StartseiteMagazinKolumnenDie Wiederholung sei die Mutter der Studierenden

Die Wiederholung sei die Mutter der Studierenden

Im Lehrerseminars Schwyz, wo ich meine Ausbildung absolvierte, sorgte der Präfekt
im Studiensaal für Ruhe und Ordnung. Langweilten wir uns sichtlich und trödelten
herum, rief er: «Repetition est mater studiorum». Er erinnerte uns, dass wir genug zu
tun hätten. Der Deutschlehrer stellte uns etwa das Auswendiglernen eines Gedichtes
als Aufgabe, zum Beispiel eine Ballade von Schiller. Ohne die Reime zu repetieren,
hafteten diese nicht im Gedächtnis. Das Gedicht wurde in der Deutschstunde
abgefragt.

Gedichte auswendig zu lernen, war mühsam. Allmählich beglückten mich aber Verse,
Textstellen aus Wilhelm Tell und Faust und ich lernte sie freiwillig auswendig. Im
Schauspiel «Wallenstein» beobachten Offiziere und Soldaten ihren Heerführer und
Schiller formuliert einen satten Reim: «Wie er sich räuspert und wie er spuckt, das
haben sie ihm gründlich abgeguckt.» Ich mochte Gedichte und lernte auch viele, vor
allem von Goethe, auswendig und konnte in jungen Jahren mein Gegenüber oftmals
mit einem Augenzwinkern mit passenden Versen beeindrucken.

Die Eigenheit eines Menschen und der Charakter entstehen durch Wiederholung
seiner Handlungen. Wie gut klingt Goethes Vers: «Und solang’ du dies nicht hast,
dieses: stirb und werde! Bist du nur ein trüber Gast auf der dunklen Erde». Dieser
Vers spricht den tiefen Grund der Existenz an. Als ich mich aus der Politik zurückzog,
fiel er mir ein. Ich wollte auf keinen Fall ein trüber Gast auf der Erde werden.

Wir beklagen heute das Tempo und die Hetze, die uns dauernd vorantreiben. Die
Reizüberflutung ist wie die Peitsche der virtuellen Welt. Sie verhindert zu verweilen.
Die Informationsflut zerflattert in unserem Denken, sodass sie rasch verschwindet.
Die Wiederholung hat einen anderen Charakter. Sie bringt Wesentliches ans Licht
des Lebens. Ohne sie gedeihen keine Bindungen, Freundschaften und Beziehungen.
Digitale Informationen, Botschaften und Nachrichten täuschen Realität vor, bleiben
aber virtuell und sind kaum fassbar. Sie sind nicht beständig. Die Landschaft im
Wechsel der Tage scheint zwar die immer gleiche, aber sie langweilt uns nie. Wege,
die wir immer wieder gehen, verleiden uns kaum, denn das Licht malt sie immer
wieder neu. Wir fühlen uns auf ihnen wohl.

Durch Wiederholung gewinnen wir Sicherheit. Warum hängen wir in unserer
Wohnung Bilder und Kunstgemälde auf? Nicht nur aus ästhetischen Gründen,
vielmehr weil sie Erinnerungen wachrufen. Sie kennzeichnen den Ort, in dem wir frei
sind; eine kleine Welt, die die unsere ist. In ihr sind wir daheim. Ohne sich
wiederholendes, zum Teil latentes Wahrnehmen der gleichen Gegenstände um uns
herum könnten wir wohl kaum ruhig bleiben. Die gleichbleibende Umgebung gibt uns
Halt und bedeutet uns sinnlich gegenständliche Welt und Dauer., genauso wie dies
Rituale und Tradition tun.

Gedichte, Lieder und Gebete, die wir uns eingeprägt haben, schenken Gefühle der
Dauer und widerstehen dem flüchtigen Strom der Reize und der Neuheiten. Was an
uns täglich vorbeistürzt oder uns überstürzt, bleibt nicht. Gute Worte im Gedächtnis
hingegen ernähren uns wie das tägliche Brot. Ein Baum vor unserem Haus kann dies
auch leisten. Wird er gefällt, leiden wir am Verlust. Er beruhigt nicht bloss das Auge,
er erinnert uns auch daran, dass das Leben einen langsamen Rhythmus braucht, um
seine Kraft zu entfalten. Wir erleben an ihm den Wechsel der Jahreszeiten jedes
Jahr neu. In einer Welt der flüchtigen Information liegt selten Kraft, die uns stärkt. Die
Zeit wird nicht, was wir Dauer nennen können. Dauer ist auf die Wiederholbarkeit von
guten Worten und Dingen angewiesen. Der Präfekt hatte recht, wenn er mahnte,
dass die Repetition die Mutter des Bleibenden sei.

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