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Berner Original in neuem Licht

Die Berner Patrizierin Elisabeth de Meuron hat viele Menschen in ihrer Umgebung geprägt. Begegnungen und Auszüge aus unveröffentlichten Briefen beschreiben die «Grand Dame» in einem neuen Licht.

Madame de Meuron ist weit über Bern hinaus bekannt als schrilles Original, als geizige Patrizierin, arrogant, rückwärtsgewandt, ausserordentlich eigenwillig, zuweilen sogar herrisch. Anekdoten und träfe Sprüche werden ihr zugeschrieben. Die schwarzen Kleider, grossen Hüte, das verbeulte Hörrohr und ihre weissen Windhunde bleiben in Erinnerung. Doch entsprechen diese Klischees tatsächlich der «Grand Dame», die von 1882-1980 in Bern, Rümligen und Amsoldingen lebte?

Elisabeth, 1958, beim Studium von Briefen. Foto: Burgerbibliothek Eugen Thierstein 373/281/6

Die Historikerin und Journalistin Karoline Arn ist in ihrem zweiten Buch über Elisabeth de Meuron auf Spurensuche gegangen. Sie hat noch lebende Zeitzeugen gesucht sowie interviewt und hunderte von Briefen gesichtet. Entstanden ist ein differenziertes Bild der Berner «Grand Dame» mit vielen neuen Facetten. Die Publikation ist bemerkenswert, da sich die Nachkommen bisher heftig gegen neue Veröffentlichungen über das Original gewehrt hatten. Durch sorgfältige Recherchen sowie Rückfragen bei Betroffenen hat die Autorin sichergestellt, dass die notwendigen Einwilligungen vorlagen und die Persönlichkeitsrechte gewahrt wurden.

Lebendig und fassbar

Arns privaten Einblicke in de Meurons «Entourage» machen diese lebendig und fassbar. Die ständige Angst der Pächterfamilie, die Gutsherrin könnte den Vertrag aufkündigen, wird im Gespräch am Küchentisch nachfühlbar. Der Komponist  Jürg Wyttenbach verbeugte sich gerührt nach der Uraufführung des Stücks ‹Der Unfall›, das er zusammen mit Mani Matter im kleinen Häuschen von Madame de Meuron geschrieben hatte und erst jetzt spielen konnte.

Elisabeth mit Besucher, 1958, auf Schloss Amsoldingen. Foto: Burgerbibliothek Eugen Thierstein 373/281/27

Die aufwändigen Recherchen führten die Autorin durch städtisches wie ländliches Milieu zu weiteren bemerkenswerten Persönlichkeiten: Von Mary Lienhard, einer Künstlerin, erfährt Arn, dass die junge Elisabeth nicht nur unter ihrem Vater litt, sondern viel mehr unter ihrer Mutter und deren Krankheit. Dieses Geheimnis nahm «Madame» mit ins Grab. Ein anonymes Gedicht weckt Spekulationen über eine wohl eher platonische Liebschaft de Meurons mit einem Cellisten. Ihr Flair für darstellende Kunst und Musik war bereits bekannt.

Naturschützerin

Von ehemaligen Angestellten auf dem Schlossgut Amsoldingen erfährt man mehr über die Härte der Pachtbedingungen und über das Landleben. Details über die von de Meuron organisierten Concours und deren Unterstützung für den Erhalt der Kavallerie werden im Detail beschrieben. Erlebnisse der treuen Köchin Grittli und der Privatsekretärin Ines Meier machen deutlich, wie wichtig der «Madame» persönliche Beziehungen waren, bei denen sie indes stets den Status-Unterschied zu wahren wusste.

Schlossgut Amsoldingen mit Kirche. Foto Wikipedia

Dass die Bernerin ihrer adeligen Herkunft und der Tradition verpflichtet war, wusste man. Weniger bekannt waren bisher ihr grosses Engagement für den Naturschutz sowie ihre Liebe zu Kindern. So ordnete sie an, dass nur Amsoldinger Kinder im Dorfsee baden durften. Auswärtige seien wegzuweisen. Einen deutschen Studenten, der sich bei der Häuserbesitzerin nach einem Zimmer erkundigte, liess sie vorerst abblitzen, gab dann aber dessen Hartnäckigkeit nach und verwickelte ihren Mieter mit der Zeit immer stärker in Gespräche über Hitler-Deutschland und den Krieg.

Frauenförderin

Das Buch «Die Entourage von Elisabeth de Meuron-von Tscharner» macht auch deutlich, dass die Patrizierin – allen gegenteiligen Behauptungen zum Trotz – den Schritt in die Moderne schaffte, eigenständige Frauen bewunderte sowie förderte und sich Vertrauten öffnete. «Zutage trat eine feinfühlige, engagierte, bis ins hohe Alter interessierte Frau, die sich dort einsetzte, wo sie es für nötig befand: Sie half einzelnen Menschen, setzte sich für einen See ein, wollte möglichst perfekt Kreaturen (Eber) züchten, mischte sich in die Dorfpolitik ein und unterstützte Studenten in ihrem Werdegang», bilanziert die Autorin.

Die Zeitzeugin Züsi Widmer-Steiner, Tochter des Guisan-Fotografen Hans Steiner, der auch de Meuron fotografierte, hat ihre eigenen, ganz persönlichen Erinnerungen an die «Ehrengrossmutter»: «Es sind die einer aufmerksamen, intelligenten, eher introvertierten Dame, die Menschen sehr rasch in ihrem Wesen erkannte. Sie verfügte über einen markanten Humor, der sie oft zu jemandem stempelte, den sie nicht wirklich war, denn sie wusste viel über Spiritualität, Philosophie wie Mythologie und konnte sehr grossherzig sein.»

1927, nach dem Tod ihres Vaters, verkaufte Elisabeth de Meuron ihr Geburtshaus am Berner Münsterplatz an den Kanton. Foto Wikipedia

Elisabeth de Meuron selbst nannte ihr Leben einen «Alptraum»: düster und traurig. Doch die Briefe und Erinnerungen der Zeitzeugen erzählen auch von vielen frohen Augenblicken. Schlussendlich versöhnte sich «Madame» sogar mit sich selbst: In einem Brief an die Künstlerin Mary Lienhard schrieb sie: «Ich habe vielleicht ein schweres Leben gehabt, aber doch so reiche Erinnerungen von grosser Vielseitigkeit, dass mir die Einsamkeit des zurückgezogenen Lebens nicht einsam vorkommt.»

Die Autorin

Karoline Arn: Geb. 1969 in Münchenbuchsee, studierte Geschichte und Philosophie, arbeitet als Redaktorin bei Radio SRF, als Autorin (‹Elisabeth de Meuron-von Tscharner – der Wunsch der Löwin zu fliegen›; ‹Wenn wir uns gut sind – Ruth Seiler-Schwab›) und Filmemacherin (‹unerhört jenisch›, ‹jung und jenisch›, ‹Müetis Kapital›). Sie hat zwei erwachsene Kinder und lebt in Münchenbuchsee.

Die Entourage von Elisabeth de Meuron-von Tscharner, Karoline Arn, Verlag Zytglogge, 432 Seiten, ISBN: 978-3-7296-5061-9

Titelbild: Madame de Meuron mit dem legendären Hörrohr. Foto Wikipedia / Hans Steiner

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