Morgen Freitag wird der Erweiterungsbau des Kunsthaus Zürich eröffnet. Damit bekommt die Stadt nicht nur das grösste Kunstmuseum der Schweiz, der Neubau steht auch für eine moderne, zukunftsweisende Präsentation bildender Kunst. Einzigartig ist zudem das private Engagement: Fast die Hälfte der Baukosten von insgesamt 206 Millionen Franken wurde so finanziert und die international Beachtung findenden Sammlungen sind zum grössten Teil Geschenke oder Dauerleihgaben.
Das erste Mal für das Publikum zugänglich war das von David Chipperfield Architects gestaltete Gebäude am Heimplatz bereits im Frühling mit einer Klanginstallation des Choreografen William Forsythe. Nun aber öffnen sich die grossen Messingportale für die bildende Kunst. Die grosse Eingangshalle, der Mittelpunkt des ganzen Komplexes, ist öffentlich zugänglich, ganz so, wie Kunsthausdirektor Christoph Berger den Neubau am Heimplatz in Zukunft sehen möchte: Offen für alle, mit einem niederschwelligen Angebot, sich auf die Kunst einzulassen.
Markantes Gegenstück zum Altbau
Es ist mit 3640 Quadratmetern Grundfläche und einem Gebäudevolumen von 116740 Kubikmetern ein monumentaler Bau, der da dem bestehenden Kunsthaus gegenübergestellt wurde. Durch die durchgehende vertikale Gliederung mit den grossen integrierten Fensterflächen fügt sich der Komplex aber fast schon filigran in die Umgebung ein.
Die grosse Halle, vom Eingang her gesehen.
Wie gekonnt David Chipperfield mit dem grossen Raumvolumen umzugehen weiss, zeigt sich im Innern: Die von Tageslicht durchfluteten Räume – die bei Bedarf subtil gedimmt werden können – sind im Wesentlichen nach dem Prinzip der Raumflucht, der klassischen Enfilade, gestaltet. «In einem Museum geht es um Bewegung und Innehalten, es braucht eine klare Wegführung, die es erlaubt, sich beim Gang durch die Räume frei zu fühlen», so Chipperfield.
Der Architekt David Chipperfield an der Medienpräsentation.
So frei, möchte man anfügen, dass nebst der Betrachtung der Kunstexponate immer auch wieder ein Blick nach draussen möglich ist: Auf den belebten Heimplatz, oder, nach hinten hinaus, in den zwischen Erweiterungsbau und Kantonsschule angelegten Garten, der für Veranstaltungen genutzt werden kann.
Mit seinem alten Baumbestand bildet er eine Oase der Ruhe und soll, nach einem Entwurf der belgischen Landschaftsarchitekten Wirtz International, so gestaltet werden, dass er öffentlich genutzt werden kann. 2022 wird dort überdies die Ausstellung «Niki de Saint Phalle» eingerichtet werden. Die Gestaltung des Gartens sei, so Christoph Becker an der Medienpräsentation, ein grosses Anliegen der seit 1.Juli amtierenden Präsidentin des Kunsthauses, Anne Keller-Dubach gewesen, die vor zwei Wochen ganz unerwartet verstorben ist.
Sammlungen als Grundpfeiler
Eine wichtige Aufgabe des Erweiterungsbau ist die adäquate Präsentation der Sammlungen. Allen voran die 170 Werke aus der Stiftung Bührle, aber auch die Sammlungen von Werner Merzbacher, Hubert Looser und Ferdinand und Karin Knecht, denen allen eigene Bereiche und Saalfolgen zugeordnet sind.
Blick in die Sammlung Looser.
Im zweiten Stock ist es die Sammlung Bührle, die in nicht chronologischer, aber sehr stimmigen Abfolge präsentiert wird. Schön ist dabei der Hintergrund: Graue Wände, die – gegen oben immer mit einem Betonfries abschliessend – von Raum zu Raum heller werden, bis zum fast kontemplativen hellen Raum mit den drei Seerosenbildern von Claude Monet – zwei sind ein Geschenk von Emil Bührle an das Kunsthaus (1952), eines stammt aus der Sammlung Bührle.
