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Mit Kunst die Welt retten

Der dänisch-isländische Künstler Olafur Eliasson ist einer der wichtigsten zeitgenössischen Künstler. Sozial und ökologisch engagiert, verwandelt er seine Botschaften in atmosphärische Installationen, die auch in «Symbiotic seeing» im Zürcher Kunsthaus unsere Sinne ansprechen, Grenzen auflösen, faszinieren und nachdenklich machen.

Im Mittelpunkt der Werke, die der Künstler speziell für das Kunsthaus realisiert hat, steht die Frage des Zusammenlebens zwischen Menschen, Tieren, Pflanzen und anderen Lebewesen auf dieser Erde. Olafur Eliasson lädt dazu ein, nicht nur über den Klimawandel als Folge menschlichen Handelns nachzudenken, sondern die Position des Menschen als Teil eines grösseren Systems zu verstehen: Symbiose als neue Form des Zusammenlebens.

Olafur Eliasson, Weather Orb, 2020. Edelstahl, Polarisationsfilter, Kunststoff. Durchmesser 120 cm. Foto: Franca Candrian ©Olafur Eliasson.

Die Ausstellung lässt sich wie ein thematischer Rundgang in sieben Stationen lesen. Die ersten vier Räume sind für die Lichtinstallationen ganz abgedunkelt, die nachfolgenden drei hell beleuchtet. Als erstes wird man von einem langgezogenen horizontalen Lichtspiel empfangen. Farbige Lichtkegel, die mit Scheinwerfern von einem schwarzen Kasten aus erzeugt werden, bewegen sich auf der Wand und verändern sich laufend. Sie rufen Assoziationen zum Weltall und Sphären anderer Welten hervor.

Diese leiten zum transparent leuchtenden Weather Orb über. Diese Wetterkugel oder Erdkugel ist aus mehreren ineinander geschachtelten Metallstrukturen aufgebaut. Die Polyeder vermitteln eine fragmentierte Sicht auf die Welt und wir sind im Zusammenspiel mit unterschiedlichen Akteuren Teil eines komplexen Systems. Durch den Titel des Werks Weather Orb stellt Eliasson einen Bezug zum Klimawandel her.

Im grossen Raum Symbiotic seeing, welcher der Ausstellung den Namen gegeben hat, bleiben wir zuerst fasziniert und erstaunt stehen. Ein dichter Nebel hüllt uns ein, der aus den an der Decke befestigten Düsen einer Nebelmaschine herausströmt, so wie es auch im Jungen Theater beliebt ist. Die Decke scheint sehr niedrig zu sein, als ob sich auf einem zarten Vlies farbige Wolkengebilde am Himmel bewegen und ineinanderfliessen. Man denkt an Stimmungen auf Caspar David Friedrichs Gemälden oder an Wasserreflexionen der Impressionisten. Zudem schwingen dunkle Klänge im Raum.

Olafur Eliasson, Symbiotic seeing, 2020. Foto: Franca Candrian ©Olafur Eliasson.

Die Stimmung in dieser grossen Installation ist meditativ, man wird ruhig und blickt andächtig nach oben. Doch der Schein trügt, es gibt kein tiefergespanntes textiles Vlies, die Decke ist eine Vision. Der Raum ist zwei Meter achtzig hoch und misst vierhundert Quadratmeter. Aus den Nebelmaschinen sprudelt regelmässig mit Öltropfen versetzter Wasserdampf, was die Illusion einer zarten textilen Fläche erzeugt. Farbige Laser bestrahlen diese Dampfwolken, die von einer Lüftungsanlage bewegt und verwirbelt werden.

Die ganze Wolkenillusion wabert und das Gewölk reagiert auf die Wärme der anwesenden Besucher. Bei einer grossen Menschenansammlung verdunkeln sich die Wolken, bei nur wenig Personen hellen sie sich auf und der Wasserdampf sprudelt hellleuchtend aus den Düsen. Es ist ein faszinierendes Spiel von Stimmungen, Visionen und Realität. Der Hintergrund von Eliassons Botschaft in Symbiotic seeing zeigt, wie die Natur und der Mensch symbiotisch aufeinander reagieren.

Olafur Eliasson, Algae window, 2020, Glaskugeln, Stahl Aluminium Kunststoff, 380 x 350 x 80 cm. Foto: Franca Candrian ©Olafur Eliasson.

Das Algenfenster im nächsten Raum wirkt wie ein grosses Lichtmandala in der Dunkelheit. Geht man nahe an die einzelnen Lichtpunkte heran, kann man durch die einzelnen Glaskugeln hindurchschauen, vielleicht winkt gerade jemand von gegenüber, und man sieht aus dem Bührle-Saal heraus das auf dem Kopf stehende alte Kunsthausgebäude.

