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Ein neuer Generationenvertrag!

Sind wir, die beruflich im Ruhestand leben, „Abzocker“? Geniessen wir den Ruhestand auf Kosten der nächsten und der übernächsten Generation? Fast schon täglich können wir in den Zeitungen lesen, wird uns über Radio und Fernsehen vermittelt, dass zurzeit und auch nach den notwendigen, jetzt angedachten Reformen der zweiten Säule 4,5 bis 7,5 Milliarden Franken jährlich von der aktiven Generation an uns Pensionierte fliessen; je nach Vorschlag und interessengebundenen Vorstellungen. Geld, auf das wir zwar gesetzlich einen Anspruch haben, nicht aber selber erwirtschaftet hätten. Gelder, die uns zumindest moralisch nicht zustehen würden. Es sei Geld, das dannzumal den nachfolgenden Generationen für eine anständige Pension fehlen werde.

Und so stellt sich unvermittelt und direkt die Frage: Stimmt das? Oder haben wir neben dem gesetzlichen nicht auch einen moralischen Anspruch? Und wie steht es mit dem viel zitierten Generationenvertrag? Eines ist unerlässlich: eine Gesamtbetrachtung der sozialen Sicherheit, der gesellschaftlichen Bedeutung. Ausschliesslich nur die Zweite Säule ins Auge zu fassen, führt schlicht nicht weiter, sondern in eine Sackgasse. Der jetzt einsetzende Kampf um Details wird die Zweite Säule nur weiter verkomplizieren.

Um es vorweg zu nehmen: Die junge Generation hat es heute weit schwerer, ins Berufsleben einzusteigen, als wir das hatten. Oft werden selbst sehr gut ausgebildeten jungen Menschen nur prekäre Arbeitsverhältnisse angeboten: Praktikums-Stellen, Volontariate, in denen sehr wenig verdient, eben wenig bezahlt wird. Sie sind zudem vor allem in den Städten mit immer steigenden Mietzinsen konfrontiert. Junge Familien müssen für Krippen-Plätze pro Tag für ein Kleinkind über 120 Franken, je nach Einkommen, aufbringen. Es ist ihnen trotz ganz tiefen Hypo-Zinsen (unter 1 Prozent) nicht möglich, ein Eigenheim zu erwerben, weil nach den Vorschriften der Finanzmarktaufsicht Finma die Zinsen für Hypotheken zu 5 plus 1% für Unterhaltskosten berechnet werden, die so aufgerechnet 30 Prozent des jeweiligen Einkommens nicht überschreiten dürfen. Erben kann die nachfolgende Generation wegen der demografischen Entwicklung oft erst dann, wenn sie selbst bereits im Pensionsalter angekommen ist, wenn sie die kostenintensive Familienzeit überstanden hat.

Haben also die kommenden Generationen weit schlechtere Karten in der Hand? Zweifellos. Aber muss das sein? Steht ihnen nicht auch ein Auffangnetz zur Verfügung? Aktenkundig ist zumindest, dass sehr oft und oft ganz regelmässig die Grosseltern die Betreuung ihrer Kinder kostenlos übernehmen, dass die Grosseltern Ausbildungskosten tragen, den Kauf eines Eigenheims mitfinanzieren. Der volkswirtschaftliche Beitrag der Grosseltern geht je nach Schätzungen in die Milliarden.

Wir Pensionäre zahlen Steuern auf das ganze Einkommen. Noch in den 90iger Jahren wurde beispielsweise die AHV nur zu 75 % besteuert, und selbst noch 2008 wurde von SVP-Seite (Motion Hans Kaufmann, SVP Zürich) gefordert, die AHV ganz von den Steuern zu befreien. Der Bundesrat wehrte sich dagegen, weil Bund, Kantone und Gemeinden Steuereinnahmen von rund 6 Milliarden Franken verloren gingen. Und weil die geleisteten Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern nicht als Einkommen besteuert wurden. Man hätte das ganze System verändern müssen. Das zeigt, dass die ältere Generation gute Steuerzahler, nicht mehr privilegiert sind, dass sie ihren Obolus an den Staat, an die Gemeinschaft leistet. Und vor allem in ihrer aktiven Zeit auch geleistet hat. Mehr noch: Sie hat ihrerseits für die vorherigen Generationen grosse Transfer-Leistungen erbracht. Mir ist immer wieder mein Vater mit der Aussage in den Ohren: „Ich bekomme jeden Monat eine AHV-Rente, obwohl ich ganz wenig dazu beigetragen, nur in den letzten Berufsjahren ganz tiefe AHV-Beiträge einbezahlt habe.“ Und in den späten 90iger Jahren quollen die Pensionskassen mit Geld nur so über, so dass beispielsweise der Kanton Zürich die Beitrags-Zahlungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer an die Pensionskasse des Kantons (BVK) über Monate aussetzte, statt in einen Fonds einzuzahlen, um für magere Jahre gewappnet zu sein. Die Lehre daraus: Nicht situative Entscheide führen weiter, sondern Weitsicht. Und auch jetzt sprudelt das Geld. Die meisten Kassen erwirtschafteten 2019 eine Rendite von über 10 %. Der Wirtschaft, den steigenden Aktienkursen sei Dank.