Immer noch offenen Fragen
Ein Einschub: Dass der Name Bührle und der Umstand, dass dieser Sammlung sehr viel Platz eingeräumt wird, immer noch ein heisses Thema ist, zeigte sich an der Medienkonferenz. Im Anschluss an die Reden wurden einzig Fragen zu dem Industriellen – neues Stichwort Zwangsarbeiter – gestellt. Stadtpräsidentin Corine Mauch und Christoph Becker verwiesen auf den für eine Kunstpräsentation fast einmaligen Dokumentationsraum und darauf, dass die – extern vergebene – Aufarbeitung dynamisch ist und noch nicht als beendet betrachtet werde. «Wenn uns etwas nicht gehört, dann geben wir es auch zurück», so Becker.
Aber zurück zu den Sammlungen: Im ersten Stock gibt es ein Wiedersehen – oder einen neuen Kontakt – mit Bildern der Sammlung Merzbacher mit den bunten Gemälden der Fauves und Expressionisten, und ganz neu mit einer Version von Pipilotti Rists «Turicum Pixelwand» (2021) und der Sammlung Looser mit moderner und zeitgenössischer Kunst aus Europa und den USA.
Hodler und Segantini teilen sich einen Raum mit einer Rodin-Plastik.
Es gibt viel zu sehen im Chipperfieldbau des Kunsthauses. Werke von Pablo Picasso, die wunderbar mit der dezenten Lichtrasterung des Raums korrespondieren, Ferdinand Hodler und Giovanni Segantini, die sich einen Raum teilen mit einer Skulptur von Auguste Rodin. Witzig ist der tapezierte Raum – die Tapete ist eine Leihgabe! – mit riesigen Objekten in Kupfer des vietnamesischen-dänischen Künstlers Danh Vö.
Blick über den Heimplatz zum Kunsthaus-Altbau. Dominant Piplotti Rists «Strahlender Mast», mit dem abends der Neubau mit einem Lichtspiel verzaubert wird.
Für ein paar Monate ist überdies die Sonderausstellung «Earth Beats» zu sehen, ein künstlerisches Plädoyer zum Schutz der Erde und ihrer Ressourcen. Es ist nicht der einzige Beweis, dass sich das erweiterte Kunsthaus nicht auf seinen grossartigen Sammlungen ausruht oder rückwärtsgewandt ist. Nur, und das muss auch gesagt werden: Die Blockbusters, die Publikumsrenner der vergangenen Jahre – und auf diese ist ein marktwirtschaftlich arbeitender Betrieb angewiesen – waren nicht experimentelle Kunstpräsentationen, sondern in aller Regeln die guten alten Werte. Aber die sind ja jetzt prominent vertreten im neuen Kunsthausbau und vielleicht sind sie auch ein bisschen Türöffner für neue Kunstströmungen.
Eine Frage zum Schluss: Was hat es mit diesem Türknauf auf sich? (alle Bilder im Text b.r.)
Am kommenden Samstag und Sonntag lädt das Kunsthaus zum Tag der offenen Tür. Dank Audioguides – rund 18 Stunden Informationen sind darauf gespeichert – für Kinder und Erwachsene bieten sich auch unkomplizierte Auseinandersetzungen an mit klassischer und moderner Kunst.
Heute konnte ich dem Kunsthaus meinen ersten Besuch abstatten. Ich bin leider enttäuscht. Man hat geglaubt, es gebe viel Platz für die privaten Sammlungen, die da ausgestellt sind, aber nun musste ich feststellen, dass die Bilder so dicht gehängt wurden wie in einer mittelmässigen Verkaufsausstellung. Ich hatte das Gefühl, in einem grossen Warenhaus mit vielen Shops in the Shop zu stehen. Schade und erst noch sehr teuer im Unterhalt für die Stadt Zürich.
Noch zur Sammlung Bührle: Vor Jahrzehnten nahm ich an einer Führung noch in der Villa am Römerholz teil. Der begeisterte Kommentar der Kuratorin ist mir noch heute im Ohr: „Die versammelte Schönheit Europas!“. – Umstritten ist meiner Meinung nach der Sammler, nicht die Sammlung.
Es soll gestohlene Bilder von Juden in der Bührle-Sammlung haben. Weggenommen oder durch erzwungenen Verkauf ergattert: So eine Ausstellung geh ich nicht anschauen. Da sollte sich Zürich schämen, finde ich!