StartseiteMagazinKulturEin kleiner Schubs aus dem Gewohnten

Ein kleiner Schubs aus dem Gewohnten

Geschichten über Verwandlungen und das Verschwinden in einer Welt, in der es dunkel wird. Das verspricht uns Peter Stamm in seinem neuen Buch «Wenn es dunkel wird», das elf in den letzten Jahren entstandene Erzählungen enthält.

Eine Frau, deren Beziehung auseinandergebrochen ist, erlebt allein eine Kreuzfahrt, die eigentlich für beide geplant war. In Barcelona spaziert sie durch die Stadt, die organisierte Tour mit den älteren Paaren und deren unangenehmen Blicken hat sie diesmal ausgelassen. Im plötzlichen sintflutartigen Regen rettet sie sich in einen Hinterhof – und hört, dass sie gerufen wird. Was sie dann erlebt, ist so unwahrscheinlich wie wunderbar. Ist der Mann, in dessen Wohnung sie kommt, ein Scharlatan, ist alles nur ein Spiel? Auf dem Rückweg zum Schiff denkt sie darüber nach und fühlt sich ein wenig gefestigter als vorher.

Wir lesen von David, dem sein Dasein als Lehrling langweilig ist und der sich krankmeldet. So, wie er es aus einschlägigen Krimis weiss, beginnt er, einen Überfall auf die nahe gelegene Bankfiliale zu planen. Eine Eichhörnchen-Maske, die ihm seine Mutter vor Jahren geschenkt hatte, scheint ihm dienlich und zugleich lächerlich. Ganz akribisch plant David seine Aktion – oder ist es nur ein Traum, aus seiner jetzigen Situation herauszukommen. «Es ging nicht um Geld in seinem Plan, es ging darum, sein Leben in die Hand zu nehmen», ein Schritt in die Unabhängigkeit des Erwachsenenlebens. So unsicher, wie sich David darin noch fühlt, so ungewiss endet diese Geschichte.

Menschen wie du und ich

Das Ungefähre, das sich nicht genau definieren lässt, das Unwahrscheinliche, das unseren rationalen Verstand durcheinanderbringt, die Zufälle und wie Menschen damit umgehen, das gehört zu Peter Stamms Instrumentarium, dem müssen sich seine Figuren stellen. Es sind Geschichten wie Vexierbilder, zuweilen wissen wir nicht, wohin es gehen soll.

Was die Leser und Leserinnen am meisten anspricht, bleibt Geschmackssache. Mir hat die Geschichte «Der erste Schnee» besonders gut gefallen. Die Familie ist auf dem Weg in die Skiferien, der Ich-Erzähler hängt immer noch in seiner Arbeit fest. Als er in einer Raststätte nach draussen geht, um telefonisch ein IT-Problem zu lösen, fährt seine Frau mit den Kindern davon, und er macht sich zu Fuss auf. Unbemerkt führt dieser Weg in die Vergangenheit. Es genügt, dass der Autor dies nur in kleinen Détails andeutet. In der Schule, in die der Erzähler gelangt, zeichnet er ein Bild für seine Frau. Am Ende erfahren wir, dass Franziska, seine Frau, dieses Bild als sein schönstes Geschenk an sie bezeichnet.

Das Ungefähre ausdrücken

An dieser Erzählung zeigt sich, wie Peter Stamm die Personen seiner Szenen mit sparsamen Mitteln und einfacher Sprache skizziert. Es sind meistens Menschen «wie du und ich», die er beschreibt, in Situationen, die von Anfang an merkwürdig scheinen oder sich in unerwartete Richtungen bewegen. Manchmal sind es kurze Skizzen, die kaum die Bezeichnung «Erzählung» ausfüllen, manchmal nicht nur skurril, sondern satirisch, «Schiffbruch» zum Beispiel, spielt im Hotel Dolder und zeichnet eine unerwartete Robinson-Crusoe-Szene.

Die atmosphärisch dichteste Erzählung ist die Titelgeschichte. Wir können nur erahnen, was hinter der Suche einer Polizistin steckt, die sich in ein Bergdorf versetzen liess, um einem Ereignis in ihrer Kindheit nachzuforschen. Es bleibt vieles im Dunkeln.

Die Geschichte brilliert durch die Beschreibung der Landschaft und der wechselnden Stimmungen in Nebel, Regen und Wind. Entfernt erinnert das die Leserin an den letzten Roman von Peter Stamm «Weit über das Land», wo ebenfalls eine Wanderung durch unwegsames Gelände eine Rolle spielt.

Peter Stamm: Wenn es dunkel wird. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2020. 192 Seiten.
ISBN 9783100022264

Titelbild: Vexierbild: Kommt uns der Reiter entgegen oder entfernt er sich? Lithographie 1904 aus der Library of Congress (Popular Graphic Art)

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