StartseiteMagazinGesellschaftWie können Ältere an wissenschaftlicher Forschung teilnehmen?

Wie können Ältere an wissenschaftlicher Forschung teilnehmen?

Im Rahmen des CAS «Gerontologie heute» zum Thema «Evaluation und Partizipation – Chancen und Grenzen der Anwendungspraxis» referierte Frau Dr. Susanne Tönsmann über Partizipative Forschung und Citizen Science. Seniorweb konnte ihr ein paar Fragen zu ihrem Arbeitsfeld stellen.

Frau Dr. Tönsmann, Sie sind Geschäftsführerin der Partizipativen Wissenschaftsakademie. Können Sie die Partizipative Wissenschaftsakademie kurz vorstellen?

Die Partizipative Wissenschaftsakademie arbeitet im Bereich Citizen Science und partizipative Forschung. Wir sind am Citizen Science Center der Universität Zürich und der ETH Zürich angesiedelt. Wir möchten die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürger an wissenschaftlichen Projekten unterstützen und fördern. Wir machen das durch ein Angebot von Trainings und Workshops, in denen sich Forschende und Bürger*innen weiterbilden können und Methoden und Werkzeuge kennenlernen, mit denen sie gemeinsam forschen können. Wir sind auch in der glücklichen Lage, sogenannte Seed Grants vergeben zu können, also Anschubfinanzierungen für Projekte, in denen sich ein Team gefunden hat, das eine Forschungsfrage gemeinsam bearbeiten möchte. All das basiert auf einer sogenannten «Wirkungslogik», wir möchten also Wirkung erzielen, einerseits in der Forschung um zu zeigen, dass partizipative Projekte Ergebnisse und Perspektiven ermöglichen, die ohne Partizipation nicht möglich wären, anderseits in der Gesellschaft, so dass Forschung gesellschaftlich relevante Probleme bearbeitet. Denn Herausforderungen gibt es derzeit ja genug. Unsere Arbeit wird von der Stiftung Mercator Schweiz ermöglicht, die sich gemeinsam mit der UZH und der ETH entschieden hat, mit ihrer Förderung die Partizipation in der Forschung voranzutreiben.

An welchen Projekten wird im Moment gearbeitet? Welche Projekte stehen an?

Wir haben derzeit sechzehn Projekte in der Förderung. Diese sind sehr unterschiedlich weit fortgeschritten und widmen sich sehr unterschiedlichen Themen. Bei einigen geht es um unsere natürliche Umwelt, z.B. die Qualität unseres Bodens. Andere Projekte sind im medizinischen oder Gesundheitsbereich angesiedelt. Ein Projekt wurde beispielsweise von einem Team beantragt, in dem eine Psychiaterin, eine an Schizophrenie erkrankte Frau und eine Linguistin zusammenarbeiten. Gemeinsam möchten sie sich anschauen, wie das Sprechen über psychische Erkrankungen gut gelingen und was es bewirken kann. Hierfür braucht es unterschiedliche Expertisen und Perspektiven der beteiligten Teammitglieder.

In der Geschäftsstelle bereiten wir zudem gerade eine Konferenz vor, gemeinsam mit Kolleginnen aus Bern und Genf. Wir laden für den 14. und 15. Januar 2021 zur Ersten Schweizer Citizen Science Konferenz ein. Unter dem Motto «Citizen Science in der Schweiz vernetzen» möchten wir die vielen verschiedenen Akteure in der Schweiz zusammenbringen und uns austauschen über die vielen Anwendungsbereiche von Partizipation in der Forschung, die guten Erfahrungen und die schwierigen, damit wir alle gemeinsam lernen können. Natürlich hätten wir uns gern in Zürich getroffen, aber aufgrund der Pandemie findet die Konferenz nunmehr digital statt. Wir freuen uns über viel Interesse! Anmelden kann man sich über die Website citscihelvetia.ch

Wie arbeiten Sie mit dem Citizen Science Center Zürich zusammen?

Wir arbeiten eng zusammen; wir teilen Büros, machen gemeinsame Veranstaltungen und versuchen gemeinsam, die ganze Bandbreite von partizipativen Ansätzen sichtbar zu machen. Wie in jedem Team werden die Aufgaben verteilt. Die Partizipative Wissenschaftsakademie legt den Fokus auf die Trainings- und Weiterbildungsangebote und wir organisieren die Vergabe der Seed Grants. Beim Citizen Science Center gibt es technische Expertisen, dort wird unter anderem ein sogenannter Project Builder entwickelt, ein digitales Tool, mit dem Projekte, in denen grosse Datenmengen analysiert werden müssen, im Internet präsentiert werden können. Gemeinsam können wir so sehr unterschiedliche Projekte unterstützen.

