StartseiteMagazinKulturErinnerung – ein Anker im Leben

Erinnerung – ein Anker im Leben

Erinnern und Vergessen sind im Leben allgegenwärtig. Die Ausstellung «MEMORY Momente des Erinnerns und Vergessens» im Museum der Kulturen Basel zeigt, wie bedeutende Ereignisse mündlich überliefert, in Stein gemeisselt oder verschwiegen werden.

Erinnerungen begleiten uns ein Leben lang, so hoffen wir es. Wer seine Erinnerung verliert, kann sich im Leben nicht mehr orientieren. Sich erinnern zu können, gehört zu den Grundfähigkeiten und zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Auch Tiere haben die Fähigkeit, sich zu erinnern, sogar von Pflanzen wissen die Biologen, dass sie ein Erinnerungsvermögen besitzen. Nicht nur wir Älteren hängen an unseren Erinnerungen, auch Kleinkinder wollen ein Märchen immer wieder genauso hören, wie es ihnen – gemäss ihrer Erinnerung – schon erzählt worden ist.

Wer sich erinnert, hat dafür zumeist einen Gegenstand, mit dem er ein Erlebnis, eine Erfahrung im Gedächtnis verknüpft. Erinnerungen sind stark mit Emotionen verknüpft, deshalb können sich Erinnerungen im Laufe der Lebenszeit verändern, da sich auch die Gefühle, die mit einem bestimmten Ereignis verbunden waren, verändern können. – Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie unterschiedlich sich zwei Menschen, die gemeinsam die gleiche Erfahrung durchlebt haben, im Laufe der Zeit daran erinnern? So wie sich die Sicht aufs Leben allgemein wandeln kann, so kann sich auch die Erinnerung verändern.

Eingang der Ausstellung eine Wand, als immenser Setzkasten gestaltet und gefüllt mit über hundert Andenken aller Art.

In seiner Ausstellung Memory – Momente des Erinnerns und Vergessens beleuchtet das Museum der Kulturen in Basel verschiedene Aspekte der Erinnerung in verschiedenen Kulturen der Welt und zeigt die vielfältigen Formen und Praktiken, wie der Einzelne, Gemeinschaften oder Gesellschaften das Gedächtnis an bedeutende Momente pflegen. – Erinnerungen wachzuhalten, dient Herrschern zur Erhaltung ihrer Macht. Und viele indigene Kulturen zelebrieren zu Ehren ihrer Ahnen regelmässig Rituale, um die Stammesidentität zu stärken.

Souvenir, Souvenir

Ein Souvenir ist selten ein einmaliges Objekt, es wird erst durch seine Verknüpfung mit persönlicher Erinnerung zum Andenken. Seit dem 19. Jahrhundert haben sich Souvenirs mit dem zunehmenden Tourismus zur Massenware entwickelt, Modelle von Sehenswürdigkeiten, Schneekugeln, heute meist in China hergestellt; zu Zeiten, als wir mit einem Wanderstock loszogen, Stocknägel. Bruchstücke der Berliner Mauer wurden nach ihrem Fall 1989 zu beliebten Souvenirs, die an die Wiedervereinigung Deutschlands erinnern. Andenken, die von Pilgerfahrten mitgebracht werden, besitzen darüber hinaus einen besonders emotional-religiösen Wert, sie werden sogar als Amulett getragen.

Gedächtnisstützen

In Europa sind verschiedene Formen von Kerbhölzern überliefert, die Übereinkünfte und Abrechnungen dokumentieren: Die Einschnitte im Holz erinnern an eine Abmachung, an Besitzverhältnisse oder an Pflichten; es handelt sich um Urkunden. Besonders bekannt sind die Walliser Wässertesseln; ihre Einkerbungen hielten fest, welcher Haushalt wann und wie lange vom gemeinsamen Bewässerungssystem Gebrauch machen durfte. In der Ausstellung sehen wir noch eine ganze Menge anderer Tesseln.

Auch ein Rosenkranz ist nichts anderes als eine Gedächtnisstütze, damit die Betenden wussten, wann sie die vom Pfarrer geforderte Zahl von Gebeten gesprochen hatten. Im Kanton Uri konnten die jährlich von Kindern gebeteten Rosenkränze und Vaterunser auf einer Tessel aufgezeichnet werden. Sie wurden dann dem Samichlaus oder dem Christkind vorgelegt.

Montage aus 10 numerischen khipu und Einzelschnüren; Peru; 1400-1530; Baumwolle, gezwirnt; vermutlich Slg. Eduard Gaffron

Im Inka-Reich und der frühen Kolonialzeit (16. Jahrhundert) wurden im Andenraum buchhalterische, statistische und strategische Angaben sowie die Erinnerung an historische Ereignisse in Knotenschnüren (quechua khipu) übermittelt.