Algae window stellt den Blick durchs Mikroskop dar, weist auf die Schönheit der Welt im Mikrobereich, die wir sonst nicht sehen. Eliasson hat die Anordnung der Glaskugeln auf der Wand von mikroskopischen Darstellungen der Kieselalge abgeleitet, die grosse Mengen Kohlendioxid aus der Atmosphäre binden kann. Wie der Übergang vom Einzeller zum Mehrzeller auf Kooperation basierte, so war auch die Besiedelung des Landes durch Pilze und Pflanzen nur gemeinsam möglich, nicht der Stärkere sorgt für Weiterentwicklung und Leben, sondern die Gemeinschaft.

Olafur Eliasson, Installationsansicht Kunsthaus Zürich. Foto: rv.

Im hellen Bereich der Ausstellung befindet sich eine Ansammlung unterschiedlichster Skulpturen, die ihre Schatten an die Wand werfen. Alle diese Werke entstanden zwischen 2005 bis 2020 und geben einen Rückblick auf Olafur Eliassons Schaffen. Er selbst fragt sich, welche Elemente er daraus noch weiter entwickeln könnte. Die schwarze glänzende Kugel aus Obsidian, ein vulkanisches Glas, schafft Bezug zu seiner Heimat Island. In einem Zauberspiegel sieht man sein eigenes Spiegelbild und beim Weitergehen verschwindet es plötzlich. Für die grosse Lampe aus einem Leuchtturm sucht er noch nach einer sinngebenden Verwendung, denn sein künstlerisches Schaffen ist ein stetiger Prozess.

Zum Ausgang hin führt eine dreissig Meter lange Pinnwand, die Research wall. In alphabetischer Reihenfolge sind hier Notizen, Kopien aus Büchern, Fotokopien von Bildern, Ideen, Skizzen zu verschiedenen thematischen Bereichen aufgeklebt, so wie auch in seinem Studio in Berlin, wo er seit zwanzig Jahren mit verschiedenen Teams und Spezialisten zusammenarbeitet. Es lohnt sich, diese Pinnwand genauer zu studieren, denn hier findet man Querverbindungen und Gedanken, die zur Realisierung seiner Arbeiten geführt haben.

Olafur Eliasson, Roboterarm und Cello, Sound in Zusammenarbeit mit Hildur Gudnadottir. Foto: rv.

In der letzten Koje steht ein Cello, das von einem Roboterarm bespielt wird. Erstmals verwendet Eliasson einen Roboter in seiner Arbeit. Die dunklen, rauen Klänge hört man schon lange vorher, besonders im grossen Raum Symbiotic seeing mit den Wolkenbildern. Dort besteht dafür extra eine Öffnung in der Wand, damit der Sound gut hörbar ist. Dieser Sound entstand in Zusammenarbeit mit der isländischen Cellistin Hildur Gudnadottir, die neben ihren eigenen Projekten auch mit vielen Künstlern zusammenarbeitet und Filmmusik komponiert.

«Little Sun» ist Kunst und Alltagsgegenstand zugleich. Ein Teil des Erlöses aus dem Verkauf geht an das «Little Sun-Projekt». Foto: rv.

Olafur Eliasson philosophiert nicht nur mit seiner Kunst, er gründete 2012 auch das Social Business «Little Sun», eine Initiative, die mit solarbetriebenen kleinen Lampen in Form einer Blume Licht in Gegenden der Erde bringt, die kaum Zugang zur Elektrizität haben. Im September 2019 wurde er von der UN zum Botschafter für den Klimaschutz ernannt. Er ist überzeugt, dass Kunst eine Sprache ist, die das Potenzial hat, Menschen in Bewegung zu versetzen, über sich selbst und die Welt nachzudenken.

Beitragsbild: Olafur Eliasson, Foto: Franca Candrian ©Olafur Eliasson.

Bis 22. März 2020
Olafur Eliasson: Symbiotic seeing, Kunsthaus Zürich.

Olafur Eliasson – Symbiotic Seeing, Ausstellungskatalog, Hrsg. Kunsthaus Zürich, broschiert, 196 Seiten mit Abb., 2020, ISBN 978-3-86442-301-7, CHF 39.00 (deutsche Ausgabe auch in Englisch erhältlich)

Zur Ausstellung gibt es online ein Digitorial mit Informationen zu Eliasson und seinem Werk.

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2 Kommentare

  1. Danke für die spannende Reportage. Ich habe die Ausstellung bereits gesehen und gleich einen Museumspass fürs ganze Jahr gekauft – weil ich immer und immer wieder in diese Ausstellung gehen werde, bevor sie Ende März zu Ende geht. Dies ist wirklich relevante Kunst. Herzlich, Brigitta Stahel

  2. Danke für diesen Beitrag. Ich war Dienstag in dieser Ausstellung. Sehr eindrucksvoll und ein Erlebnis! Der Researchwall konnte ich leider nicht ganz lesen. Es ist voller Information. Ausserdem konnte ich mich gerade wegen die monotone Celloklängen nicht länger konzentrieren. Das nächste mal nimm ich Ohropax mit.????
    Übrigens ist das Buch Symbiotic Seeing , auch in Deutsch erhältlich, voller Information! Wenn ich das durchgearbeitet habe, gehe ich nochmals hin.

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