StartseiteMagazinKolumnenUnd jetzt: Das gefährliche Spiel mit Corona

Und jetzt: Das gefährliche Spiel mit Corona

Nach der Lektüre der Wochenend-Presse bin ich verwirrt, gar entsetzt. Was wird uns da für ein schauerliches Schauspiel vorgespielt oder eben vorgeschrieben. Politiker, die bereits wieder mit harten Bandagen in die politische Arena steigen. Kommentatoren, die glauben, bereits jetzt vor einem „Seuchen-Sozialismus“ warnen zu müssen, wie Eric Guyer, der Chefredaktor der NZZ. Oder Luzi Bernet, der Chef der NZZ am Sonntag, der sich freut, dass die politischen Auseinandersetzungen wieder so richtig Fahrt aufnehmen. Oder wie der Alleswisser Markus Somm in der Sonntags-Zeitung meint, dem Bundesrat hart an den Karren fahren zu müssen, wenn er schreibt: „Das war ein mutloser, ein verheerender Entscheid“ und folgert daraus: „Wir sitzen damit weiterhin wie im Zoo in einem Käfig neben Affen und Dromedaren und winken hinter Gittern unseren Bunderäten zu“. Mit einem Teil-Satz hat er aber wohl unbewusst ins Schwarze getroffen: Der Bundesrat führt uns wieder „ganz süferli“ in die Freiheit zurück. Sicher ist eines: Alles andere wäre verheerend.

Genauso macht es Angela Merkel in Deutschland. Sie will eines mit allen Mitteln verhindern: den Ausbruch einer zweiten, einer dritten Welle. Wie recht sie hat, zeigen die Zahlen. Alle bewundern jetzt plötzlich Deutschland, weil das Land bisher in Europa am besten mit der Corana-Krise zu Rande kommt. Selbst in den USA erscheinen in den Medien Komplimente.

Und nun lässt sich auch noch die Pro Senectute über die Sonntags-Presse verlauten. Sie fordert, dass nicht mehr automatisch als gefährdet gilt, wer über 65 Jahre alt ist. Es sei ja unklar, ob tatsächlich alle über 65-Jährigen schwer erkranken, wenn sie infiziert sind. Die Pro Senectute stützt die Aussage auf eine Untersuchung in Zürcher Altersheimen, die aufzeigt, dass nicht alle infizierten älteren Menschen tatsächlich erkrankten. Natürlich ist die Altersgrenze 65 Jahre willkürlich, natürlich fühlen sich viele ältere Menschen weit über 65 hinaus fit und gesund, weisen keine Vorerkrankungen auf, waren möglicherweis gar nie krank in ihrem ganzen Leben. Und nun werden sie plötzlich in eine Risiko-Gruppe eingeteilt.  Das löst nicht eitle Freude aus. Im Gegenteil. Und dennoch: Immer wieder werden Alters-Grenzen gezogen, beim Stimmrechtsalter, bei den Fahrprüfungen, auch bei den Senioren, die sich über ihre Fahrtüchtigkeit ab 75 Jahre mittels Test ausweisen müssen.

Jetzt geht es aber um mehr. Es geht um Leben und Tod. Dass wir älteren Menschen besonders gefährdet sind, ist eine der ganz wenigen mit Statistik unterlegten Tatsachen. Die Altersgrenze ist ja nicht zuerst eine Schikane, sie stellt in erster Linie einen Schutz dar. Die Gesellschaft will uns schützen, will sorgsam mit uns umgehen. Wenn nun die Altersorganisation Pro Senectute eine Aufweichung, eine Differenzierung fordert, so lockert sie bereits mit ihrer Stellungnahme unnötig den Schutz. Sie gliedert sich ein in die bereits einsetzenden Auflösungserscheinungen, wie wir sie jetzt bereits drei Tage nach den ersten Lockerungen des Bunderates wahrnehmen können. Sie erliegt dem Irrtum, wie viele ältere Menschen, die zwar 70 Jahre alt sind, sich aber wie 50-Jährige fühlen. Ich bin 75 Jahre alt, zwar immer noch guter Dinge, aber eben 75, nicht mehr und nicht weniger. Warum stehen ältere Menschen nicht zu ihrem Alter? Das ist doch zumindest seltsam.

