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Engagiert unterwegs!

Bettina Kläy (geb. 1954) hat ein abwechslungsreiches Leben hinter sich, ist momentan sehr engagiert, hat keine Angst vor der Zukunft und fürchtet auch nicht den Tod. Sie hat Seniorweb einen Einblick in ihr Leben gewährt.

Seniorweb: Wir sind uns an einer Freiwilligentagung der Schweizerischen Gemeinnützigen Gemeinschaft (SGG) begegnet. Sie machen offenbar Freiwilligenarbeit. Was tun Sie?

Bettina Kläy: Da ist zunächst das «Tischlein deck dich», eine Lebensmittelabgabe an Bedürftige. Dort bin ich seit drei Jahren in Bern West eingeteilt und liebe diese Arbeit, weil wir guten Kontakt haben zu den Bezügerinnen und Bezügern der Lebensmittel und so einen Beitrag leisten können gegen die Lebensmittelverschwendung und gegen die Armut.

Bettina Kläy (zweite von links) beim «Tischlein deck dich!»

Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Ich habe eine Ausschreibung bei Benevol gesehen. Bei Benevol habe ich ein Gratis-Suchabonnement und erhalte fast täglich Offerten für ehrenamtliche Tätigkeiten.

Was ist Ihr Stundenaufwand pro Woche?

Rund drei Stunden.

Engagieren Sie sich noch woanders?

Ich mache noch mit bei Innovage. Das ist eine gesamtschweizerische Institution, in welcher ehemalige Führungskräfte in sozialen oder kulturellen Projekten beratend Unterstützung leisten. Das können neue Projekte sein oder langjährige Organisationen, die bisher erfolgreich waren, aber sich plötzlich mit neuen Problemen konfrontiert sehen. Bedingung für unsere Beratung ist das gemeinnützige Engagement der Auftraggeberinnen und Auftraggeber.

Daraus schliesse ich, dass Sie selbst früher Führungskraft waren. Können Sie uns aus Ihrem Arbeitsleben berichten?

Ich studierte Rechtswissenschaften und Journalismus. Neben dem Anwaltspatent machte ich noch einen Abschluss als Mediatorin. Dann arbeitete ich in verschiedenen Branchen. Zunächst war ich unter Peter Arbenz im Flüchtlingswesen tätig und war dort zuletzt Sektionschefin. Vor allem hatte ich die Dossiers von türkischen Asylbewerbern zu bearbeiten. Die Türkei war mein Spezialgebiet. Danach war ich beim VBS (Verteidigungsdepartement) stellvertretende Leiterin Personalrecht. In dieser Funktion war es meine Aufgabe, den Personalabbauprozess rechtlich zu begleiten.

Hatten Sie denn Beziehung zur türkischen Kultur oder reden Sie türkisch?

Ich war mehrmals in der Türkei, wir hatten damals viele Asylbewerbungen aus der Türkei und ich habe die Sprache im Ansatz gelernt und mich intensiv mit den Asyldossiers und deren Abklärungen beschäftigt.

Haben Sie Kinder?

Ja, zwei. Als die Kinder klein waren, habe ich teilzeitlich als Dozentin sechs Jahre lang Rechtskunde unterrichtet am Inselspital und auch an der Berufs-, Fach- und Fortbildungsschule in Bern. Zuletzt vor der Pensionierung war ich Generalsekretärin eines Schweizerischen Verbandes.

Wie haben Sie Familien- und Berufsarbeit auf diesem hohen Niveau miteinander kombinieren können?

Als die Kinder klein waren, habe ich zunächst als juristische Fachkraft oder Dozentin anfänglich nur ca. 40% gearbeitet. In Führungsposition war ich, bevor die Kinder zur Welt kamen und als sie schon grösser waren. Mein Mann konnte nicht reduzieren, er hat immer 100% in der Privatwirtschaft gearbeitet. Dann kauften wir ein eigenes Geschäft und er war noch mehr belastet von montags bis samstags. Ich hatte also keine Entlastung durch ihn, dafür umso mehr von meiner Mutter und meiner Schwiegermutter, die glücklicherweise in der Nähe wohnten. Zudem machte ich gemeinsame Mittagstische mit Kolleginnen, was die Familienarbeit erleichterte. Die Grosseltern haben das Zusammensein mit ihren Enkeln immer sehr genossen und fühlten sich nie in die Pflicht genommen.

Kommen wir zurück in die Gegenwart. Wie gross ist Ihr Zeitaufwand für Innovage?

Einmal pro Monat haben wir eine Sitzung, alle zusammen, ca. drei Stunden. Im Moment begleite ich zwei Projekte, das «Generationentandem» und «Unverpackt Bern». Der Zeitaufwand ist ca. drei/vier Wochenstunden pro Projekt.

Das genügt – oder?

Gut, ich verwalte noch eigene Wohnungen. Das ist nicht Freiwilligenarbeit, aber relativ aufwändig, aber auch sehr spannend.

So gesehen war Ihr Übergang vom Arbeitsleben ins Rentnerdasein wohl nicht dramatisch, da Sie vor und nach der Pensionierung intensiv beschäftigt waren. Erfahrungen der «Altersguillotine», der «Altersdepression» oder dass man sich abgestellt vorkommt, sind Ihnen wohl fremd.

