StartseiteMagazinKulturHerzensangelegenheit: Beethovens Musik

Herzensangelegenheit: Beethovens Musik

Ein Gespräch zum Beethovenjahr mit dem Pianisten Martin Lucas Staub vom Schweizer Klaviertrio.

Ludwig van Beethoven umgibt der Nimbus eines Revolutionärs, sowohl was seine Musik als auch was seine Grundhaltung in der Gesellschaft angeht. Kind der Aufklärung, hiess er die Französische Revolution gut, hatte jedoch ein zwiespältiges Verhältnis zu seinen Mäzenen und zum Adel. Aber er war von sich und seinem Können überzeugt, so dass Musik nach Beethoven anders rezipiert wird als davor. Beethoven machte aus dem Medium Musik, welches der Religion als Unterstützung des Wortes Gottes, der Armeeführung als Ansporn für die Kampfbereitschaft und den Reichen und Schönen zur Unterhaltung diente, eine Kunst, gleichgestellt der Malerei, Literatur oder Philosophie.

Das Schweizer Klaviertrio mit Martin Lucas Staub, Klavier, Angela Golubeva, Violine, und Joël Marosi, Violoncello

Seniorweb: Martin Lucas Staub, zum Beethovenjahr hat Ihr Klaviertrio mehrere Konzertreihen mit Werken des Komponisten vorbereitet. Ging es darum, bei dem Jubiläumsjahr auch in Erscheinung zu treten, oder bedeutet Ihnen Beethoven mehr?

Martin Lucas Staub: Beethovens Musik hat mich seit früher Kindheit immer begleitet, zuerst übers Ohr durch die vielen Aufnahmen, die ich zu Hause hörte. Ich kannte die Musik seiner Klavierkonzerte auswendig, lange bevor ich sie spielen konnte und habe danach viele seiner Werke gespielt. In den letzten Jahren spielten wir mit dem Schweizer Klaviertrio alle seine Werke für Klaviertrio auf CD ein und wollen nun in diesem Jubiläumsjahr diese wunderbare Musik in einer vierteiligen Konzertreihe aufführen. Beethoven ist für mich ganz klar eine Herzensangelegenheit!

Alle Aufführungen mussten Sie absagen. Werden Sie diese Konzerte denn später nachholen können oder bleibt nur der frustrierende Verzicht?

Wir hatten das Glück, dass wir alle Konzerte verschieben konnten, zum Teil auf die zweite Jahreshälfte 2020, zum Teil auf Sommer 2021. Aber immerhin finden so die Konzerte später doch noch statt. Die neuen Daten stehen bereits fest.

Blick in die Werkstatt: Beethovens 2. Sinfonie, zu dritt gespielt, so wie der Meister sie adaptierte.

Eine gute Seite hatte die Corona-Konzertpause für unser Ensemble dennoch: Im Frühjahr, als alle Konzerte abgesagt werden mussten, erinnerte ich mich, dass Beethoven eine Adaption seiner 2. Sinfonie op. 36 für Klaviertrio herausgegeben hat. Die Noten davon hatte ich schon länger zu Hause stehen. Meine anfängliche Skepsis wich beim Spielen sehr schnell einem grossen Enthusiasmus für die grossartige Musik und der Bewunderung für Beethovens äusserst wirkungsvolle Setzweise dieses sinfonischen Werks für Kammerensemble. Dazu haben wir eine weitere Rarität einstudiert, nämlich das Trio op. 63, Beethovens Arrangement seines eigenen Streichquintetts op. 4. Diesen unerwarteten Beitrag zum Beethoven-Jahr spielen wir nun als eine ursprünglich nicht vorgesehene sechste CD unserer Gesamtaufnahme ein und führen dieses Programm in einem Extrakonzert am 4. Juli im KKL Luzern auf!

Ihr Konzertprogramm umfasst alle Schaffensperioden Beethovens. Können Sie uns Laien anhand der Klaviertrios erklären, wie man sich Beethovens persönliche Musikgeschichte vorzustellen hat?

Die Geschichte beginnt in Bonn. Beethovens ausserordentliche Begabung wurde schon sehr früh erkannt und gefördert – auch sein Vater war Musiker. Allerdings war Beethoven kein frühreifes Wunderkind wie etwa Mozart. Gerade anhand der Klaviertrios lässt sich verfolgen, dass die frühen, noch in Bonn entstandenen Werke wohl auf grosses Talent schliessen lassen, aber eigentlich nur an wenigen Stellen erahnen lassen, welch unglaubliche Entwicklung danach folgen sollte.

Nach Beethovens endgültiger Übersiedelung nach Wien 1792 hatte der Kompositionsunterricht bei Joseph Haydn gewiss einen grossen Einfluss auf seine weitere Entwicklung. Dennoch ist es mir bis heute unerklärlich, wie die drei Trios op. 1 plötzlich auf einer völlig neuen Stufe als vollgültige Meisterwerke eines eigenwilligen jungen Komponisten entstehen konnten. War es ein uns nicht bekanntes Schlüsselerlebnis des jungen Musikers? Wir werden es nie erfahren.

