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Hinter den Kulissen

Dass die polnische Schriftstellerin Olga Tokarczuk 2019 rückwirkend den Nobelpreis für Literatur des Jahres 2018 erhielt, wissen wir alle. Was sich jedoch vom Zeitpunkt der Verkündung bis zur Verleihung des Preises hinter den Kulissen alles tut, bleibt uns normalerweise verborgen. Der Kampa Verlag lässt uns nun daran teilnehmen.

Die Chronologie der Ereignisse befindet sich in dem Band, in dem auch Tokarczuks Preisrede sowie ein Essay zum Thema Übersetzer abgedruckt sind.

So ganz unerwartet kam die Verleihung des Nobelpreises für den Kampa Verlag, der bereits Unrast veröffentlicht hatte, offenbar nicht. Zum Start der Lesereise aus dem Roman Die Jakobsbücher am 9. Oktober 2019 in Potsdam verschickte er eine Pressemitteilung mit der Betreffzeile ‹Literaturnobelpreis für Olga Tokarczuk?› Die Zeitungen der ganzen Welt seien sich darin einig, dass die polnische Autorin als ‹eine der sehr wenigen herausragenden Schriftstellerinnen des letzten Vierteljahrhunderts› die Auszeichnung zweifellos verdient hätte.

Tags darauf versammelte sich das Team des Kampa Verlags vor dem Bildschirm, um die Liveübertragung aus Stockholm mitzuverfolgen. Sofort nach der Bekanntgabe klingelten die Telefone am Verlagssitz in Zürich Sturm, E-Mails überfluteten die Postfächer, sehr viele Buchbestellungen gingen ein, Medienanfragen von überall her. Alle wollten die frisch gekürte Preisträgerin treffen, mit ihr ein Interview führen. Eine Radiostation aus den USA lockte mit einer Hörerschaft von dreissig Millionen. Die beiden von Olga Tokarczuk schon erschienen Bücher waren vierzehn Minuten nach Verkündung des Preises restlos ausverkauft. Dass sich der erst im Herbst 2018 gegründete Verlag über die Preisverleihung an eine ihrer Autorinnen enorm freute, ist nur allzu gut nachzuvollziehen und stellt einen Glücksfall ohnegleichen dar.

Nachricht während Autofahrt

Als der Anruf aus Stockholm die Preisträgerin erreicht, befindet sie sich gerade auf der Autobahn zwischen Potsdam und Bielefeld zu ihrer zweiten Lesung aus Die Jakobsbücher. Die Telefonverbindung ist allerdings sehr schlecht, Olga Tokarczuks Ehemann, der am Steuer sitzt, hält an einer Raststätte an, wo den beiden allmählich bewusst wird, was der Anruf bedeutet. Bei ihrer Ankunft in Bielefeld wird sie sofort von Kamerateams umringt, in der Bibliothek empfängt sie tosender Applaus.

Kurzfristig lädt der Verlag zu einer Pressekonferenz nach Düsseldorf, Tokarczuk gibt eine Erklärung ab, gratuliert auch Peter Handke. Das beherrschende Thema der Pressekonferenz sind jedoch die bevorstehenden Wahlen in Polen, denn die Preisträgerin stellt für linksliberale Kreise eine wichtige Hoffnungsträgerin dar.

Termine in der Schweiz verschoben

Die Lesereise in Deutschland wird fortgesetzt, die geplanten Veranstaltungen in der Schweiz müssen allerdings verschoben werden, da Tokarczuk bereits Mitte November das Manuskript ihrer Nobelpreis-Rede einreichen muss.

An der Frankfurter Buchmesse steht die Preisträgerin selbstverständlich im Mittelpunkt des Interesses. Auf der Pressekonferenz zeigt sie sich enttäuscht darüber, dass die regierende nationalkonservative PiS die absolute Mehrheit errungen hat, freut sich aber gleichzeitig über den Einzug der linksorientierten Lewica Razem ins Parlament. Weiterhin herrscht grosser Andrang am Messestand des Kampa-Verlags, deutlich ruhiger wird es erst am 18. Oktober bei einem Abendessen zu Ehren der Nobelpreisträgerin.

Kostenlose Fahrten in Wroclaw

Ihre Heimatstadt Wroclaw / Breslau feiert Tokarczuks Nobelpreis ganz besonders: Wer eines ihrer Bücher dabeihat, kann an dem Wochenende nach Bekanntgabe der Auszeichnung kostenlos mit allen öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Eine Lesung am 20. Oktober in der grössten Konzerthalle der Stadt muss aus Platzgründen zusätzlich nach draussen übertragen werden. Ihre Bücher stehen nun auf der Bestsellerliste, Kampa kündigt an, weitere Werke von ihr zu veröffentlichen.

Vollbepackter Terminkalender und Rückzug

Tokarczuks Nobel-Woche vom 5. bis 13. Dezember in Stockholm ist vollbepackt mit Terminen: Pressekonferenz, Dinner in sehr kleinem Rahmen mit dem Königspaar Carl XVI. Gustav und Silvia, ihre Vorlesung in der Schwedischen Akademie und die offizielle Preisverleihung, gefolgt von einem Bankett mit über tausend geladenen Gästen. Am folgenden Tag steht eine Audienz bei der königlichen Familie auf dem Programm, gegen Ende der Nobel-Woche ein Besuch in der Nobelstiftung und eine Signierstunde in der Buchabteilung eines Warenhauses. Am 13. Dezember 2019 fliegt Tokarczuk zurück nach Wroclaw in der Absicht, sich für eine Weile vollständig zurückzuziehen, um sich ganz der Arbeit an ihrem neuen Roman zu widmen.

Die Lektüre dieser Chronologie bereitet grosse Freude, gerade auch deshalb, weil sie so anschaulich geschrieben ist und uns zumindest teilweise am Glück und an den Herausforderungen der preisgekrönten Schriftstellerin teilnehmen lässt.

Eine kleine Chronologie rund um die Literaturnobelpreisverleihung, in: Olga Tokarczuk: Der liebevolle Erzähler. Vorlesung zur Verleihung des Nobelpreises für Literatur. Kampa Verlag, Zürich 2020

Am Tag der Nobelpreisverleihung (10. Dez. 2019) erschien der Beitrag von Maja Petzold: Schreiben aus Mitgefühl

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