StartseiteMagazinKulturPaul Klee aus ungewohnter Sicht

Paul Klee aus ungewohnter Sicht

«Leuchtendes Geheimnis – Kinder kuratieren Klee», so heisst die Ausstellung, die eine Gruppe von Kindern im Zentrum Paul Klee Bern erarbeitet hat.

Es ist ein gewagter Schritt, doch bei näherem Hinsehen weniger erstaunlich, als es scheinen mag: Das Zentrum Paul Klee hat ein Pionierprojekt realisiert, das in der Schweiz erstmals in dieser Art durchgeführt wird: Eine Gruppe von Kindern aus der Umgebung von Bern beschäftigt sich in wöchentlich stattfindenden Workshops damit, eine grosse Klee-Ausstellung zu entwickeln. Die Kinder sind die Hauptakteure, sie wirken unter Anleitung von Kurator Martin Waldmeier und einem Team des Creaviva massgeblich an der Gestaltung der Ausstellung mit, angefangen bei der Idee, der Erarbeitung des Konzepts bis zur Hängung der Bilder. Acht Monate haben die 13 Kinder an dem Projekt gearbeitet. – Alle haben durchgehalten.

Wer das Museum kennt, weiss, dass das Creaviva, das «Kindermuseum», einen wichtigen Platz im Zentrum Paul Klee einnimmt. Das Creaviva versteht sich weniger als Museum, sondern als Raum für interaktive Gestaltung. In den letzten Jahren wurden dort neben den üblichen Projekten für Kinder Begleitprogramme zu entsprechenden Ausstellungen konzipiert, die besonders den Wunsch junger Menschen berücksichtigen, sich selbst kreativ einzubringen.

Workshop «Kinder kuratieren Klee» im Ausstellungsraum © Martin Waldmeier, Zentrum Paul Klee, Bern

Nicht zuletzt hätte die Anregung zu diesem Projekt von Paul Klee selbst kommen können. Er interessierte sich sehr für den Blick von Kindern auf die Welt. Sein Sohn Felix war ihm dafür «Lehrmeister». Paul Klee liess sich gern von ihm inspirieren. Im Laufe seiner künstlerischen Entwicklung hatte Klee seine eigenen Kinderzeichnungen entdeckt und behandelte sie wie seine späteren Werke. Klee war nicht der einzige Künstler seiner Generation, der sich dafür interessierte, wie Kinder sich malend und zeichnend ausdrückten, Gabriele Münter – mit der Familie Klee befreundet – sammelte ebenfalls Kinderzeichnungen.

Ziel des Projekts war es, einen neuen Blick auf Paul Klee zu bekommen. Dabei haben die Kinder in allen Stufen der Vorbereitung wertvolle Impulse gegeben. Der erste Schritt bestand darin, ein «Empfangsbild» auszuwählen. – Die Kinder hatten sich entschieden, ein besonderes Bild an den Anfang zu stellen. Die Ausstellung sollte sich aus diesem Bild heraus entfalten. Die Frage war also: Welches Werk hat am meisten Potential, daraus eine Erzählung zu entwickeln und in der Ausstellung einen roten Faden zu spinnen.

Paul Klee: «Glas-Fassade». 1940, 288. Wachsfarbe auf Jute auf Leinwand. (71,3 x 95,7 cm) Zentrum Paul Klee, Bern.

Gewählt wurde ein spätes Werk Glas-Fassade (geschaffen 1940). Klee malte es, als er schwer krank und sich bewusst war, dass ihm nicht mehr viel Lebenszeit blieb. Die Kinder wählten das Bild wegen der Farben und der interessanten Gestaltung aus, von Klees Krankheit wussten sie wohl nichts. Darum ging es auch gar nicht. Das Team um Martin Waldmeier hatte sich das Ziel gesetzt, zutage zu bringen, worauf Kinder gut ansprechen. Intuitive Zugänge, Farben, Gefühle, Zeichen standen im Vordergrund.

