Die Ausstellung «Arabische Weber – christliche Könige. Mittelalterliche Textilien aus Spanien» der Abegg-Stiftung in Riggisberg zeigt Stoffe von ausserordentlicher Schönheit.
Das Textilmuseum der Abegg-Stiftung ist für seine Sammlung exquisiter Stoffe und ihrer fachgerechten Restauration weltberühmt. Die diesjährige Ausstellung zeigt Textilien aus dem mittelalterlichen Südspanien. Bekanntlich hatten nordafrikanische muslimische Dynastien ihre Herrschaft seit dem 8. Jahrhundert auf Südspanien ausgedehnt. – Wer Andalusien kennt, weiss von der bis heute zu bestaunenden Pracht der Alhambra in Granada, der Mezquita – zuerst Moschee, später Kathedrale – in Cordoba und anderer Bauwerke in den alten südspanischen Städten.
Diese «fremden Herrscher» brachten zwar den Islam nach Südspanien, aber damit auch eine reiche, hochentwickelte Kultur, getragen von Gelehrten, Künstlern und nicht zuletzt von geschickten Handwerkern, geübt in den Künsten der Weberei und in der Herstellung von raffinierten Mustern und Verzierungen. Die Mauren, ein Name, der mehrere nordafrikanische Berberstämme bezeichnet, waren frühzeitig zum Glauben Mohammeds bekehrt worden, aber sie übten Toleranz: Juden und (Früh-)Christen lebten unbehelligt in Andalusien und pflegten ihre eigenen Traditionen.
Adlerstoff aus Almería, 1. Hälfte 12. Jahrhundert (Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 2655 a–e/2659).
Der ungefähr 900 Jahre alte Seidenstoff zeigt einen majestätischen Adler mit ausgebreiteten Flügeln in einem runden Bildfeld. Unter den Krallen des Vogels erscheinen Tafeln mit dem arabischen Wort baraka (Segen). Der Stoff entstand im südspanischen Almería unter der muslimischen Dynastie der Almoraviden, © Abegg-Stiftung, CH-3132 Riggisberg (Foto: Christoph von Viràg)
Die Kunstfertigkeit der maurischen Kunsthandwerker wurde über die Grenzen des muslimischen Reiches hinaus berühmt. In Chroniken der Zeit liest man, dass die Seidenstoffe aus Almeria ebenso kostbar wie kostspielig und bei vermögenden Familien Europas sehr begehrt waren. So wurden diese Stoffe zu teurer Handelsware, wenn sie nicht bei den Kriegszügen, die im Laufe der reconquista im 14. / 15. Jahrhundert häufig vorkamen, als Beute erobert wurden oder bei friedlichen Begegnungen als diplomatisches Geschenk in den Besitz christlicher Herrscher kamen.
Seidengewebe mit Blumen, Vögeln und Wappen Spanien. (2. Hälfte 15. Jahrhundert. Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 151) In versetzten Reihen bilden grosse Nelken mit kleinen, blauen Vögeln einen belebten Garten. Zwischen den Blumen stehen Wappenschilde mit einem Schriftband, in dem das arabische Wort «baraka» (Segen) zu lesen ist. Trotz der arabischen Inschrift wurde der prächtige Stoff zu einem kirchlichen Gewand verarbeitet. © Abegg-Stiftung, CH-3132 Riggisberg (Foto: Christoph von Viràg)
1492 hatten die beiden Katholischen Könige – Fernando II. von Aragon und Isabella von Kastilien – den letzten Emir von Granada besiegt.
Von nun an herrschten die christlichen spanischen Könige, mit schlimmen Folgen für die ansässigen Juden und Muslime. Nicht aber für die Textilkünstler, die Weber. Sie wurden von nun an von den christlichen Königen verpflichtet, für sie zu weben. Dabei änderte sich zwar nicht die Technik, wohl aber die Muster und zuweilen die Farben.
Fragment vom Grabmantel König Fernandos III. (Spanien, 1. Hälfte 13. Jahrhundert.) Seidenwirkerei Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 3967 Das Fragment zeigt das Wappen von Kastilien-León: einen roten Löwen auf weissem Hintergrund (León) und ein goldenes Kastell mit drei Türmen auf rotem Hintergrund (Kastilien). Der Mantel des Königs bestand aus lauter solchen, schachbrettartig angeordneten Feldern. Hergestellt haben diesen überaus fein gewirkten Stoff vermutlich muslimische Weber, die im Dienste christlicher Könige standen. ©Abegg-Stiftung, CH-3132 Riggisberg (Foto: Christoph von Viràg)
Muslimische Kunst zeichnet sich durch einige Merkmale aus, die sich sowohl in Persien, im syrischen Raum, in Ägypten oder Andalusien finden, an Bauwerken, Teppichen oder Textilien gleichermassen: Regelmässige abstrakte geometrische Ornamente, Blumendarstellungen und religiöse Begriffe oder Suren aus dem Koran, denn jede künstlerische Darstellung sollte Allah gewidmet sein. Die schriftlichen Darstellungen wurden oft aufwendig in kunstvoller Kalligrafie geschaffen.
Später, als die Weber für die christlichen Herrscher webten, wechselten die Motive, statt Koranversen wurden christliche Symbole in den Stoff eingearbeitet. Da diese kostbaren Stoffe so beliebt waren, hatte man auch ältere Stoffe mit islamischen Segenswörtern für besonders verehrungswürdige Zwecke verwendet. So diente der Stoff mit dem Adlermotiv als kostbare Hülle für die Reliquien der hl. Librada, einer frühchristlichen Märtyrerin.
Streifenstoff mit arabischer Inschrift. (Granada, 14. Jahrhundert. Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 5838). Auf diesem bunten Seidenstoff zieht der Streifen mit der weissen Inschrift auf leuchtend rotem Grund die Blicke auf sich. Es handelt sich um Verse aus einem poetischen Lobes- und Liebesgedicht, die in einer schwungvollen arabischen Kursivschrift geschrieben sind. ©Abegg-Stiftung, CH-3132 Riggisberg (Foto: Christoph von Viràg)
Besonders christliche Würdenträger begeisterten sich für die Stoffe muslimischer Weber, bis später italienische Seidengewebe ihren Weg nach Spanien fanden. Der erfolgreichen Eroberung Andalusien wurde durch kirchliche Stiftungen – eben auch kostbaren Gewebe – ein prunkvolles Denkmal gesetzt. So gelangten reiche textile Schenkungen in Kathedralen, Klöster und Pfarreien in ganz Spanien. Zu sehen sind einige farbenprächtige Kirchengewänder, auf denen die Einflüsse der arabischen Kultur fehlen. Sie symbolisieren in der Ausstellung das Ende der Ära, die geprägt war durch die konfliktreiche, aber kulturell fruchtbare Begegnung zweier Religionen und Kulturen.
Sonderausstellung 2020 im Textilmuseum der Abegg-Stiftung 3132 Riggisberg
Geöffnet bis 8. November 2020 täglich 14.00 bis 17.30 Uhr