StartseiteMagazinKulturTräume und Symbole in Kunst verwandelt

Träume und Symbole in Kunst verwandelt

Einen wenig bekannten Maler stellt das Kunstmuseum Solothurn vor. «Albert Trachsel (1863 – 1919): Eine Retrospektive.» In der Ausstellung ein gutes Jahrhundert zurückzuschauen, eröffnet den Blick für mehrere Strömungen der Kunst.

Kennen Sie Albert Trachsel? Gewiss kennen Sie Künstler, denen er begegnet ist oder mit denen er befreundet war, Ferdinand Hodler zum Beispiel, Trachsels Wegbegleiter seit jungen Jahren, auch Félix Vallotton oder Cuno Amiet waren mit ihm bekannt. Albert Trachsel gilt als Genfer Künstler, obwohl er in Nidau bei Biel geboren wurde, von wo seine Eltern nach Genf zogen, als er noch ein Kind war. Er studierte Architektur an der ETH Zürich, ging anschliessend nach Paris und besuchte die Ecole des Beaux Arts. Das wurden seine prägenden Jahre.

Albert Trachsel, Zeichnung von Ferdinand Hodler, wahrscheinlich entstanden vor 1898.

Er lernte Auguste Rodin kennen, Paul Gauguin und durch diesen auch Werke von Van Gogh, daneben beschäftigte er sich mit der Poesie von Paul Verlaine und Stéphane Mallarmé. Später schrieb er selbst Erzählungen und Essays.

Was Trachsel interessiert haben muss, geht über den Impressionismus hinaus. Bilder in der Ausstellung zeigen es: Er schuf Bilder voller Licht und hellen Farben, in denen spirituelle Dimensionen aufscheinen. So kann er 1892 neben vielen internationalen Künstlern und Künstlerinnen am ersten Rosenkreuzer-Salon neben Hodler und Vallotton teilnehmen. – Dies war wohl die erste Ausstellung und damit sein erster Erfolg als 29-jähriger Maler.

 

Kosmisches Ereignis, um 1905. Öl auf Leinwand, 78 × 104,5 cm. Kunstmuseum Solothurn. Schenkung Annette und Roland Berger-Hafter, 2014

Das Kunstmuseum Solothurn verfügt über eine der bedeutendsten Sammlungen von Trachsels Werken, denn das Museum wuchs durch Schenkungen und Stiftungen wichtiger Solothurner Kunstsammler: Oscar Miller (1862 – 1934), Josef Müller (1887 – 1977) und Gertrud Dübi-Müller (1888 – 1980). Diese waren früh auf Albert Trachsel aufmerksam geworden. So konnten die beiden Kuratoren Robin Byland und Christoph Vögele eine Schau von fast hundert Werken zusammenstellen, die auch aus dem Genfer Musée d’art et d’histoire und aus Privatsammlungen stammen. – Da muss man sich wundern, dass es einem solchen Künstler nicht vergönnt war, der Nachwelt präsenter zu bleiben.

L’Étoile filante, um 1892. Aquarell und Kreide auf Papier, 51,5 × 70,5 cm. Nachlass Monique Barbier-Mueller

Nach seinen Pariser Jahren kehrte Trachsel 1901 endgültig nach Genf zurück, gab die Architektur auf und widmete sich der Ölmalerei, die er sich autodidaktisch beigebracht hatte. Wenn wir die Ausstellung betreten, blicken wir jedoch noch einmal zurück in die Jahre 1885/86 bis 1897. Die architektonisch anmutenden Zeichnungen, die Trachsel «Architekturfantasien» nennt, aus seinem Album Fêtes réelles, das auch am Rosenkreuzer-Salon gezeigt wurde, strahlen eine eigenartige Faszination aus.

Le Sphinx, Vorlage zu Pl. 6 der Fêtes reelles (Paris 1897), um 1892. Aquarellierte Tuschfederzeichnung auf Papier, 50,5 × 64,5 cm. Nachlass Monique Barbier-Mueller

Auf mich wirken sie wie tempelartige Gebäude, ähnlich alten Monumenten, einsam in der Landschaft stehengeblieben, wie ich sie in Persien gesehen habe. Auf einigen der Bauwerke erkennen wir einen Menschen, Le semeur z.B., in charakteristischer Pose, oder die Zeichnung bezieht sich auf einen Menschen, Le tombeau d’un poète. Die gedankliche Kombination folgt hier dem Symbolismus; die künstlerische Umsetzung, eine Idee, ein Phänomen symbolistisch darzustellen, entdecken wir im nächsten Saal.

