ein Memento Mori würdigt Baselgias Arbeit diesen Landschaftsraum, dessen wirtschaftliche Ausbeutung sich längst auf das globale Klima auswirkt.
Der Fotograf vor dem Grossformatdruck auf Leinwand Tierra caliente – Gemenewenanka I-III. 2018
Seit Jahren beschäftigt sich Baselgia intensiv und kontinuierlich mit der Ergründung der Natur. Für ihn heisst Fotografieren „Malen mit Licht auf dem Film bis hin zum fertigen Bild“. Baselgia spürt der Natur im Kleinen nach. Die Verengung des Blicks bedeutet Befreiung – isoliert erscheint das Vertraute unerwartet fremd, faszinierend und neu. Seine Bilder sind Demonstrationen fototechnischer Perfektion, er bricht darin mit sämtlichen Konventionen des Landschaftsbildes: weder Horizont noch Vordergrund noch spektakuläre Motive oder erkennbare Massstäbe geben Orientierung. Oft verliert sich der Blick in der unbegrenzten Tiefe, wobei auch der eigene Standort in Frage steht und verblüffende Rauminversionen auftreten.
Christiane Ludena und José Zambrano begleiteten ihn in den Jahren 2018 und 2019 ins Amazonengebiet. Die beiden haben organisiert, kommuniziert, improvisiert, beim Fotografieren assistiert und damit nach seinen Worten: «wesentlich zum Gelingen dieses Werkes beigetragen.»
Regenwald: Tierra templada No 2, 2018
Einfach war die Arbeit nicht. Die 4×5 Grossformat-Fachkamera mit dem Stativ musste in unwegsamem Gebiet aufgestellt werden. Lange Belichtungszeiten waren nötig, um zum Resultat zu kommen. Erst in seinem Labor zu Hause in Malans GR, auch Monate später, waren die Bilder sichtbar und konnten weiter verarbeitet werden.
Guido Baelgia wurde im Engadin geboren und hat früher als Fotoreporter in Zug gearbeitet. Im Jahre 2006 hat ihm der Stiftungsrat der Innerschweizer Kulturstiftung den Innerschweizer Kulturpreis verliehen. Baselgia lebt und arbeitet heute in Malans GR. Seine Fotografie ist die Antithese zum schnellen Smartphone-Schnappschuss, das er nebenbei als visuellen Notizblock benutzt.
Gesponsert wurde das breitangelegte Projekt unter anderen vom Werkstipendium der Landis & Gyr-Stiftung und der Fotostiftung Schweiz.
Fotos: Josef Ritler
Buch «Als die Welt zu vermessen wäre»
Fotostiftung Schweiz
ISBN 978-3-907205-04-4