Numerische khipu basierten auf einem Dezimalsystem und dienten zur Erfassung von Lebensmittelabgaben und -verteilungen, Tributzahlungen, Bevölkerungsstatistiken oder der Grösse von Tierherden. Im Museum der Kulturen Basel entdeckten die Forschenden eine der grössten Montagen von khipu wieder, die zuletzt vor 90 Jahren wissenschaftlich bearbeitet wurde.

Schriftliche und gemalte Zeugnisse

Grosse Erzählungen, in heiligen Schriften oder Epen überliefert, wie beispielsweise in Indien das Ramayana, werden stets wiedererzählt und beanspruchen über lange Zeiträume hinweg Beachtung. Sie stehen als Fundament zwischen individueller und kollektiver Erinnerung.

Ramayana. Teile des grossen indischen Epos in Illustrationen der indischen Künstlerin Sugandha Iyer.

Diese Zeugnisse kollektiven Gedächtnisses werden nicht nur niedergeschrieben, sondern häufiger noch von Männern oder Frauen, die diese Rolle oft ein Leben lang ausfüllen, bei Zusammenkünften erzählt. Sie stützen sich dabei auf ausdrucksstarke Bilder. So geschieht es, dass beim Erzählen aktuelle Ereignisse eingeflochten werden.

Ahnen und Genealogien – Totengedenken

Ahnen werden in Figuren, Masken und Reliefs dargestellt. Sie können Vorfahren mit bekannten Namen und beeindruckender Lebensführung oder mythische Ahnen sein. Vielerorts beeinflussen sie das Leben ihrer Nachfahren und die Umwelt in der Gegenwart. Die Erinnerung an sie soll der Gemeinschaft Halt und Struktur geben und den Menschen wohlgesonnen bleiben.

Totengedenken steht allerorten am Anfang von Erinnern und Vergessen.

Das Gedenken an die Toten auf europäischen Friedhöfen hatte in früheren Zeiten eine ähnliche Bedeutung. Es war den Familien, aber auch der Gesellschaft wichtig, dass die Vorfahren, die Gründer einer Stadt oder die Verteidiger eines Landes in Ehren gehalten wurden – auch hier mit dem Ziel, den Zusammenhalt in Zukunft zu stärken.

Totenreiter und Mariachi-Ensemble aus Mexiko

In Mexiko ist der Brauch, die Verstorbenen zu ehren, noch besonders lebendig: Allerheiligen und Allerseelen wird in Mexiko bunt und ausgelassen gefeiert. Auf Altären stehen auch Skelette aus Papiermaché. Sie werden mit einer guten Portion Ironie und Gesellschaftskritik bei alltäglichen Tätigkeiten dargestellt.

Aufarbeitung von kolonialer Sammelwut

So erstaunt es nicht, dass solche Gegenstände aller Art eine wichtige Quelle für die Dokumentation und Rekonstruktionen von Geschichte sind. Ihre Entfernung – wie etwa unter kolonialen Bedingungen – erschwerte den Zugang zur Geschichte des bestohlenen Volkes.

Neben der Kritik an offiziellen Geschichtsdarstellungen rückte das Gedenken an die Opfer in den Vordergrund. Im Mittelpunkt stehen nun vermehrt Erfahrungen und Ereignisse, die nicht verdrängt, geleugnet und vergessen werden sollen.

Ansicht eines Ausstellungsraums: Kraftvolle Ahnen im Vordergrund und im Hintergrund die Station Grosse Erzählungen

Zwei Gedenkköpfe verweisen auf die Beerdigungszeremonien beim Tod eines Herrschers im damaligen Königtum Benin. Im Zuge der Kolonisierung plünderte eine britische Strafexpedition 1897 den Königspalast in Benin. Über 4000 Objekte gelangten als Kriegsbeute nach London und später in die ganze Welt. In Benin hinterliess dieser Raub von Dingen, die die Erinnerung an die Vorfahren und die Geschichte des Königreichs verkörperten, eine schmerzliche Lücke. Die Benin-Objekte haben in den Debatten um die Provenienz von Museumssammlungen symbolischen Status. Es wird immer noch diskutiert, wie eine Aufarbeitung und Restitution vonstattengehen könnte.

Museum der Kulturen Basel: Memory – Momente des Erinnerns und Vergessens
bis Juli 2024

Sämtliche Fotos:  © MKB, Omar Lemke

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