Warum ist der Himmel blau? Und verändert sich seine Farbe unter dem Einfluss des Menschen? Die Kunstschaffenden Christina Hemauer und Roman Keller beschäftigen sich seit acht Jahren mit diesen Fragen.
Das Nidwaldner Museum widmet dem Künstlerduo die erste Übersichtsausstellung zur Thematik. Gleichzeitig gehen Hemauer/Keller in Stans neuen Himmelsspuren nach.
Die beiden Künstler Christina Hemauer und Roman Keller beobachten den Nidwaldner Himmel
Selten fragen wir uns, warum der Himmel blau ist, ob er immer schon blau war und es für immer bleiben wird. In der neuen Ausstellung im Winkelriedhaus setzt sich das Künstlerduo Hemauer/Keller künstlerisch mit dem Himmelsblau auseinander.
Hemauer/Keller, Observing Human Skies, 2022, Ausstellungsansicht. Mit einer Kamera wird auf dem Museumsdach alle 30 Sekunden ein Bild über Stans gemacht und in die Ausstellung übertragen
Schon 2015 haben sie Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen befragt. Nun gehen sie erstmals auch kulturgeschichtlichen und religiösen Aspekten des Begriffs Himmel nach. Während nämlich im Englischen zwischen «Sky» und «Heaven» unterschieden wird, begnügt sich das Deutsche mit nur einem Begriff. Ob der Luftraum über uns gemeint ist oder aber der «Wohnort» Gottes, bleibt unbestimmt.
Hemauer/Keller, Voyages atmosphériques (Concerning the Blueness of the Sky), 2016, Ausstellungsansicht.
Der Blick in die Sammlung des Nidwaldner Museums offenbart denn auch die vielschichtigen, sich wandelnden Bedeutungen des Begriffs «Himmel». Hemauer/Keller haben Werke aus dem 18. und 19. Jahrhundert ausgewählt, einer Zeit, in der sich das Verständnis von Himmel und Erde unter dem Einfluss der Naturwissenschaften stark veränderte.
Ex voto, datiert 1764, Öl auf Holz, Nidwaldner Museum
Dazu gehören Arbeiten von Melchior Paul von Deschwanden (1811–1881), Jakob Joseph Zelger (1812–1885) sowie Votivbilder, sog. Exvoto. Letztere wurden zum Dank für die Errettung aus einer Notsituation angefertigt. Der Himmel ist hier noch Hoffnungsbegriff und Heilsort, der dem in Not geratenen Menschen Hilfe verspricht.
Jakob Joseph Zelger (1812-1885) Ansicht Stanser Boden, 19. Jh. Öl auf Leinwand, Nidwaldner Museum
Herzstück der Ausstellung ist die raumgreifende Installation Voyages atmosphériques im Pavillon. Eine grosse Videoprojektion zeigt abstrahierte Bilder der Stratosphäre. Hemauer/Keller haben sie mit Hilfe eines selbstgebauten und mit Kameras bestückten Solarballons aufgenommen.
Die Besucherinnen und Besucher verändern das Bild durch die Geräusche, die sie verursachen. Auf subtile Weise wird die Interaktion von Mensch und Umwelt thematisiert. Denn der Mensch verändert durch seine Aktivitäten die Zusammensetzung der Atmosphäre und wohl auch die Himmelsfarbe. So fügen Hemauer/Keller der Geschichte des Himmels ein neues Kapitel hinzu: Der Mensch ist im Anthropozän angekommen und zum Klimafaktor geworden.
Ex voto, datiert 1764, Öl auf Holz, Nidwaldner Museum
Der Genfer Naturforscher Horace Bénédict de Saussure (1740–1799) entwickelte bereits um 1780 ein Instrument zur Bestimmung der Himmelsbläue, das Cyanometer, das u.a. von Alexander von Humboldt und Johann Wolfgang von Goethe benutzt worden ist. Dennoch stellt die Farbe des Himmels bis dato keine wissenschaftliche Grösse dar. Hier springen die Kunstschaffenden in die Bresche. Ein eigens entwickelter Apparat, der auf dem Museumsdach platziert ist, macht alle 30 Sekunden Fotos vom Himmel und überträgt sie in die Ausstellung. Ausserdem setzen die Kunstschaffenden ihre Beschäftigung mit dem Himmel durch ortsspezifische Interventionen fort und eröffnen überraschende neue Einsichten.
Christina Hemauer (*1973) und Roman Keller (*1969) leben in Zürich und arbeiten seit 2003 künstlerisch zusammen. Christina Hemauer studierte an der ZHdK und an der Kunstakademie Gent, Belgien. Roman Keller studierte Umweltnaturwissenschaften an der ETH Zürich und verfügt über eine Ausbildung in Fotografie. Hemauer/Keller präsentierten ihr Schaffen in Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland, beispielsweise im Aargauer Kunsthaus, in der Kunsthalle Arbon, im CAPC musée d’art contemporain de Bordeaux oder im Centre culturel suisse, Paris.Die Ausstellung im Winkelriedhaus dauert bis 7. August 2022.
Fotos: Josef Ritler