Die noch offenen Plätze in den Städten und Dörfer, die noch begehbaren Seeuferwege sind wieder gefüllt, der Platz am See beim Zürihorn beispielsweise sieht so aus wie im letzten Sommer, überfüllt  mit Sonnenhungrigen – zwar mit Abstand, den die Polizei mehrmals im Tag kontrolliert. Die Zahl der Fussgänger mehrt sich überall, der Verkehr nimmt spürbar zu.

Wollen wir das? Oder ist es nicht viel besser, den warnenden Stimmen zu folgen? Den Stimmen von Virologen, Epidemiologen, die immer einiger in den Medien auftreten, die nicht nur warnen, sondern uns inständig um Geduld bitten, wie die deutsche renommierte Wissenschaft-Journalistin May Thi Nguyen-Kim im Presseclub der ARD. Wir hätten in den letzten vier Wochen sehr viel mit den stringenten Massnahmen erreicht. Das dürften wir jetzt auf keinen Fall aufs Spiel setzen. Und wenn wir die Reproduktionszahlen (Anzahl der Personen, die von einer Person angesteckt wurde) unter 1,0 halten können, könnten wir in drei, vier Wochen über dem Berg sein, dann, erst dann könnten die stringenten Massnahmen gelockert werden. Wie nach Carl Philipp Clausewitz, dem Militärstrategen des 19. Jahrhunderts, der lehrte, dass man dort ansetzen müsse, wo sich der Erfolg abzeichnet.

Ja, danach könnte auch der Bundesrat das Notrecht aufheben. Er könnte seine Entscheidungen wieder der politischen Meinungsbildung aussetzen, dem Parlament zur definitiven Entscheidung übertragen. Bis dahin wäre es mehr als klug, die politischen Auseinandersetzungen noch auszusetzen. Es wäre mehr als klug, den Wissenschaftlern zu glauben, die ja immer wieder darauf hinweisen, dass sie noch mehr Daten, noch mehr wissenschaftliche Erkenntnisse brauchen, um das zu verkündigen, was alle so gerne hören möchten: Die Krise ist überstanden.  Noch ist die Lage sehr fragil, noch ist es vermessen, wie die Politiker zurzeit in unserem Land agieren und zum Wettbewerb aufrufen: Wer setzt schneller die weitestgehenden Lockerungen um?

Wer bewahrt uns davor? Noch ist der Bundesrat am Zug.

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9 Kommentare

  1. Gut gebrüllt, Löwe! Meiner Ansicht nach geht immer vergessen, dass auch Personen mit «Vorerkrankungen» in jeder Altersgruppe zu den gefährdeten Personen gehören. Es gilt also, die Mitglieder der ganzen Gesellschaft zu schützen!

  2. Die Frage ist immer, wie sehr der Staat die Menschen vor sich selber schützen kann und soll. Die weltweiten Massnahmen gegen Covid-19 sind eine krasse Freiheitsberaubung und ein immenser Schaden für die Wirtschaft. Das darf nicht mehr lange so weitergehen, sonst führt es zu sozialen Unruhen; in der Schweiz mit ihrem guten Auffangnetz zwar wahrscheinlich weniger als in manchen andern Ländern, wie man bereits sehen kann. «Everything is bad which is done by the government», sagte mir mal ein Amerikaner. Das ist übertrieben, aber die in gewissen Bereichen absurden Auswirkungen der Eingriffe des Bundesrates ins tägliche Leben und die Wirtschaft zeigen, dass er zumindest teilweise recht hatte. Darum hoffe ich sehr, dass bei der Lockerung das «so schnell wie möglich» eher mehr Gewicht bekommt als das «so langsam wie nötig».

