StartseiteMagazinKolumnenWidersprüche in der Krise

Widersprüche in der Krise

Bis jetzt schützten uns Gottvater Alain Berset und sein Berater Daniel Koch. Nun müssen wir es bald ganz alleine tun, selber in Eigenverantwortung. Die beiden werden uns vermitteln, ob wir und die Menschen mit Vorerkrankungen ab wann und in differenzierter Form, in Altersjahren abgestuft, weiterhin zur Risikogruppe gehören oder daraus entlassen werden. Bis jetzt hatten wir einen Rettungsanker, wenn Einzelne von uns auf der Strasse, auf Wanderwegen angerempelt und darauf verwiesen wurden: „Bitte bleibt zu Hause!“ Spazieren durften wir doch, Daniel Koch hatte es uns ausdrücklich erlaubt.

Das war es auch. Sonst war die Botschaft klar und unmissverständlich: lasst für euch einkaufen, verstopft nicht die Wander- und Joggingwege, haltet euch fern vom öffentlichen Verkehr, fern von den Bergen, fern von den Enkelkindern, lasst sein, was volkwirtschaftlich milliardenschwer ist: die notwendige Kinderbetreuung. Was in der Folge für die Eltern der Enkelkinder plötzlich zu einer ungeheuren Last wurde, weil es der Staat Schweiz bis jetzt nicht geschafft hat, was für unser Land ganz zentral ist: eine umfassende, auch wirtschaftsfreundliche Familienpolitik.

Bisher hat der vorsichtige Bundesrat umsichtig mit Notrecht unser Land durch die Krise geführt, an sich ohne Fehl und Tadel. Gott sei Dank. Das Parlament dagegen, das sich selber aus der Verantwortung verabschiedet hatte, muckte aber ganz schnell auf, dabei aufgemuntert und aufgestachelt durch Chefredaktoren und Kommentatoren, wollte unbedingt wieder Verantwortung übernehmen. Traf sich im weiten Rund in den BEA-Ausstellungshallen zur Sondersession. Nickte ab, was der Bundesrat weitsichtig entschieden hatte, bewilligte nachträglich verbürgte Milliardenkredite in der Höhe von 40 Mia für die Wirtschaft, 1.90 Mia für den Flugverkehr, bewilligte Milliardenzuschüsse an die Arbeitslosenversicherung, um die Wirtschaft am Leben zu halten, um Millionen Arbeitnehmenden in der Kurzarbeit ihr Einkommen zu sichern, so dass die Unternehmen sie nicht in die Arbeitslosigkeit schicken müssen.

Daneben nehmen sich die Beiträge, die National- und Ständerat eigenständig beschlossen haben, die 65 Mio für die Kita, die 280 Mio für die Kulturschaffenden, die 40 Mio für den Tourismus, die 30 Mio für die Medien wie milde Gaben aus. Völlig versagt hat das neugewählte Parlament, das noch nicht auf der Höhe seiner Aufgabe steht, in der ganz zentralen Frage der Mieten. Die beiden Kammern konnten sich nicht einigen, lassen damit tausende, gar hunderttausende Gewerbetreibende, Gastronomen, Handwerksmeister und wen auch immer im Regen stehen. Als Balthasar Glättli, der Fraktionschef der Grünen, mit einem Ordnungsantrag doch noch eine Debatte und vor allem einen Beschluss zur Mietenfrage noch in dieser Sondersession ermöglichen wollte, blitzte er deutlich ab; 109 Nationalrätinnen und Nationalräte stimmten dagegen. Was zuerst nicht so zu erkennen war, wurde plötzlich ganz deutlich sichtbar: Viele der Nationalrätinnen und Nationalräte griffen zum bereitstehenden Koffer und verliessen, als sie noch der amtierenden Präsidentin Applaus gespendet hatten, schnurstracks den riesigen, auch teuren Versammlungssaal und stürmten nach Hause. Es war erst Mittwochabend. Die Sessionswoche hätte auch bis Donnerstag dauern können, im Dienst der Gemeinschaft Schweiz

Die Widersprüche werden offensichtlich. Viele ältere Menschen fühlten und fühlen sich bedrängt, in der Freiheit beschnitten, auch wenn sie geschützt wurden und sind. Der Pro Senectute fehlen die freiwilligen Mitarbeitenden über 65 Jahren. Sie stimmt daher wohl ein ins Klagelied.