Für mich war der Übergang eine grosse Erleichterung, ich musste nicht mehr führen und kann jetzt meine Aktivitäten freier kombinieren. Als Bewegungsmensch geniesse ich es, nicht mehr einen Grossteil des Tages vor dem Computer sitzen zu müssen.

Sie sind ein Bewegungsmensch. Wie erhalten Sie Ihre Gesundheit?

Bettina Kläy vor dem Frauenlauf in Bern. 

Bewegung ist für mich sehr wichtig, auch psychisch. Ich jogge regelmässig, gehe auch an Volksläufe, wie den Altstadt Grand Prix Bern. Zudem turne ich jeden Tag für den Rücken, ohne dass dies ein Arzt vorgeschrieben hätte. Ich steige Treppen und gehe gern zu Fuss. Zudem haben wir ein Schiff, sind viel auf dem See und schwimmen.

Haben Sie ein Morgenritual?

Zuerst hole ich die Zeitung, drei Stockwerke ohne Lift runter und rauf, dann ein Kaffee, dann ca. 20 Min Turnen – eine Reihe von frei erfundenen Übungen. Als die Kinder klein waren, hatte ich oft Rückenschmerzen, die sind jetzt weg und ich gehe kaum mal zum Arzt.

Sie sind jetzt 68. Leben Sie ganz und gar in der Gegenwart oder schauen Sie auch in die Zukunft, auf das Ende des Lebens?

Meine Mutter hat den Freitod gewählt. Ich war Gründungsmitglied von Exit und habe mich sehr mit diesen Themen befasst. Ich bin verwitwet, nehme jedes Jahr als Geschenk und wenn ich heute sterben müsste, wäre das auch okay. Ich hatte bisher ein tolles Leben und auch während Corona ängstigte ich mich nicht vor dem Tod. Ich muss nicht 90 werden, obwohl in meiner Familie viele alt geworden sind. Mein Vater starb mit 97.

Es könnte sein, dass Sie noch 30 Jahre vor sich haben. Haben Sie Zukunftsprojekte?

Ich schreibe ab und zu Gedichte, gehe an das «shared reading» in der Kornhausbibliothek, wo wir gemeinsam literarische Texte lesen.  Grosse Zukunftsprojekte habe ich nicht, aber ich nehme mir jeden Silvester Vorsätze für das kommende Jahr. Ende Jahr bilanziere ich und schaue, was ich von den Vorsätzen eingehalten habe.

Haben Sie Beispiele von Vorsätzen, die Ihr Leben beeinflusst haben?

Beispielsweise sage ich mir, dass ich soziale Beziehungen intensivieren will. Ich habe eine geistig behinderte Schwester, war 17 Jahre ihr Beistand, bis meine Tochter die Beistandschaft übernahm. Oder ich nehme mir vor, weniger an Geld zu denken und zufrieden zu sein mit dem, was ich erreicht habe. Mit dem glücklich zu sein, was man hat oder aus wenig viel machen, ist das Wichtigste im Leben. So gibt es Leute, die können aus einer objektiv schlechten Wohnung etwas Wunderbares machen, indem sie bereits ihr Fenster oder ihren kleinen Balkon zu einer Oase machen.

Als Gründungsmitglied von Exit geht es Ihnen wohl um ein Sterben in Würde, ohne dass Sie auf Jenseitströstungen hoffen.

Ja, ich glaube nicht an ein Weiterleben nach dem Tod. Für mich ist ein selbstbestimmtes Sterben wichtig und dass man nicht weiterleben muss, wenn die High Tech-Medizin das Leben noch irgendwie verlängern könnte.

Was ist für Sie der Sinn des Lebens?

Ich habe zwei Kinder in die Welt gesetzt und darauf geachtet, dass sie nicht zu Egoisten, sondern zu nützlichen, sozialen Mitgliedern der Gesellschaft werden. Mein Sohn macht einen sehr guten Job als Polizist und meine Tochter ist als Sozialpädagogin jetzt im Sonderstab Ukraine. Ich habe schon das Gefühl, mit meinen zwei Kindern einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft geleistet zu haben. Selber will ich mich für andere engagieren, etwa indem wir jetzt für Ukrainerinnen und Ukrainer kochen. Nachdem ich als Berufsfrau und Mutter oft während der Woche keine freie Minute hatte, darf ich das Leben jetzt wohl auch geniessen. Eine gute Kombination von Selbst- und Fürsorge ist wichtig.

Haben Sie noch einen Tipp für die Leserinnen und Leser von Seniorweb für das Leben nach der Pensionierung?

Ja! Vor der Pensionierung haben viele eine gewisse Angst vor der Leere danach. Die einen flüchten sich dann in eine Unmenge von Aktivitäten, um sich und der Umwelt zu beweisen, dass sie noch nicht zum «alten Eisen» gehören. Das ist nicht nötig. Wenn man die neuen Freiräume zulässt, findet man aus der Musse immer wieder etwas, was Freude macht. Aufgenommene Tätigkeiten kann man aufgeben, variieren, sich auf etwas Neues einlassen, ohne die gewonnene Zeit langfristig zu verplanen. So lernt man im Alter durch vielseitiges Tun sogar neue Seiten von sich kennen und das Leben bleibt spannend und voller Überraschungen.

Links
Zu «Tischlein deck dich»: https://www.tischlein.ch/
Zu benevol: https://www.benevol.ch/de.html
Zu Innovage: https://www.innovage.ch
Zur Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft: https://sgg-ssup.ch

 Fotos: zVg. B.Kläy

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