  3. Wenn die Menschen zu lange eingesperrt werden sind psychische Erkrankungen die Folge. Es kommt der Zeitpunkt, wo solches Leiden unerträglich wird und ebenfalls den vorzeitigen Tod bedeutet. Also muss zwischen den beiden Übeln abgewogen und ein Mittelweg gefunden werden. Natürlich kann der Hardliner seine Hände stets in Unschuld waschen.

  4. A) Wir kommen an die gleichen ethischen Fragen, wie bei einem 3 Mio CHF teuren Medikament gegen seltene Erbkrankheiten: Ist das zulässig / vertretbar / zu teuer ? Im heutigen Machbarkeitswahn und Risikoaversion wird der Wert eines Menschlebens leider immer öfter in CHF gemessen werden.
    Was bedeuten z.B. in der Schweiz 200 Mrd Franken um 20’000 Todesfälle zu verhindern? Das sind 10 Mio Franken pro gerettetes Menschenleben.
    B) Die psychischen Schäden, häusliche Gewalt, das Leid bei vielen erst noch entstehenden Arbeitslosen mit ggf. geknickten Laufbahnen, usw. müssen auch in die Gegenwaagschale geworfen werden.
    C) Als Hauptansteckungsorte haben sich Orte herauskristallisiert, wo viele Menschen auf engem Raum laut sprechen: Chöre, Bars, usw.
    D) Wir werden irgendwie mit dem Virus leben müssen: Die Massnahmen können *nicht* durchgehalten werden, bis das Virus wie die Pocken nachgewiesenermassen zu 100.0000 % weg ist.
    Deshalb: In richtigerweise mehrstufigem Vorgehen so schnell wie möglich diejenigen Massnahmen lockern, die zur Eindämmung wenig bringen und sehr viel wirtschaftlichen Schaden anrichten: Also *alle* (kleinen) Geschäfte, Museen (wegen C) keine Vernissagen!) für alle öffnen UND Schutzmassnahmen in angepasstem Rahmen beibehalten. Bei sog. Risikogruppen wieder an die Selbstverantwortung appelieren!

  5. Oh, da bin ich für einmal nicht gleicher Meinung wie Anton Schaller, und ich erlaube mir ihm als Mediziner zu wiedersprechen. Wir haben in meiner Gemeinde eben erst eine Telefonaktion durchgeführt und alle über 85-jährigen Einwohner angerufen und uns nach ihrem Befinden erkundigt. Sie leiden mehrfach stark unter dem «Hausarrest». Es gibt noch sehr viele Betagte, die noch sehr rüstig sind und bei denen eine Lockerung der Massnahmen möglich ist, so wie viele noch nicht Pensionierte auch zur Risikogruppe gehören. Deshalb ist eine baldige differenzierte Lockerung angezeigt. Da ist eben die Mitbeurteilung durch die nächsten Angehörigen und auch durch den Hausarzt sowie das Verantwortungsbewusstsein des Einzelnen gefragt. Besonders auch, weil die Epidemiologen, Infektiologen, Statistiker, Politiker etc. keineswegs gleicher Meinung über die «Exit-Massnahmen» sind.

  6. Andere Länder, andere Sitten: Seit 25 Jahren sind mein Mann und ich Residenten in Spanien und haben schon viele Ups and Downs in diesem Land erlebt und durchgehalten. Durch dieses Virusproblem und den von der Spanischen Regierung auferlegten Massnahmen, fühlt man sich als Mensch total entmündigt und betrifft jede Altersklasse. Seit bald 6 Wochen herrscht im ganzen Land der Ausnahezustand; heisst totaler Stillstand, Quarantäne, Spazierverbot (auch nicht in der Natur oder mit dem nötigem Abstand), Kinder dürfen nicht vor die Haustüre, etc., etc.. Die Schulen bleiben voraussichtlich bis September geschlossen, Schularbeiten wegen mangelnder Infrastruktur praktisch nicht umsetzbar. Einkaufen von Lebensmitteln oder Medikamente im eigenen Dort/Stadt erlaubt, aber nur 1 Person pro Auto, sonst werden Bussen ab € 600.– verteilt. Es heisst: ALLES ODER NICHTS. Die Regierung tut sich mit einer Lockerung sehr schwer, da auch hier die Sanitären Schutzmassnahmen vernachlässigt worden sind. Das müssen jetzt all die Millionen Menschen ausbaden, die schon seit Wochen kein Einkommen mehr haben und auch wenig bis gar keine Unterstützung vom Staat erhoffen können. Wir selbst sind fite und zum Glück gesunde Rentner (70 und 80), treiben immer Sport, ernähren uns schon immer gesund und sind deshalb auch nicht übergewichtig. Wir sind uns bewusst, dass viele Menschen im Alter träge oder/und krank geworden sind und deshalb sehr anfällig auf dieses Virus und andere Krankheiten sind. Dass man diese Menschen besonders schützen muss, ist auch uns klar, aber dass man nicht auf den gesunden Menschenverstand der Leute vertraut, ist schon erbärmlich und macht die Menschen noch psychisch krank. Wir wollen keine Extrawurst, aber für alle eine schnelle und menschenwürdige Lösung.

