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Vom Wert historischer Karten

Geschichte lässt sich durch Texte, Tabellen, Filme, Fotos, aber auch durch Karten erklären. Der «Historische Atlas der Schweiz» leistet hierzu einen wertvollen Beitrag. Seniorweb dokumentiert die wichtigsten Weichenstellungen der Schweizer Geschichte mit ausgewählten historischen Karten.

Die gängigen Karten zur Geschichte unseres Landes gehen zurück auf den «Historischen Atlas der Schweiz» von Karl Schib und Hektor Ammann, erstmals 1951 im Verlag Sauerländer erschienen. Seit den 1950er-Jahren hat sich die Forschung weiterentwickelt. Insbesondere das «Historische Lexikon der Schweiz» hat in Bezug auf Kartenmaterial wertvolle Arbeit geleistet.

Der Aargauer Kantonsschullehrer Marco Zanoli begann vor Jahren, die Schweizer Geschichte mit Karten zu illustrieren. Zu diesen verfasste der Westschweizer Historiker François Walter erklärende Texte. Das daraus entstandene Werk erschien 2020 auf Französisch. Seit diesem Jahr liegt der neue «Atlas historique de la Suisse» auch  auf Deutsch vor, leicht überarbeitet und mit einem halben Dutzend weiterer Karten. Ein Standardwerk, das einen Überblick von der Urgeschichte bis zur Gegenwart bietet und den aktuellen Forschungsstand dokumentiert.

1291 und die Habsburger

Die reichsfreien Talschaften (grün); die Territorien der Habsburger (lila); das Gebiet des Herzogtums Savoyen (orange); die Montforter (violett).

Die Gründungslegende der Alten Eidgenossenschaft ist eng mit dem Aufstieg der Habsburger verbunden. Das Oberelsass und der Aargau (Schloss Habsburg) war deren Heimzelle. Der Erwerb von Herrschaftsrechten ermöglichte es ihnen, eine immer umfangreichere territoriale Basis aufzubauen. Kaiser Rudolf I. erwarb 1284 die Herzogtümer Österreich sowie Steiermark. Auch im Schweizer Mittelland erweiterte er seinen Einfluss, erwarb von den Kyburgern die Rechte an Fribourg sowie von der elsässischen Abteil Murbach die Rechte an Luzern.

Drei Alpentäler, das Oberhasli, Uri und Schwyz, genossen eine besondere Reichsunabhängigkeit. Zürch, Bern und Solothurn wurden zu freien Reichtsstädten erklärt, Sie unterstanden direkt dem Kaiser und nicht dessen Vögten. Der Legende nach gelang den Vertretern der Urkantone nach der Ermordung des verhassten Landvogts Gessler ein bewaffneter Aufstand gegen die Tyrannei der Habsburger. Der Eid der Genossen auf dem Rütli zu gegenseitigem Beistand gilt als Gründung der Alten Eidgenossenschaft.

1474 und die Burgunder

Die Kantone der Alten Eidgenossenschaft 1474, zu Beginn der Burgunderkriege.

Ab 1465 strebte der burgundische Herzog Karl der Kühne danach, die burgundischen Ländereien in ein Königreich umzuwandeln und das Herzogtum Lothringen sowie weiter, südlich gelegene Gebiete zu erobern. 1475 unternahm der Herzog einen berittenen Feldzug gegen das Territorium der Eidgenossen. Mehrere Schweizer Städte stellten überstürzt eine bunt zusammengewürfelte Infanterieschar zusammen. Am 2. März 1476 kam es in der Schlacht bei Grandson zum ersten grossen Aufeinandertreffen. Dabei mussten Karls Truppen eine bittere Niederlage einstecken

Wenige Monate später stellte Karl in Lausanne ein neues Heer zusammen und stiess erneut in Richtung Bern vor. Mitte Juni 1476 umzingelte er die Stadt Murten, die von Bern zu ihrem westlichen Bollwerk ausgebaut worden war. Da Karl dabei auch die Grenzen des alten bernischen Gebiets verletzte, trat die Eidgenossenschaft in Erfüllung des Bündnisses in den Krieg ein. In der Schlacht bei Murten am 22. Juni 1476 brachten die Eidgenossen dem Burgunderherzog die zweite grosse Niederlage bei. Rund 10’000 Burgunder wurden getötet.

