StartseiteMagazinGesundheitDie erste Welle in der Notfallstation

Die erste Welle in der Notfallstation

Am Institut für Notfallmedizin des Universitätsspitals Zürich ist es alltäglich und normal, nach dem Motto «Unverhofft kommt oft» zu handeln. Das genau macht die spannende Arbeit in der Notfallmedizin aus. Umso mehr haben wir uns von der COVID-Pandemie nicht überraschen lassen.

Mit gefährlichen hochinfektiösen Erkrankungen, zum Beispiel Ebola und MERS (Middle East Respiratory Syndrome), waren wir schon länger kontinuierlich beschäftigt. Regelmässig haben wir in den letzten Jahren Patienten mit MERS-Verdacht bei uns aufgenommen. Die sogenannte Triagierung, das heisst die Festlegung der Behandlungsdringlichkeit, erfolgt routinemässig nach definierten Standard Operating Procedures, die unser ganzes Team regelmässig in Übungen überprüft und adaptiert. Zentral dabei ist, dass die Verdachtsfälle bereits beim Eingang zur Notfallstation korrekt erkannt werden und somit nicht in den Notfall hereinkommen, um die Exposition von Personal und Patient*innen zu verhindern. Stattdessen werden sie in einen speziellen Container auf dem Notfall-Vorplatz verwiesen, wo sie unter maximalen Hygiene-Schutzmassnahmen abgeklärt werden. Dieser Container ist ein Prototyp und wurde von uns selber für alle Arten von gefährlichen und hochinfektiösen Erkrankungen entworfen.

Dann kam Corona und verlangte eine riesige Reorganisation

Bereits am 24. Januar dieses Jahres hatten wir den ersten Patienten aus China, der die damals gültigen Verdachtskriterien für COVID erfüllte. Da wir bereits eine weit entwickelte Triagierung für MERS hatten, war es relativ einfach, diese auf COVID anzupassen und zu implementieren. Zeitgleich wurde im Zürcher Universitätsspital bereits im Januar eine CO-VID Task Force gegründet, in der die Notfallstation selbstverständlich vertreten war. So hatten wir Zeit, uns auf eine mögliche Pandemie einzustellen.

Im Laufe des nächsten Monats triagierten wir insgesamt 27 Einzelpatienten. Dann aber kam Norditalien als COVID-Gebiet dazu und die Situation änderte sich schlagartig. Ab dem 24. Februar kamen bereits so viele Verdachtsfälle, dass wir sie nicht mehr einen nach dem anderen im Container untersuchen konnten und uns neu organisieren mussten. So haben wir in den folgenden zwei Tagen in einem leerstehenden Trakt neben dem Notfall eine COVID Isolierstation aufgebaut. Wenige Tage vor Aufschlagen der ersten grossen Patientenwelle, waren die zusätzliche Räume aufgebaut.

Doch genug Raum alleine reicht nicht, denn es braucht auch Personal. Wir konnten nicht einfach einen Teil des Personals aus unserer Notfallstation in diese neue COVID Station verschieben, da der normale Notfall ungebremst weiterlief. So mussten Kaderpersonen, mich selbst eingeschlossen, an der Front arbeiten, bis wir Unterstützung aus anderen Kliniken des Universitätsspitals erhielten. Dies war möglich, weil die anderen Kliniken ihren Betrieb heruntergefahren hatten.

Parallel dazu tagte die COVID Task Force praktisch täglich, um die Reorganisation des gesamten Betriebs zu planen und zu begleiten. So wurden zusätzliche Normalstationen und Intensivstationen für COVID-Erkrankte aufgebaut und Personal aus heruntergefahrenen Kliniken verschoben. Auch wurde ein Pandemie-Notspital in der Turnhalle des Gymnasiums Rämibühl für allfällige Patienten aufgebaut, die nach der stationären Behandlung noch pflegebedürftig waren.

Notfälle während der Pandemie

Im Verlaufe der Pandemie änderte sich die Art der Patient*innen, welche an unser Institut für Notfallmedizin kam. Zu Beginn kamen ansonsten gesunde Personen primär für COVID-Abstriche und Beratung. Im Laufe der Wochen kamen immer mehr abklärungsbedürftige leicht- und immer häufiger auch schwererkrankten COVID-Verdachtsfälle, was einen entsprechenden Bedarf von mehr Ressourcen nach sich zog.

Doch mit etwas hatten wir nicht gerechnet: Im April hatten wir deutlich weniger non-COVID Patient*innen. Es gab Tage, an denen kein einziger Patient mit Myokardinfarkt kam, was ansonsten an der Tagesordnung ist. Eine gefährliche Entwicklung, denn Infarkte und andere schwere Erkrankungen pausieren nicht während einer Pandemie. Daraufhin haben wir und andere Spezialisten in den Medien die Bevölkerung aufgefordert, bei Beschwerden nicht aus Angst vor einer Ansteckung im Spital zuhause zu bleiben, sondern sich bitte vorzustellen. Alles andere wäre lebensgefährlich. Zum Glück hat unser Aufruf auch Wirkung gezeigt.

Das Patientenmaximum erreichten wir glücklicherweise bereits am 16. März, als 70 COVID-Verdachtsfälle neben dem normalen Notfallbetrieb vorstellig wurden. Mittlerweile durften wir bereits die zusätzlichen COVID-Stationen wieder schliessen und Ruhe kehrte ein.

Was haben wir gelernt?

Glücklicherweise mussten wir die schrecklichen Horrorszenarien, die wir aus Fernsehbildern kennen, nicht durch durch­leben. Unter anderem war dies dank unserer vorausschau­enden Reorganisation und dank dem vorbildlichen Verhalten der Bevölkerung möglich. Auch haben sich er­freulicherweise aufgrund unserer strikten und frühen Im­plementierung sämtlicher Schutzmassnahmen keine Mit­arbeitende der Notfallstation am Arbeitsplatz mit dem Coronavirus angesteckt.

Doch das Virus wird uns noch lange begleiten und mit jedem Verdachtsfall, den wir abklären, bleibt das Bewusstsein, dass eine zweite Welle nicht ausgeschlossen ist. Besonders Respekt haben wir vor der Grippesaison, die schon für sich alleine genug anspruchs­voll ist. Doch wir sind bereit und wir wissen, dass wir bei Bedarf die Pandemie-Infrastrukturen wieder rasch auf­bauen könnten. Uns ist es auch bewusst geworden, dass in einer Krise möglich wird, was zu Normalzeiten nicht oder nur schwer vorstellbar wäre. Und dies müssen wir beibe­halten können.


Prof. Dr. med. Dagmar Keller, Direktorin des Instituts für Notfallmedizin des Universitätsspitals Zürich, zeigt auf, welche immense Reorganisation nötig war, und erklärt, warum sie sich auch besonders um Nicht-Corona Patient*innen Sorgen machte.

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