  7. Lieber Hans-Ulrich Kull
    Ja, man darf durchaus völlig anderer Meinung sein. Nur, wie soll das in der Praxis, im täglichen Leben gehandhabt werden? Sollen sich alle älteren Menschen jederzeit über ihr Alter ausweisen können oder müssen, wenn sie unterwegs sind, wenn sie zum Arzt müssen, wenn sie spazieren gehen, wenn sie öffentlich wegen ihrem geschätzten Alter, wegen ihren weissen Haaren angesprochen werden, dass sie doch besser zu Hause bleiben sollten. Natürlich hätte der Bundesrat eine obere Grenze festlegen können, beispielweise 70 Jahre. Nun sind es eben 65 Jahre. Für eine neue Festlegung wäre jetzt der fasche Zeitpunkt. Eine neue Festlegung würde eine zusätzliche Unsicherheit schaffen. Und das ist nicht im Interesse von uns älteren Menschen. Bleiben wir vorsichtig. Wir schützen uns damit zuerst selbst, aber auch alle andern.

  8. Es geht um Leben oder Tod! Was heisst da schon Freiheitsberaubung? Allein der gesunde Menschenverstand gebietet einem doch, die Regeln zu befolgen. Der scheint auch in dieser Krise all’ die Meckerer nicht küssen zu wollen. Einmal mehr geht Toni Schaller mit mir einig und v.v. ????

  9. Eine neue Zukunft
    Paul Schärer

    Wieder eine kluge Analyse von vorhandenen Schwierigkeiten in unserer Gesellschaft. Immer sind es Menschen, Frauen oder Männer, die das Leben in den einzelnen Staaten organisieren und bestimmen. Es wäre an der Zeit, zu definieren was für Eigenschaften die führenden Persönlichkeiten, Frauen und Männer, zur optimalen Führung der Gesellschaft haben müssten, damit keine Unterdrückungen oder blutige Vernichtungen Andersdenkender mehr vorkommen. Leider ist es bis heute noch keiner wissenschaftlich anerkannten Organisation gelungen, zu definieren, was für Führungseigenschaften zu friedlichen Lösungen unserer gesellschaftlichen Probleme unabdingbar wären und wie solche Eigenschaften gefunden und Eingesetzt werden könnten. Heute, garantiert eine Rüstungsindustrie mit riesigen Mitteln, einen partiellen Frieden, der jedoch in allen Staaten abhängig ist, von den Eigenschaften ihrer Führerpersönlichkeiten. Eine allgemein gültige Definition von Eigenschaften, die führende Menschen, Männer oder Frauen haben müssten, um ein friedliches Miteinander zu ermöglichen, könnte die Lösung sein. Ein möglicher Weg echt kompetente Menschen zu finden, zeigte der geniale Autodidakt Carl Huter 1861-1912. Seine Philosophie und die physiognomische Persönlichkeitsanalyse, ist heute völlig vernachlässigt, ohne jeden Einfluss auf den Einsatz mächtiger Politiker und das Denken unserer Zeit. Grundlegendes seiner Erkenntnisse müsste in modernes wissenschaftliches Denken einfliessen.

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