StartseiteMagazinGesundheitCorona Lockdown aus der Sicht eines Schlafforschers

Corona Lockdown aus der Sicht eines Schlafforschers

«Bleiben Sie zu Hause!» Wie häufig haben wir alle das schon gehört? Für viele Menschen, vor allem für die unter uns, die zur sogenannten Risikogruppe gehören, bedeutet diese Aufforderung, die eigenen vier Wände nur noch selten zu verlassen. Damit die Gesundheit nicht darunter leidet, wird empfohlen, sich regelmässig mit Fitnesstraining zu Hause zu bewegen. Doch reicht das?

Prof. Alexander Borbély, Jahrgang 1939 und Gründungsvater des ZIHP, ist dieser Frage im Selbstversuch nachgegangen. Die Resultate sind überraschend und regen zum Nachdenken an. Hier sein Bericht:

Der Mensch und auch die anderen Lebewesen sind dem 24-Stunden-Zyklus der Umwelt unterworfen. Die Periodik von Sonnenlicht und Dunkelheit sowie von Wärme und Kälte bestimmt seit jeher unseren Tagesablauf und insbesondere den Ruhe-Aktivitätszyklus. Seit September 1982 trage ich ständig ein Messgerät am Handgelenk, das meine Aktivität aufzeichnet.

Den Prototyp von diesem Gerät hatte ich als Professor am Pharmakologischen Institut der Universität Zürich entwickelt. Wir waren damals in Europa die ersten, die die Möglichkeiten des mobilen Aktivitätsmonitorings für die Schlaf- und Gesundheitsforschung aufzeigten. Heute, nach der Pensionierung, interessieren mich vor allem die Veränderungen des Aktivitätsmuster und der Schlafdauer.

Ausflüge im Rentenalter halten das Aktivitätsniveau hoch

Nun, ich konnte sehen, dass meine Bewegungsaktivität im Laufe der Jahre abgenommen hat. Die fast ständige Bewegung tagsüber, die meine Forschungstätigkeit, die vielen Anlässe und Sitzungen an verschiedenen Orten sowie die Verpflichtungen bis in die Abendstunden als Prorektor mit sich brachten, verringerte sich nach der Emeritierung. Doch nicht umsonst wird diese Phase mit «Unruhestand» bezeichnet, blieben doch immer noch Aktivitätsphasen aufgrund von Ausflügen, Reisen, Konzertbesuchen, Sport, Einkaufen und vielem anderen gut erkennbar. Die Coronakrise hat all dem schlagartig ein Ende gesetzt.

«Bleiben Sie zu Hause» bedeutet weniger Bewegung

Wie sich der Lockdown und der Ratschlag, zu Hause zu bleiben, auf meine Aktivität auswirken, ist in der Abbildung unten ersichtlich, die meine Aktivität zwischen dem 2. März und dem 30. März dieses Jahres darstellt. Vor dem Lockdown ist eine beträchtliche Aktivität in der ersten Hälfte des Tages ersichtlich. Das Muster ändert sich am 15. März jedoch schlagartig und zeigt seither eine deutlich reduzierte Bewegungsaktivität, selbst bei prächtigem Sonnenschein (gelbe Bereiche). Die einzelnen Aktivitätspeaks kommen durch das periodische Fitness-Training zustande, das ich in meinen Tagesplan regelmässig einbaue, aber das mich nie auf das Aktivitätsniveau wie vor dem Lockdown bringt.

Bewegungen zwischen Mitternacht und Mitternacht. Gelb ist die direkte Sonnenexposition, die grünen Daten sind während des Lockdowns.

Eine solche ausgesprochene Aktivitätsverminderung dürfte auf viele Personen meiner Alterskategorie zutreffen, die ihre Tage zuhause verbringen. Wer sich nicht schon vor dem Lockdown bewusst häufig bewegt hat, dem fällt diese Aktivitätsverminderung vielleicht nicht besonders auf. Aber schon der Gang zur Post, die Velofahrt zum Kaffeekränzchen, das Rausbringen des Abfalls oder die Einkaufstour durch den Supermarkt reichen, um eine gewisse Grundaktivität zu erhalten, welche sich positiv auf die Gesundheit auswirkt. Dass das Wegfallen dieser Aktivitäten einen beachtlichen Einfluss auf die Gesundheit von älteren Menschen hat, vor allem wenn sie chronisch wird, sollte man sich unbedingt bewusst sein.

