StartseiteMagazinKulturGlauben bis in den Tod

Glauben bis in den Tod

Stimmlich grandios besetzt, subtil inszeniert und spannungsgeladen dirigiert, das ist die Zürcher Neuproduktion von Francis Poulencs Oper «Dialogues des Carmélites».

Ein guter Opernstoff sieht anders aus. Dass Francis Poulenc (1899-1963) 1956 für seine zweite Oper ausgerechnet Georges Bernanos Drama «Dialogues des Carmélites» zu einem Libretto einrichtete, hatte mit seiner persönlichen Lebenssituation zu tun: Er war krank und hatte Angst vor dem Sterben.

Die Geschichte spielt in einem Karmeliten-Kloster, das im Sturm der französischen Revolution säkularisiert wurde. Wir befinden uns also in der Abgeschiedenheit eines Klosters. Alles geschieht in geschlossenen Innenräumen, es kommt keine tragische Liebe vor, keine heldenhafte Tat. Die Nonnen entschliessen sich, ihrem Glauben und ihrem Gelübde treu zu bleiben und den Märtyrertod zu sterben. Zum Schluss wird eine nach der andern zum Schafott geführt und enthauptet.

Dialoge statt ariose Kunst

Dominiert wird dieses Klosterleben von der krankhaft ängstlichen Blanche, die im Kloster Sicherheit und Geborgenheit sucht. Musikalisch kommt es deshalb auch weniger zu ariosen Höhenflügen. Es sind vielmehr die Dialoge der Nonnen, mit lauter Frauenstimmen also, die das musikalische Geschehen prägen.

Die junge Novizin Blanche (Olga Kulchynska) lotet die ganze Gefühlspalette von der lyrischen Sanftheit, über die Verzweiflung bis zur stillen Resignation voll aus.

Und genau hier, im Ausdifferenzieren all dieser weiblicher Stimmen, offenbart sich die Originalität des Komponisten Poulenc. Er zählt zu denjenigen, die sich beim Durchbruch der musikalischen Moderne neoklassizistisch orientierten, also tonal blieben, gleichzeitig aber mit ungewohnten Farben und Rhythmen überraschten und das gerne mit Witz und Humor.

Eine Regie, die der Musik vertraut

In der Zürcher Neuproduktion vertraut Regisseurin Jetske Mijnssen Poulencs Differenzierungskraft. Die zwölf Bilder des Librettos spielen in einem Einheitsbühnenbild, in einem hohen, fast leeren Raum. Ob die Nonnen im Kloster, am Krankenbett der Priorin oder im Kerker sind, die grauen Mauern bleiben, einmal mit, einmal ohne hohe Fenster und Tore (Bühne: Ben Baur).

Graue Mauern, karge Räume – Bühnenbildner Ben Baur setzte das Drama adäquat in Szene.

In dieser kargen Klosterwelt führt Mijnssen ihre Figuren mit grosser Sorgfalt. Jeder Gang, jedes dialogische Aufeinandertreffen, jede Gruppenchoreografie ist vielsagend und musikalisch zwingend. Die Nonnen sind alle mit grauem Übergewand und hellem Unterrock gekleidet (Kostüme Gideon Davey), man kann sie von weitem kaum voneinander unterscheiden. Doch jede entfaltet im Laufe des Abends eine unverwechselbare Identität.

Der Todeskampf der Priorin

Nehmen wir die junge Novizin Blanche und die kranke alte Priorin des Klosters. Evelyn Herlitzius, eine der grossen Wagner-Sängerinnen unserer Zeit und in Zürich als Elektra in bester Erinnerung, verlieh der Alt-Partie der Priorin eine starke und zugleich gebrochene Kraft. Darstellerisch und sängerisch ging sie dabei an ihre Grenzen, den verzweifelten Todeskampf, den sie im vierten Bild inmitten der Schwestern führt, sang sie mit grossartigem Risiko und stimmlicher Bravour.

Die sanfte Blanche ist ihr gegenüber nicht weniger stark, sie will ins Kloster und setzt sich auch durch. Olga Kulchynska, als Ensemblemitglied in Zürich längst auf den grossen europäischen Opernbühnen erfolgreich, gestaltet diese anspruchsvolle Hauptpartie zu einem schillernden Charakter. Die Entwicklung von der lyrischen Sanftheit über die Verzweiflung bis zur stillen Resignation singt sie mit bewundernswerter Ruhe und reichhaltiger Farbpalette.

Szenenbild mit Soeur Constance (links, Sandra Hamaoui)) und Tänzerinnen.

Ihr zur Seite stellt Poulenc die lebensfrohe Constance, die wie Blanche Novizin ist. Sandra Hamaoui verleiht dieser eine frische Fröhlichkeit in dunkler Umgebung, agil und glockenrein gesungen. Auf Blanche bezogen ist auch ihr Bruder, der sie aus dem Kloster holen will. Der Tenor Thomas Erlank tut dies mit ergreifendem Flehen. Verbreitet die Altistin Alice Coote als Mutter Maria mit weichem Timbre mütterliche Wärme, so bringt Inga Kalna als neue Priorin herrische Strahlkraft mit. Jede dieser Nonnen-Figuren hat ein unverwechselbares stimmliches Profil.

Plastisch und transparent

So gut entfalten können sich die Sänger-Darstellerinnen auch wegen der ruhig fliessenden, klanglich sehr plastisch ausformulierten Partitur durch den Dirigenten Tito Ceccherini. Das Philharmonische Orchester folgt seinen Intentionen mit grosser Aufmerksamkeit, die von Poulenc in allen farblichen Schattierungen geforderten Bläser trumpfen immer wieder prägend auf. Dennoch bleibt der Klang transparent und trägt die Sängerinnen, wobei Ceccherini auch die martialischen Töne der Revolution dramaturgisch effektvoll ausspielt. So vermag er die Spannung über die drei Stunden hinweg bravourös aufrecht zu erhalten.

Eindrucksvoll die Schlussszene: Die Nonnen, hier die Novizin Blanche, schreiten eine nach der andern zum Schafott – und wischen im Vorbeigehen ihren Namen an der Wamd aus. (Alle Bilder Opernhaus Zürich/Herwig Prammer)

Und dann ist sie da, die brutale Schlussszene, in der die Nonnen nacheinander zum Schafott schreiten. Der Chor wird immer kleiner und leiser, das fallende Beil zischt jedes Mal scharf, doch Jetske Mijnssen schlachtet das nicht aus. Bei ihr haben die Nonnen ihre Namen mit schwarzer Kohle auf die Kerkerwand geschrieben, und jede, die zum Schafott schreitet, wischt beim Hinausgehen mit der blossen Hand ihren Namen aus – tief beeindruckend.

Weitere Aufführungen: 17, 19, 25, 27. Februar, 3, 5, März

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