StartseiteMagazinKulturDer Avantgardist unter den Choreografen

Der Avantgardist unter den Choreografen

Das Opernhaus Zürich ehrt den gerade 70 Jahre alt gewordenen Choreografen William Forsythe mit einem Ballettabend. Es ist eine Hommage an einen Erneuerer, der, basierend auf dem klassischen Ballett, eine ganz eigene Tanz- und Körpersprache gefunden, eine eigene Kunstform kultiviert hat.

Zwanzig Metalltische, akkurat aufgereiht in vier Reihen. Dazwischen, darüber, darunter tanzt und turnt das Ballett Zürich eine aberwitzig rasante Choreografie. Mal wähnt man sich in einem Schulzimmer, wo die Klasse – ohne Lehrer natürlich – über die Bänke tobt, ihren Bewegungsdrang auslebt, dann wieder ist es eine Mischung zwischen Table dance und Hindernislauf.

William Forsythe probt seit zwei Wochen mit dem Zürcher Ballett. Und wird das auch noch etwas länger tun, denn die Premiere ist für ihn nur ein Fixpunkt in einem immerwährenden Prozess. «One Flat Thing, reproduced» (Ein flaches Ding, reproduziert, 2000 in Frankfurt uraufgeführt), das letzte Stück des dreiteiligen Ballettabends, ist mehr als ein wilder, teils fast akrobatischer und potentiell gefährlicher – die scharfen Kanten der Tische! – Tanz. Es ist eine gedankliche Analogie zu Robert Scotts Südpolexpedition. Scheitern inbegriffen. Da werden die Metalltische zu heimtückischen Eisschollen, die Choreografie hingegen zu einem ausgefeilten Kosmos inmitten des nur scheinbaren Chaos.

Elektrosound versus Tanz

Die elektronische Musik von Thom Willems, dunkel, bedrohlich, drängend und sirrend, treibt die Tanzenden an, ohne synchron zu den Bewegungen zu sein – Tanz und Klang als zwei Handlungsstränge, Ton und ein Sturm von Körpern in einer subtilen Geometrie gefangen. Willems ist seit vielen Jahren Forsythes bevorzugter Komponist. Vielleicht weil dieser Sound ebenso abstrakt, reduziert und doch emotional ist wie die Choreografien.

Szenenbild aus «One Flat Thing». (alle Bilder Gregory Batardon/Opernhaus Zürich)

Begonnen hat der Abend mit «The Second Detail» aus dem Jahr 1991. Wobei Forsythe in einem Interview im Programmheft einräumt, dass seine Choreografien nie absolut festgelegt seien. Sie sollten immer massgeschneidert sein für die Truppe, die sie gerade tanzt. «Die Tänzer sollen in den Stücken toll aussehen und sich mit dem choreografischen Material wohl fühlen.» Dieses Ziel wird in Zürich erreicht. Die Compagnie brilliert in jeder Hinsicht und beweist einmal mehr ihre Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit. Nur schon der exzessive Tanz auf Spitze im ersten, neo-klassich konzipierten Stück: Da haben wohl viele Frauenfüsse im Publikum nur schon vom Zusehen geschmerzt.

Wie ein Orchester

«The Second Detail» wirkt mit seinen ganz in hellgrau gekleideten Tanzenden wie eine Partitur, wo immer wieder andere «Instrumente» die Leitstimme übernehmen, sich Töne zu Melodien finden, nur um wieder abzuschweifen. Der Auftritt der Dame im weissen Miyake-Modellkleid (Anna Khamzina) bricht die getanzte Komposition auf. Verhalten zuerst, dann immer ekstatischer, baut sie einen Spannungsbogen auf, der unvermittelt wieder abbricht.

«The Second Detail» mit Anna Khamzina in der Mitte.

Die 1991 uraufgeführte und 2016 überarbeitete «Approximate Sonata» nimmt ein klassisches Ballettthema auf, den Pas de Deux. Vier Paare begegnen sich, flirten, necken sich – und wenden sich auch mal einfach gleichgültig ab. Hier wirkt Forsythes «neue» Tanzsprache am augenfälligsten: Die Körper richten sich nicht wie beim klassichen Tanz üblich in symmetrische Achsen aus, sie winden sich, knicken ein und verdrehen sich. Es ist eine fein austarierte Dynamik, die die Paare verbindet und auch wieder trennt. Esteban Berlangas Solo ist dabei ein wunderbarer Mittelpunkt, begleitet von Willems Sound, der klingt wie ein Feuerwerk im Nebel. Also nur Ton und kein Feuer.

Pas de deux in «Approximate Sonata».

Der Applaus zum Schluss galt dann zwar in erster Linie dem so jugendlich wirkenden Meister. Aber das Zürcher Ballett darf für sich auch einen grossen Strauss an Komplimenten entgegennehmen. Sie haben gezeigt, wie wandlungsfähig und kreativ sie die Intentionen eines grossen Künstlers zu interpretieren wissen.

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