Joseph Karl Stieler: Ludwig van Beethoven um 1820

Hier, auf dem Gebiet des Klaviertrios, sah Beethoven für sein erstes Opus wohl viel mehr Potential für Neuerungen, als in anderen Gattungen wie dem Streichquartett oder der Klaviersonate, die von Haydn und Mozart bereits zu grosser Meisterschaft entwickelt worden waren. Die Uraufführung und die Veröffentlichung dieser drei Trios op. 1 sorgten in Wien denn auch für grosses Aufsehen. Zudem hatte er das Glück, mit dem Fürsten Karl Lichnowsky schon früh einen adligen Förderer zu haben, der ihm den Weg in die wichtigen gesellschaftlichen Kreise Wiens ebnete. Dank privater Mäzene und dank des Erfolgs seiner Kompositionen war Beethoven der erste Komponist, der ohne Anstellung als selbständiger und unabhängiger Musiker leben konnte. Seine späteren Klaviertrios zeigen auch auf, wie Beethoven die klassische Tradition immer mehr mit subjektivem, emotionalem Inhalt füllte und mit dem Erzherzogtrio op. 97 schliesslich an der Schwelle der Romantik steht.

Joseph Haydn riet Beethoven nach der Uraufführung von der Veröffentlichung des c-Moll-Trios op. 1 Nr. 3 ab, ein Rat, den der junge Komponist nicht befolgte. War das eine Art Trotzreaktion gegen den Förderer?

Es ist überliefert, dass sich Beethoven über den Rat Haydns sehr geärgert hat. Ich denke aber, dass die Veröffentlichung vielmehr vom Selbstbewusstsein des jungen Künstlers zeugt, und dass er dieses Werk zu Recht sehr hoch einschätzte. Es ist in der Tat das revolutionärste der drei Trios des Opus 1 und umreisst mit seiner Dramatik, seinen ungestümen Kontrasten, den Charaktervariationen des langsamen Satzes, dem Menuett, das eigentlich schon ein Scherzo ist und dem ganzen grossangelegten dramaturgischen Ablauf schon die ganze künstlerische Ästhetik Beethovens.

Ich hab mal gelesen: Bach komponierte für Gott, Mozart für die Schönheit aber nach einem Regelwerk, Beethoven dagegen habe die Regeln gesprengt und seine Emotionalität in die Kompositionen einfliessen lassen. Also ein Genie?

Ohne Zweifel ein Genie! Aber ein ganz anderes als Mozart: Wenn man nur schon die Autographen dieser beiden betrachtet, wird der Unterschied sichtbar. Bei Mozart sind bei der Niederschrift kaum Korrekturen zu finden, das Werk floss quasi schon fertig komponiert aus seiner Feder.

Eine originale Manuskriptseite aus dem Klaviertrio op. 70

Beethovens Skizzen und Manuskripte dagegen wirken zuweilen chaotisch. Da wird probiert und korrigiert, wieder verworfen und ausgestrichen mit einer fast schon fühlbaren Leidenschaft. Beethoven hat sich die endgültige Gestalt seiner Werke hart erarbeitet und die Partituren akribisch mit zahlreichen Vortragsbezeichnungen versehen. Er glaubte daran, dass seine Musik noch lange nach seinem Tod gespielt werden würde und versuchte daher, seine musikalischen Vorstellungen so genau wie möglich zu Papier zu bringen. Dabei hat er sehr bewusst die Formen erweitert und nach neuen Ausdrucksformen gesucht. Das macht sein Werk ja auch so vielfältig: Der junge, noch klassisch komponierende Beethoven verwandelt sich in seiner Reifezeit mehr und mehr zum Romantiker, bevor er mit seinem Spätwerk davor und danach nie mehr beschrittene Wege geht. Wir nennen unsere Konzertreihe darum auch „Beethoven: Revolutionär, Visionär, Romantiker“.

1998 gegründet, hat sich das Schweizer Klaviertrio im In- und Ausland in die ersten Ränge gespielt.

Beethoven als Revolutionär: Gern wird bei diesem Stichwort Fidelio erwähnt, diese Oper der Befreiung von Tyrannei. Geht es da um Politik oder steckt die Freiheitssuche auch in der Musik?

Beethovens Weg als Komponist ist musikalisch geprägt von einer ständigen Suche nach neuen Möglichkeiten der Form, des Klangs, des Ausdrucks. Damit einher geht auch eine ständige Erweiterung der musikalischen Freiheit. Seine Musik ist zutiefst persönlich, bekenntnishaft und menschlich – und ist damit in ihrer Grundhaltung auch zutiefst romantisch.

Neben dieser künstlerischen Freiheitssuche hat Beethoven seine politischen Ansichten nie versteckt, seine Sympathie für die französische Revolution und anfänglich auch für Napoleon, die nach dessen Krönung zum Kaiser zu enttäuschter Ablehnung wurde. Sicher muss in diesem Zusammenhang auch die 9. Sinfonie genannt werden, deren Botschaft und Vision der Brüderlichkeit unter allen Menschen nichts von ihrer Aktualität eingebüsst hat.

Fotos: Neda Navaee
Homepage: www.swisspianotrio.com

Die nächsten Konzerte:
KKL Luzern, 4. Juli 19:30 Uhr: Eine Sinfonie zu dritt. Es gibt noch Plätze!
Schloss Waldegg, Solothurn, 19. Juli 17 Uhr: Eine Sinfonie zu dritt. Reservieren.

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