Was bedeutet Symbolismus als Kunstbegriff? Während die Impressionisten bestrebt waren darzustellen, was sich dem Auge, den Sinnen an Eindrücken bot, gingen die Künstler des Symbolismus darüber hinaus: Eine Idee, ein Phänomen sollte als Symbol aufgefasst werden und dieses bildnerisch dargestellt werden.

Auch scheinbar Unrealistisches wie Träume oder schwer Fassbares wie ein Blitz oder eine Welle wurden Gegenstand künstlerischen Ausdrucks, daneben auch unsichtbare Geistwesen, und zwar nicht nur in den bildenden Künsten, sondern auch in der Musik – denken Sie nur an Edvard Griegs Peer Gynt. Der Maler Edvard Munch gehört ebenso in diese Richtung, wobei Symbolismus nie einen ‹Stil› oder gar eine Epoche bezeichnete. Auch in Trachsels Werk zeigen sich verschiedene Stile.

L’île des arbres en fleurs (Traumlandschaft), um 1912–1913. Öl auf Leinwand, 105 × 130 cm. Kunstmuseum Solothurn. Dübi-Müller-Stiftung

Trachsels Traumlandschaften gehören in meinen Augen zu den Höhepunkten der Ausstellung. Kunstvoll bettet der Maler schemenhafte Traumfetzen in Landschaft, einen Wasserfall oder einfach in wolkenhafte Formen ein. – Ausdrucksstärker kann man das Phänomen eines sich auflösenden Traumbildes nicht darstellen.

Das Auge der Besucherin wird unweigerlich von den fünf oder sechs Stilleben angezogen, die im grössten Saal gegenüber gehängt sind. Leuchtend gelbe und orangene Früchte vor einem zweifarbigen Hintergrund malt Trachsel, oder er geht noch weiter: ein paar Früchte auf einem tiefdunkelroten Hintergrund. Das ist nur noch einen Schritt entfernt von abstrakter Malerei.

Oranges et citrons, um 1914. Öl auf Leinwand, 38 × 46 cm. Nachlass Monique Barbier-Mueller

Seit Trachsel in Genf lebt, malt er Landschaften, besonders den Genfer Hausberg, den Salève. Wieder gelingt es dem Maler, die Atmosphäre einer Landschaft zum Ausdruck zu bringen. Vom Leben des Künstlers ist wenig zu erfahren. Ausser der Hodler-Zeichnung können wir aus zwei Selbstportraits, 1911 und 1912 entstanden, versuchen zu erkennen, wer Albert Trachsel war. Der Betrachterin erscheint er als ernster, eher introvertierter Mensch, dessen Augen allerdings sehr genau schauen. – Schauen sie das Gegenüber an oder schauen sie hindurch in eine unendliche Weite? Das erste Selbstportrait strahlt Präsenz aus, während das zweite zurückgezogen wirkt, als wäre vor dem Gesicht des Künstlers ein Schatten.

Berglandschaft mit See, um 1915. Öl auf Leinwand, 105 × 130 cm. Privatbesitz

Eine kluge Entscheidung der Kuratoren war es, in einem letzten Saal, Werke von Künstlerkollegen aus der Sammlung des Museums zu zeigen, neben Hodler, Alexandre Perrier, Hans Berger, Cuno Amiet oder Giovanni Giacometti. Denn während des Gangs durch die Räume fallen Malweisen, Formen oder Farben auf, die an andere Künstler vor und nach der Wende zum 20. Jahrhundert erinnern. Albert Trachsel verdient neben ihnen einen würdigen Platz.

Kunstmuseum Solothurn, bis 7. Februar 2021

Zur Ausstellung ist im Verlag Scheidegger&Spiess, Zürich, eine umfangreiche Publikation erschienen mit vier Aufsätzen und zahlreichen Abbildungen.

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2 Kommentare

  1. Zum Glück gelingt es begabten Museumsdirektoren, wie Christoph Vögele in Solothurn einer ist, auch mit bescheidenen Mitteln in ihren Museen immer wieder mal eine spektakuläre Ausstellung zu zeigen, indem sie einen mehr oder minder vergessenen Künstler wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit stellen. Heute las ich erst noch, dass wir in Zeiten von weniger äusserer Aktivitäten mehr und bewusster träumen.

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