Was müssen ältere Personen, die an Forschungsprojekten der Partizipativen Wissenschaftsakademie teilnehmen möchten, mitbringen? Was wird von ihnen erwartet? Wo können sich Interessierte melden?

Ich empfehle allen Personen, ob älter oder jünger, sich auf unserer Website www.pwa.uzh.ch einen Überblick zu verschaffen, was bei uns ansteht und was für Projekte laufen. Alle Projekte, die wir mit einem Seed Grant unterstützen, sind bei uns aufgeführt, darüber auch weitere, die wir in einer «Citizen Science Directory» zusammengestellt haben. Mitbringen muss man Interesse und Neugier und wahrscheinlich auch Zeit, ausserdem erfordern einige der Projekte, wie beim Beispiel mit dem Sprechen über psychische Erkrankungen, eine bestimmte Erfahrung oder Eigenschaft. Andere wiederum sind ganz offen für alle Personen, die sich engagieren möchten. Da muss man schauen; was gibt es und wo steht das Projekt. Jedes Projekt hat eine Kontaktinformation. Ich möchte auch betonen, dass viele der Projekte, die wir fördern, in einer frühen Phase sind. Wir möchten ja gerade die Phase der gemeinsamen Entwicklung eines Projekts fördern und so kann es sein, dass ein Projektteam in der Konzeptions- und Designphase ist und noch keine konkreten «Aufgaben» vergeben kann. Gerade in der Entwicklungsphase eines Projekts ist ja viel Denkarbeit gefordert, Ideen werden diskutiert, etwas wird verworfen, man fängt nochmal anders an – da ist auch ein langer Atem gefragt und die Bereitschaft mitzudenken.

Welche Stufen der Beteiligung gibt es in der partizipativen Forschung?

Das Ausfüllen eines Fragebogens, die Teilnahme an einer Umfrage, verstehen wir noch nicht als Partizipation. Anders ist es, wenn Personen an der Entwicklung des Fragebogens beteiligt werden, wenn es also darum geht, auch das gemeinsam zu entwickeln, was als forschenswert gilt. Wenn es also glaubwürdige Angebote gibt, eine Forschungsfrage, ein Forschungsdesign mitzugestalten und Personen Verantwortung übernehmen können in einem Projekt, dann würde ich von Partizipation sprechen. Übrigens, das Stichwort Verantwortung ist mir noch wichtig: die Form von Partizipation, die wir fördern und ermöglichen möchten beinhaltet auch, dass die Beteiligten Verantwortung übernehmen und gemeinsam definieren, wer welche Verantwortung übernimmt. Das kann sich natürlich im Verlauf eines Projekts auch ändern, aber Partizipation in der Forschung bedeutet für mich auch das Teilen von Verantwortung.

Welche Chancen eröffnen sich, wenn ältere Personen in der Altersforschung teilnehmen? Gibt es auch Risiken und wie begegnet man ihnen? 

Chancen gibt es viele: Idealerweise lernen wir mehr über das Altern, nicht nur über Krankheiten und Beschwerlichkeiten, sondern über Anfänge, Beziehungen, neu Gelerntes, und die vielen sehr unterschiedlichen Erfahrungen, die Menschen mit dem Altern machen und die unbedingt in der Forschung reflektiert werden müssen. Jedes partizipative Projekt braucht eine gute und sichere Rahmung und verbindliche Absprachen, so dass alle Beteiligten sich sicher und gut einbringen können. Das stellt durchaus Ansprüche an ein Team. Aber in der partizipativen Forschung ist man ja nie allein!


Dr. Susanne Tönsmann hat Sozialwissenschaften studiert und ist Geschäftsführerin der Partizipativen Wissenschaftsakademie. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind partizipative Forschung, Konzeptionen von Bürgerschaft, Projekt- und Organisationsentwicklung.

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1 Kommentar

  1. Partizipation in die Breite bringen. Und in den ganzen Prozess des Fragenstellens, Projektentwickelns, «eigentlichen» Forschens und dann Draus-Lernens und Anwendens…. Gut, dass sich immer mehr Forschende hieran orientieren. Eine wirklich ernsthafte Haltung der Partizipation entwickeln und sie verantwortungsvoll in die Prozesse immer selbstverständlicher einbauen. Und gut, wenn es dazu immer verfügbarere und kompetente Rahmungen gibt, die dazu ermutigen, die das Voneinander-Lernen ermöglichen und auf Dauer stellen. Denn für viele von uns Forschende will das partizipative Forschen ja erst einmal gründlich gelernt sein… so fremd ist es vielen anderen lange vorherrschenden Paradigmen sog. objektiver – eigentlich: objektivierender – Forschung. Danke für den klugen Beitrag!

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