Es ist dennoch ganz zentral, dass wir den Fokus auf die jungen Menschen legen. Und auch hier lohnt sich ein Blick ins Ausland, in die Wissenschaft. Der junge österreichische Ökonom Lukas Sustala (33) zeigt in seinem Buch „Zu spät zur Party“* auf, dass die Millennials, die in den 80- und 90iger Jahren Geborenen, nicht mehr die Chancen unserer Generation hätten, dass das „verfügbare Einkommen der Millennials sinkt, verglichen mit dem Einkommen der vorherigen Generation im selben Alter“. Themen wie Rente, Pflege seien wichtig. Aber die Politik müsse stärker die Interessen junger Menschen beachten. Das heisse: Mehr investieren in die Bildung, und zwar so, dass die Menschen lernen, die neuen Technologien zu beherrschen, eben in die Digitalisierung, in die soziale Kompetenz, weil sie die Kreativität fördere, aber auch in die Kinderkrippen- und Kindergärten, weil sie Kinder fördern, die Eltern entlasten. In der Tat: In Zukunft – und das wissen wir alle – müssen weniger Leute mehr Geld für die Renten erwirtschaften. Dafür müssten die Rahmenbedingungen stimmen, meint Sustala in einem Spiegel-Interview.

Stimmen die Rahmenbedingungen in unserem Land? Sicher ist eines: Der Tunnelblick auf die berufliche Vorsorge, auf die 2. Säule führt nicht weiter, auch die AHV muss in die Diskussionen mit einbezogen werden. Und ganz stark in den Fokus muss eine Gesamtbetrachtung rücken, ein austarierter Generationenvertrag. Schuldzuweisungen führen sicher nicht weiter, das Abschieben der Schuld auf uns „Abzocker“ schon gar nicht. Ist auch nicht fair. Im Gegenteil. Es ist schlicht eine Verkennung der Leistungen, die unsere Generation erbracht hat und auch weiterhin als Steuerzahler, als Kinderbetreuer, als Förderer der jungen Generation erbringt.

*Lukas Sustala:“Zu spät zur Party“, erschienen im Verlag Ecowin.

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4 Kommentare

  1. Solange ich sehe wie diese neuen Generationen mit SUV Auto herumfahren, obwohl die vermutlich selben (oder deren Kinder)für die Klimaerwärmung auf die Strasse gehen, habe ich kein bedauern.
    Wie oft mussten wir unseren Zahltag einteilen. Wir haben uns Ferien möglichst auszahlen lassen.
    Heute hüten wir die Grosskinder. Aber unsere Kinder klagen auch nicht. Es ist die Presse die alles hochstilisiert. Aber lassen wir die schreiben.

  2. Leider ist die Sichtweise von uns Rentnern etwas eng. Natürlich haben wir 40 oder noch mehr Jahre unseren Teil geleistet. Wir dürfen aber uns damit nicht zufrieden geben und zurücklehnen. Die Zeiten haben sich geändert, das sehen wir alle. Somit wäre es nur recht, wenn unsere Generation nicht einfach über die arbeitende Bevölkerung lästert (sie bezahlen schliesslich unsere AHV), sondern dass wir rüstigen RentnerInnen uns weiterhin in der Gesellschaft nützlich machen würden. Im Alter haben sich so unendlich viele Fähigkeiten angesammelt, dass wir diese nach Möglichkeit unentgeltlich der Allgemeinheit zur Verfügung stellen sollten. Ich garantiere, dass es anerkannt wird!

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