StartseiteMagazinKolumnenGrüssen oder die Erinnerung ans Anbaggern

Grüssen oder die Erinnerung ans Anbaggern

Eigentlich ist sie ganz einfach, die Sache mit dem Grüssen. Nämlich: Ja auf dem Lande, nein in der Stadt. Aber wenn wir etwas tiefer graben, wirds komplizierter: Wie, wer, wo? Hilfreich ist, was uns Freiherr Adolph von Knigge mit auf den Weg gegeben hat: „Lenkst du über Wald und Wiesen deine Schritte, grüsse, so ist es gute Sitte. Wandelst du entlang der Häuser Mauern, zieht nur ein Tropf den Hut vom Kopf.“* Damit bestätigt er, was wir am Anfang festgestellt haben. Wir grüssen auf dem Pfannenstiel, im Schwarzwassergraben und beim Chlosterchöpfli. Wir grüssen weder am Bellevue (ZH) noch beim Zytglogge (BE) oder beim Spalentor (BS).

Wir kennen weitere überlieferte Regeln. Jung grüsst alt, Mann grüsst Frau, unten grüsst oben. Das ist, mit Verlaub, Quatsch und taugt gar nichts. Da ist zum Beispiel die Jung-grüsst-alt-Regel. Wenn ich (Ü70) darauf warten würde, dass mich ein U20 grüsst, würde ich, wenn ichs nicht schon wäre, grau werden. Bei ihnen, aber auch bei älteren Gruss-Abstinenzler hat sich übrigens der Schäm-di-Trick bewährt: Erst dann laut grüssen, wenn man auf der Höhe des Schweigsamen ist. Der Überraschte wird beschämt zurückgrüssen.

Jetzt ein paar alltagstaugliche Verhaltensweisen: Hündeler grüsst Hündelerin und umgekehrt. Ein schönes Zeichen demokratischer Gesinnung ist, dass Edelhund-Besitzerinnen (mit Filibert von Knappertsbusch) auch Baschterli-Prolos (mit Flecki) grüssen. Überdies zu beobachten: Rollstuhlfahrer grüsst Rollstuhlfahrer. Weil noch nicht erforscht bloss als Vermutung: Handrolli (zum Beispiel Caneo E, Fr. 390.00) hat E-Rolli (Moving-Star XL 401, Fr. 4849.00) die Ehre zu erweisen.

Für jene, die in der Nähe eines Spitals wohnen, stellt sich die Frage: Grüssen sich Patienten mit mobilen Infusionsständern? Die Antwort: Ja, wenn sie sich draussen begegnen. Nein, wenn sie wieder drinnen sind. Heikel ist das geschlechterübergreifende Grüssen. Mann grüsst Frau? Geht nicht. (Ich sage nur #metoo.) Nun ja, geht fast nicht. Wenn der Mann das paarungsrelevante Alter überschritten (ich sage nochmals Ü70), wird Grüssen für Männer wieder möglich. Keine Frau missversteht den Grufti-Gruss als Einstieg ins Anbaggern. Leider.

* Hunde und Blick-Leser verstehen keine Ironie. Das habe ich während meiner Journalistenausbildung gelernt. Also liebe Hunde: Der Knigge hat sowas nie gesagt oder geschrieben.

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4 Kommentare

  1. Grüezi Herr Steiger
    Eine witzige Analyse unsere Grussrituale!
    Als Städter bin ich praktisch ein Grusslegastheniker. Auf dem Land werde ich fast jedesmal überrascht durch die freundlichen Grüsse.
    Aber dann Grüsse ich mit Inbrunst alle und jeden.

  2. Grüesech Herr Steiger
    Bin im Mai von der Stadt ins tiefste Schwarzenburgerland gezogen, letzter Miststock links! 🙂 Vom ersten Tag an, wurde gegrüsst und ich dachte, wau, es muss sich aber schnell rumgesprochen haben, das ich da bin…die kennen mich schon alle! lach, Mittlerweile habe ich verstanden ,dass man es hier so macht! unter Miststock Besitzern! Ich grüsse zurück…:)

  3. Ist Brugg nun noch Stadt oder Land? Eher Städtchen. Und wie lautet da die Regel? Grüssen oder nicht grüssen? Im Quartier tue ich’s. Da steht man doch noch zusammen, im Quartierverein, in der Überbauung zum Beispiel. Aber viel Leute scheinen mich gar nicht zu verstehen. Es kommt keine Antwort. Der Schäm-di-Trick, der mir selbst in den Sinn kam und den ich hin und wieder anwende, funktioniert nicht. Ich habe manchmal das Gefühl, der von mir Gegrüsste glaubt, ich veräpple ihn oder rufe ihm etwas Ungehöriges zu. Viele sind halt nicht ein bisschen integriert und verstehen kein Deutsch. Fast jeder 3. ist Ausländer und noch mehr mit Migrationshintergund. Die wenigsten kennen das Grüssen. Leider. Schade. Wir lernten es von unsern Eltern, älteren Geschwistern und Spielkameraden auf der Strasse. Der Nachbar wies uns unmissverständlich darauf hin. In der 1. Primarschulklasse gehörte es zum Unterrichtstoff. Kindergarten und -krippe gab es noch keine. Und wo hat es seinen Platz im Lehrplan21? In der Integration?

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