Das Parlament fühlte sich in seinen Rechten beschnitten, beschränkte sich zuerst aber selbst, nahm dann, als es wieder tagte, schlicht seine Pflichten nicht wahr, liess viele Betroffene, vor allem Kleinunternehmen, im Stich. Diese müssen bis zur Sommersession bangen und warten.

Und viele geistreiche Intellektuelle, gefragte und ungefragte, überbieten sich in geistreichen Essays, in Interviews, in Gesprächen, in Vorschlägen, wie die Freiheitsbeschränkungen zu mehr oder zu weniger Demokratie führen werden. Wer wann mehr oder weniger Fehler gemacht hat. Teilen schon jetzt Zensuren aus, obwohl wir erst knapp über dem Berg sind und eine zweite Welle der Ansteckung nicht ausgeschlossen ist.

Wir sind noch mitten drin. Wenn wir wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen wollen, brauchen wir mehr Europa und nicht weniger Europa. Wer würde sonst unsere Produkte, unsere Maschinen, unsere Uhren kaufen, wenn unsere Nachbarländer in Europa nicht selbst wieder auf die Beine kommen. Wir haben eine vernünftige, überblickbare Globalisierung und mehr Eigenproduktionen anzustreben, moderne, innovative Unternehmen zu fördern statt Firmen, die schon vor der Krise nicht mehr mithalten konnten.

Und wir selber haben weiterhin Abstand zu halten, haben eigenverantwortlich mit uns und unserer Umgebung umzugehen, haben aufmerksam zu sein. Gerade jetzt, wo die Proteste gegen die Freiheitsbeschränkungen zunehmen und damit zur Verunsicherung beitragen. Und insbesondere haben wir unsere nachfolgende Generation auf ihrem Weg zur neuen Normalität zu unterstützen. Wir Alten sind gefordert. Bleiben wir vor- und umsichtig wie der Bundesrat, wie der Präsident der Nationalbank, der den Bundesrat voll unterstützt.

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7 Kommentare

  1. Sehr ehrlich im Gleochgewicht objektiv und vernünftig.
    Wahr etwas Angstveinflössend.
    Mutig mutig liebe Geschwister….usw.

  2. «Gottvater Alain Berset und sein Berater», selten so herzlich geschmunzelt :-). Dann wird’s aber heftig deftig. Völlig zu recht. Dass das Parlament keine Lösung für das drängende Problem der Mieten fand, ist armseelig. Es lagen eine ganze Anzahl Lösungen in der Luft. Vielleicht gibt’s Gott den Räten im Schlaf bis zur Sommersession. Zum Thema: auch Grosse könnten wegen der Mietkosten Konkurs gehen.