Entmutigt kehrte Karl der Kühne nach Burgund zurück, rüstete auf und zog im Herbst 1476 mit einem Heer gegen das Herzogtum Lothringen. Erneut liess er sich auf eine aufwändige Belagerung ein, diesmal der lothringischen Hauptstadt Nancy. Am 5. Januar 1477 erreichte ein von Herzog René von Lothringen angeworbenes Heer von 8000 eidgenössischen Söldnern die Stadt und zerschlug die burgundische Armee vernichtend. In den Wirren der Schlacht bei Nancy verlor auch Herzog Karl der Kühne sein Leben.

1798 und das Ende des Ancien Régime

Der Einmarsch der Franzosen beendete die «goldene Zeit» des Stadtstaats Bern.

Bis zum Sturz des französischen Ancien Régime war die Alte Eidgenossenschaft als lockeres Bündnisgefüge souveräner Kantone und ihrer Verbündeten stark auf den Nachbarstaat ausgerichtet. Es bestanden seit dem Mittelalter Soldallianzen und Handelsverträge. Der reiche Stadtstaat Bern war der wichtigste Machtfaktor. Sein Gebiet reichte vom Kanton Aargau im Osten bis in den Kanton Waadt und nach Genf im Westen. Neuenburg war noch ein Fürstentum, der spätere Kanton Wallis eine Republik und der spätere Kanton Graubünden ein Freistaat.

Während dem Franzoseneinfall marschierten am 27. Januar 1798 französische Truppen ins Berner Waadtland ein und drangen Richtung Osten in die Schweiz vor. Bern musste sich, nachdem die Regierung bereits kapituliert hatte, trotz heftigen Widerstands geschlagen geben. Mit dem Einmarsch der Franzosen wurde das Gebiet der heutigen Schweiz zu einem französischen Protektorat umgestaltet.

1847 und der Sonderbundskrieg

Die katholisch-konservativen Sonderbundskantone (violett) gegen die freiheitlich-liberalen Stände (grün). Gelb: die neutralen Kantone.

Ein weiteres wichtiges Moment in der Schweizer Geschichte war das Jahr vor der Gründung der modernen Schweiz, dem Inkrafttreten der ersten eidgenössischen Verfassung. Anlass für den kurzen Bürgerkrieg war die Gründung des Sonderbundes durch die konservativ regierten katholischen Kantone Luzern, Schwyz, Uri, Zug, Ob- und Nidwalden, Freiburg und Wallis. Ziel der Allianz waren die Abwehr der von den liberalen Ständen geduldeten Freischarenzüge gegen die konservativ regierten Kantone sowie die Verteidigung des katholischen Glaubens gegen die liberalen, mehrheitlich reformierten Kantone.

Am 30. Oktober 1847 beschloss die Eidgenössische Tagsatzung die Mobilisierung der Truppen der reformierten Stände. Darauf kapitulierten die Kantone Freiburg und Luzern. Die übrigen Sonderbundskantone beschlossen auf einer Konferenz in Brunnen ebenfalls die Kapitulation. Als letzter Kanton ergab sich am 29. November 1847 das Wallis. Nach offiziellen Angaben hat der Sonderbundskrieg 150 Menschen das Leben gekostet und rund 400 Verwundete gefordert.

Der neue «Historische Atlas der Schweiz» macht Schweizer Geschichte von der Antike bis heute durch farbige Karten sichtbar. Die beiden Autoren des gediegen gestalteten und angenehm zu berührenden Atlas haben ein langlebiges, wertvolles Bijou geschaffen. Marco Zanoli ist Historiker und Gymnasiallehrer an der Kantonsschule Enge in Zürich. Er hat als Wikipedia-Autor zahlreiche Artikel zur Geschichte der Schweiz verfasst und diese mit Karten illustriert. François Walter war von 1986 bis 2012 Professor für Geschichte an der Universität Genf und nahm zahlreiche Gastprofessuren im In- und Ausland wahr. 2016 erschien seine viel beachtete «Une Histoire de la Suisse».

«Historischer Atlas der Schweiz», François Walter (Texte), Marco Zanoli (Karten), «Hier und Jetzt Verlag», 2022, 199 Seiten, 120 farbige Karten, ISBN 978-3-03919-542-8

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Titelbild: Postkarte vom Rütlischwur. Quelle: zeno. Copyright der Karten: «Hier und Jetzt Verlag»

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