Es gilt dieser Inaktivität entgegenzuwirken

Damit wir Senioren unseren Fitnesszustand der Zeit vor dem Coronavirus aufrechterhalten können, sollten wir periodisch Kreislauf- und Krafttraining absolvieren. Dazu gibt es glücklicherweise zahlreiche Anleitungen im Internet. Für die Gesundheit und das Wohlbefinden ist indessen ebenfalls wichtig, den 24-Stunden Rhythmus beizubehalten und von den gewohnten Schlaf- und Essenszeiten nicht abzuweichen, sodass man nicht zu sehr in eine Passivität fällt. Dazu gehört auch, sich weiterhin um Haus und gegebenenfalls Garten oder Balkon zu kümmern, auch wenn niemand vorbeikommt und sich am angesammelten Staub stört. Denn auch Hausarbeiten bringen den Kreislauf mächtig in Schwung.

Solange ich mich zu Hause im Lockdown befinde, fühle ich mich vor dem Coronavirus sicher. Daher ist der Ratschlag, zu Hause zu bleiben, für mich sinnvoll. Doch die Aufzeichnungen meines Handgerätes führen mir das verminderte Aktivitätsniveau trotz Fitnesstraining vor Augen. Ich bin mir der Gefahr bewusst, dass dies langfristige negative Konsequenzen für meine Gesundheit haben kann und arbeite aktiv dagegen. Dies während dem ich auf das Wiederhochfahren des aktiven Lebens warte, auf das ich mich sehr freue. Denn wer hat schon in meinem Alter eine begründete Hoffnung auf eine kleine Renaissance?


Prof. Alexander Borbély, Jahrgang 1939, leitete eine Forschungsgruppe am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Zürich. Er ist Ehrenmitglied des ZIHP, zu dessen Gründungsvätern er gehört.

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2 Kommentare

  1. Was ist das ZIHP?
    Ich habe gegoogelt: Zentrum für Integrative Humanphysiologie der Universität Zürich.

  2. Vielen Dank Herr Prof. Alexander Borbély für die wissenschaftlichen Ausführungen zu den möglichen medizinischen, physiologischen und psychologischen einschränkenden Aspekten der Corona-Quarantäne Massnahmen für über 65 Jährige , bezogen auf Bewegungsmangel.
    Als 74 jährige ehemalige Pflegefachfrau und Ausbildnerin in Pflegeschulen in Theorie und am
    Krankenbett waren mir schon längst das Einhalten der verschiedenen Prophylaxen für die Pflegeempfangenden vertraut. Nun wende ich meine beruflichen Kenntnisse und Erfahrun-gen mit Prophylaxen in der Selbstpflege als Heimbewohnerin persönlich an. Seit ich zudem am 30.März 2020 meine Hündin einschläfern musste, ging ich deshalb bewusst am Morgen früh, 5 – 6 Uhr in den nahen Wald – und war trotz Corona Beschränkungen ein zufriedener Mensch. Doch als die Quarantäne-Massnahmen in der sog. gesunden Gesellschaft sachte gelockert wurden/werden, verschärfte die Regierungsrätin für das Gesundheitswesen im Kanton Zürich in den Alters-und Pflegezentren die Massnahmen. Schutz muss sein – doch nicht in diesem jegliches Augenmass verlierenden Weise!
    Wir dürfen lediglich im eng begrenzten Gartenareal an die frische Luft. Der sehr minimier-te «Hofgang» in der improvisierten «Haftanstalt» setzt mir doch zu. Das Hin-und her und rundum gehen weckt in mir Aggressionen und ähnliche cordisolausschüttende Emotionen. Als mir dies spürbar bewusst wurde, änderte ich meine Strategie und unternehme, wenn irgendwie möglich, täglich meinen Treppenlauf. Alle Treppen in und ums Haus werden von mir abgelaufen. Nicht aufs Tempo fokussiert, sondern auf bewusstes mit dem Atem verknüpftes, achtsames Treppensteigen, vor und rückwärts. Das ist nun ein wirksames Ventil für den immer wieder auftretende Aggressionsstau.
    Unbeirrt freue ich mich auf die hoffentlich bald wieder möglichen Waldspaziergänge am frühen Morgen, vom dämmrigen Morgen in den hellen Tag. ALLEINE.
    Begleitungen sollen jedoch denen zugestanden werden, die sie tatsächlich unbedingt brauchen.
    Danke für das lesende Anteilnehmen!

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