  3. Menschen bestimmen den Zustand unseres Daseins!!
    Wissenschaftlich begründbare Führungsfähigkeit, könnte uns in eine friedliche Zukunft führen.
    In vielen demokratischen Staaten, wählen die Stimmenden gemäss Vorgaben ihrer frei gewählten Partei. Sie diskutieren die Probleme miteinander und stimmen über Lösungsvorschläge offen ab. Die Macht ist vernünftig verteilt. Das Volk lebt einigermassen zufrieden. Die freie Wahl der Führenden müsste jedoch auch hier neu betrachtet werden.
    In der übrigen Welt bestimmen heute die jeweiligen Machthabenden diktatorisch den Kurs ihrer Politik und ihre immer auch raffiniert begründeten „Wahrheiten“ werden mit mehr oder weniger Härte durchgesetzt. Friedliche Lösungen für Alle sind Mangelware.
    Auf der ganzen Welt werden Milliarden an Geld zu Rüstungszwecken, „Zur Verteidigung der eigenen Rechtsansichten“, eingesetzt. Die Rüstungsindustrie schafft Arbeit und Verdienst für Arbeiter und Organisatoren. Waffen, mit denen das staatlich definierte Menschenrecht, „Wie Alle zu leben haben“, zu verteidigen ist, werden immer raffinierter, was an grossartig präsentierten Militärparaden demonstriert wird. Das angebliche Recht, zum Einsatz der „optimal“ geformten Soldaten, wird immer ausgelöst von intelligenten, jedoch lieblosen Menschen, mit entsprechenden, einseitigen Ansichten über Recht und Unrecht.
    Kühle Intelligenz allein wird jedoch nie ausreichen, um die verschiedenen Menschen mit einseitigen, angeblich gewinnbringenden Philosophien, die raffiniert verteidigt werden, friedlich nebeneinander leben zu lassen. Dazu brauchen wir Menschen, deren vererbten realen Talente optimal weltoffen geschult wurden, die jedoch auch die Fähigkeit der tiefen Menschenliebe als Erbgut in sich tragen und mit heutigem realem Wissen verbinden können. In ihrem Denken ist vernünftiges und menschenliebendes Sein für alles Leben vorhanden. Das ist Weisheit. Heute sind wir noch nicht in der Lage, Weisheit, als Talent bei Führenden, unabdingbar zu fordern und die damit gesegneten Frauen und Männer zu erkennen und in führende Positionen einzusetzen. Weise Menschen sind mit Sicherheit in jedem Staat vorhanden. Nur Sie sind in der Lage, uns in eine von allen vernünftigen Menschen erhoffte, friedliche Zukunft zu führen.
    Der Weg, solche Menschen zu finden, hat uns ein genialer Forscher und Denker mit seiner Ausdruckspsychologie und ihrem Einblick in die individuellen Wirklichkeiten des Seins, Carl Huter 1861-1912, ein genialer Autodidakt, mit einem seine Zeit weit überflügelnden, genialen, zeitunabhängigen Denkvermögen gezeigt. Seine politisch unabhängige Menschenkenntnis (Ausdruckspsychologie), und seine umfassende Weltweisheit greifen leider noch kaum.

  4. Die Benennung Gottvater und Berater finde ich so etwas von gut. Ich liebe solche Formulierungen. Danke für den vortrefflichen Artikel.

  5. Im Gegensatz zu Herrn Schaller bin ich nicht der Meinung , dass unser Parlament «völlig versagt hat» und «nicht auf der Höhe seiner Aufgabe steht», wenn es um die Frage der Stundung oder gar des Erlasses von Mieten geht. Vielmehr hat die Mehrheit unserer Volksvertreter rechtzeitig gemerkt, dass es sich hier um eine komplexe Materie handelt, was u.a. die grosse Zahl der Vorschläge für eine «Lösung» zeigt. Denn privatrechtliche Verträge zwischen Mieter und Vermieter bedürfen nicht der staatlichen Einmischung. Eher zu einvernehmlichen Lösungen gelangen wir über ein kompromissbereites Verhandeln zwischen den Parteien. Auch Schlichtungsbehörden dienen dazu. Immerhin zeigt die Praxis, dass inzwischen viele Vermieter zu einer kulanten, mieterfreundlichen Regelung Hand geboten haben. Sollte das Parlament aber doch noch zu einer «Lösung» im Sinne eines gesetzlichen Mieterlasses gelangen, ist vorhersehbar, dass einvernehmliche Regelungen zwischen den Mietparteien nicht mehr nötig sein werden, denn dann übernimmt ja der Staat – wie auf vielen anderen Gebieten auch – das Risiko eines Mietausfalls und dies natürlich zulasten der Allgemeinheit.

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