Wir müssen wohl damit leben, mit Widersprüchen, in Corona-Zeiten erst recht. Magdalena Martullo-Blocher macht es uns anschaulich vor. In einem breiten NZZ-Interview geisselt sie den Bundesrat. Er agiere selbstherrlich, achte weder auf Parlament noch auf das Volk, das leide. Ja, der Bundesrat, getrieben von Alain Berset, habe selbstherrlich eine Diktatur eingeführt. Gleichzeitig hebt sie zu einer Lobeshymne auf China an. Auf China, das Riesenreich mit der grössten, wohl schlimmsten Diktatur auf dieser Welt, gepaart mit einem umfassenden Machtanspruch. Ein Land, in dem es bei Corona-Massnahmen nur eines möglich ist: spuren. Ganze Stadtteile werden rigoros abgeriegelt, wenn es auch nur zu einer Infizierung kommt. Beim staatlich verordneten Testen, beim Impfen gibt es kein Entrinnen; kein Mensch wird um eine Einwilligung gebeten. Ein kommunistischer Staatsapparat zudem, der ganze Volksstämme unterjocht, die Tibeter, insbesondere die Uiguren, die er in Zwangslager steckt, umerzieht, weil Peking eines hat: Angst vor Menschen, die nach Freiheit, Demokratie, Selbstbestimmung lechzen, schlicht Menschrechte einfordern. Für sie, die Unternehmerin und SVP-Politikerin, herrschen demokratische Zustände in der Schweiz wohl erst dann, wenn sie sich durchsetzen, wenn sie autoritär bestimmen kann, wie mit den Corona-Gefahren umgegangen werden muss. Ihre beiden SVP-Bundesräte Parmelin und Maurer nimmt sie in Schutz. Die Frauen im Bundesrat würden die beiden aufrechten Mannen immer wieder überstimmen, die armen.
Seit Jahren lamentieren Experten, selbsternannte Fachleute, im Schlepptau bürgerliche Finanz-und Sozialpolitiker, über den schlechten Zustand der AHV-Finanzen. Sie zeichnen Horrorszenarien an die Wand, behaupten, dass dem beliebtesten Sozialwerk der SchweizerInnen sehr schnell das Geld ausgehe, dass unsere Renten alles andere als gesichert seien. Und siehe da: Die AHV steht trotz Corona nach 2020 ganz solide da. Ein Grund ist das erneut positive Jahresergebnis des AHV-Fonds. Dieser hat im vergangenen Jahr eine Rendite von über 4% erzielt. Da können Kleinsparer nur staunen. Auch die zweite Säule steht weit besser da, obwohl sie immer wieder schlecht geschrieben wird. Die meisten Pensionskassen wiesen Ende 2020 einen Deckungsgrad von über 100% aus. Der Grund: Die Börse brachte erstaunlicherweise auch im Corona-Jahr 2020 weit höhere Gewinne als man annehmen konnte.
Selbstverständlich muss die AHV saniert, selbstverständlich muss auch die 2. Säule neu ausgerichtet werden, sonst gehen den beiden Sozialwerken wegen der demografischen Entwicklung tatsächlich in den späten 30ger-Jahren die Mittel aus, schrumpfen die Reserven. Nur: Bundesrat und Parlament, letztlich auch das Volk, sind in der letzten 20 Jahren nicht in der Lage gewesen, sich auf eine nachhaltige Sanierung zu einigen. Immer wieder stürzten Vorlage bereits im Parlament ab, noch bevor sie vors Volk kamen. Nicht anders geht es mit der zweiten Säule. Ihr langfristiger Reformbedarf ist noch grösser.
Nun werkeln die zuständigen Kommissionen des Ständerates und des Nationalrates wieder einmal an den Reform-Vorhaben herum. Kommen aber nicht vom Fleck. Im Gegenteil. Die Kommission des Nationalrates wies die Vorlage zur zweiten Säule wieder an den Absender, den Bundesrat zurück. Allen ist zwar klar, dass die Reformen unausweichlich sind, nur es fehlt der Wille zur Tat. Widerspruch auf Widerspruch.
Oder auch hier: Die Interessen sind so widersprüchlich, dass die Akteure lieber nichts tun, als das, was zur Einigung notwendig wäre: ein Abrücken von festgefahrenen, eigenen Positionen.
Danke für diesen Klartext Toni Schaller.
Vielen Dank für die klaren Worte.
Mit herzlichem Gruss von Reiseteilnehmer/in der Cubareise 2005.
Peter und Judith Egger
Das ist wirklich ein «Spitzenbeitrag» – echt klärend und glänzend formuliert. Das Empfinden vieler wurde in Worte gefasst. Danke!