Paul Klee: Kinder-Gruppe «wir sind da!», 1940, 62. Kreide auf Papier auf Karton (29,6 x 20,9 cm) Zentrum Paul Klee, Bern

Stets war es dem Team wichtig, die Kinder zu erfassen, sie ernst zu nehmen. Sie sollten im Laufe des Projekts fähig werden, selbst entscheiden zu können. Das konnten wir bei unserem Besuch beobachten: Ein paar Tage vor Ausstellungsbeginn sollten die Bilder an den richtigen Platz gehängt werden – und in der richtigen Höhe! Das war gar nicht so einfach. Wenn das Bild auf Augenhöhe eines Erwachsenen gehalten wurde, schienen die gefragten Kinder das für die richtige Höhe zu halten. – Erst nach mehreren Versuchen erkannten sie, dass sie selbst besser mit dem Bild in Kontakt kamen, wenn es auf ihrer Augenhöhe hing.

In den Workshops der Anfangsphasen geschah vieles experimentell. Bekanntlich hat Klee seinen Bildern originelle und sprechende Titel gegeben. Damit spielten die Kinder und schufen aus den Titeln Gedichte, die anstelle von Saaltexten neben den Bildern hängen – sich aber nicht unbedingt auf das einzelne Bild beziehen. Wichtig blieb immer der intuitive, spielerische Zugang. Die Erwachsenen erwarteten keinerlei Vorwissen. Diese Direktheit, erklärt Martin Waldmeier, ist ganz im Sinne von Paul Klee.

Paul Klee, Rückseite von «Glas-Fassade» (Mädchen stirbt und wird), 1940, 288 (71,3 x 95,7 cm), Zentrum Paul Klee, Bern

Die Überraschung für alle Beteiligten fand sich auf der Rückseite des Eingangsbildes: Klee hatte für Glas-Fassade ein unfertiges Bild benutzt – nicht unüblich bei ihm. Er hatte das vorherige Bild mit rosa Farbe übermalt, die im Laufe der Jahrzehnte abgeblättert war, so dass man nun gut erkennen kann, was er ursprünglich gemalt hatte, denn einen Titel hatte er dem Entwurf schon gegeben: Mädchen stirbt und wird. (1940). Rätselhaft, wie viele Titel bei Klee.

Nun begann eine spannende detektivische Suche nach diesem «Mädchen», heute würden wir sagen, nach der jungen Frau. Die ganze Geschichte erfährt man beim Besuch der Ausstellung. Hier nur so viel: Es handelt sich um Karla Grosch, eine enge Freundin der Familie Klee. Sie musste 1933 aus Deutschland fliehen und starb kurz danach in Palästina bei einem Badeunfall.

Paul Klee: Ohne Titel (Bimbo), um 1933, Bleistift und Kleisterfarbe auf Papier (17,8 x 26,9 cm), Zentrum Paul Klee, Schenkung Livia Klee.
Bimbo war Klees Lieblingskatze, ein Geschenk von Karla Grosch, die ihre Katze nicht in die Emigration mitnehmen konnte.

Die Gestaltung des Ausstellungsraums oblag den Kindern ebenfalls. Keine leichte Aufgabe, denn die Räume in Renzo Pianos Bau sind sehr hoch und luftig, Klees Bilder zumeist eher kleinformatig. Um der Gruppe eine solche Aufgabe vorstellbar zu machen, wurde ein Modell gebaut. Es gab überraschende, aber nicht immer realisierbare Einfälle, was aus jugendlicher Sicht erstrebenswert wäre: unter anderem ein Podest bauen, so dass man die Ausstellung von oben anschauen könnte, einen Ort der Ruhe und des Zusammenkommens schaffen, einen Getränkeautomat aufstellen. – Die Kinder wirkten keineswegs abgehoben. Auf meine Frage, ob er denn später auch künstlerisch arbeiten wolle, antwortete ein 10-jähriger Junge spontan, nein, er wolle Fussballer werden oder etwas mit Biologie machen. Doch die Nachmittage im Zentrum Paul Klee hätten ihm viel Spass gemacht.

«Leuchtendes Geheimnis. Kinder kuratieren Klee.» Zentrum Paul Klee Bern
vom 22. Mai bis 4. September 2022. Mit vielseitigem Begleitprogramm.

Titelbild: Workshop «Kinder kuratieren Klee» im Depot © Martin Waldmeier, Zentrum Paul Klee, Bern

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