StartseiteMagazinGesundheitAlterstagesstätten – eine Entlastung für betreuende Angehörige?

Alterstagesstätten – eine Entlastung für betreuende Angehörige?

In der diesjährigen Publikation des «Age-Dossier» untersucht die Age-Stiftung Potenziale und Grenzen von Alterstagesstätten. Zum Tag der betreuenden Angehörigen am 30. Oktober fragt Seniorweb nach, inwiefern Alterstagesstätten neben der Unterstützung für die Betroffenen Erleichterungen für Angehörige bieten.

Viele ältere Menschen wollen möglichst lange zuhause bleiben, weil sie in ihrer gewohnten Umgebung schalten und walten wollen wie eh und je. Bei zunehmender altersbedingter Beeinträchtigung sind oft Angehörige zur Stelle, vorausgesetzt es gibt welche, wenn Begleitung und Betreuung im Alltag gefragt sind. Das entspricht meistens einem gegenseitigen Wunsch: Angehörige wollen ihre unterstützungsbedürftigen Geliebten nicht in ein Heim «abschieben» und beeinträchtigte Personen schätzen die umsorgende Liebe ihrer Angehörigen mehr als professionelle Pflege und Betreuung. Soweit der gegenseitige Wunsch. Wie wissenschaftliche Studien belegen, kann die Belastung zu hoch werden, betreuende Angehörige können physisch oder psychisch erkranken oder ein sogenanntes «Angehörigen-Burnout» erleiden. Denn betreuende Angehörige sind nicht selten auf verschiedenen Ebenen gefordert: gegenüber den eigenen Kindern, ihren Eltern, in der Partnerschaft und im Beruf. Wo bleibt da Zeit, mal durchzuatmen und sich zu erholen?

Alterstagesstätten als intermediäre Angebote

Dank der Entwicklung der Spitex und anderer Betreuungsangebote können beeinträchtigte Personen oft länger zuhause bleiben. Wenn Angehörige in ihrer Betreuungsarbeit überfordert werden, offerieren Alterstagesstätten eine intermediäre Option.  Personen, die Unterstützung brauchen erhalten dort ein- oder mehrmals pro Woche für einige Stunden ausserhalb ihrer Wohnung Betreuung und kehren danach wieder in die Obhut ihrer Angehörigen zurück.  Ist das das Gelbe vom Ei?

Der tägliche Spaziergang der Tagesstätte «Wiitsicht» in Grabs, die auf Menschen mit Demenz spezialisiert ist. © Age-Stiftung, Foto: Ursula Meisser

Potenziale und Grenzen von Alterstagesstätten

Das neue Dossier der Age-Stiftung «Nicht daheim, nicht allein – Potenziale und Grenzen von Alterstagesstätten» zeigt auf, dass Alterstagesstätten einerseits grossartige Möglichkeiten bieten können für beeinträchtigte Personen, etwa durch neue Kontakte mit Menschen in ähnlichen Situationen, durch das Erhalten und Fördern von Alltagskompetenzen, durch Impulse für die geistige Verarbeitung der Beeinträchtigungen, durch Lebensgenuss in Spiel und Spass. Anderseits braucht es eine Offenheit von den beeinträchtigten Personen, sich auf Neues einzulassen; Angehörige müssen den Angeboten und Aktivitäten in den Tagesstätten vertrauen können und vom professionellen Personal ist Empathie, Flexibilität, Kreativität, Leichtigkeit im Umgang mit Konflikten unter den Betreuten und zwischen Betreuten und Personal gefordert.

Am normalen Alltag orientiert: Mittagsvorbereitungen in der Tagesstätte «Lebenslauf» in Gelterkinden. © Age-Stiftung, Foto: Ursula Meisser

Fünf Fragen zu den Alterstagesstätten an Fleur Jaccard, Geschäftsleiterin der Age-Stiftung:

Seniorweb: Wie kann man in Tagesstätten eine entspannte, erholsame Atmosphäre schaffen für alle Beteiligten, für Betroffene, betreuende Angehörige, professionell Pflegende und Betreuende?

Fleur Jaccard: Erfahrungen zeigen, dass der Eintritt in eine Tagesstätte für Gäste und ihre Angehörigen belastend sein kann und deshalb gut begleitet werden muss. Bereits nach wenigen Besuchen entspannt sich die Situation und die Entlastung wird spürbar.  In vielen Tagesstätten sind gemeinsame Aktivitäten zentral, während daheim eher auf individuelle Betreuung geachtet wird. Deshalb werden im Vergleich zu anderen Betreuungsangeboten oft höhere Personalressourcen gebraucht.

Was können Träger- und Betreiberorganisationen von Alterstagestätten aus dem Age-Dossier «Nicht daheim, nicht allein» dazulernen?

Alterstagesstätten sind keine Selbstläufer. Zweifellos besteht ein Bedarf für das Angebot. Doch damit die Nachfrage zum Angebot findet, muss der Weg auf unterschiedlichen Ebenen bereitet werden: Um sich zu etablieren, muss eine Tagesstätte aktiv und ausdauernd Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit leisten. Gleichzeitig muss sie mit Angehörigen oft über einen längeren Zeitraum mehrere beratende und vertrauensbildende Gespräche führen, bevor es zu einem Neueintritt kommt. Die Etablierungsphase von Tagesstätten dauert somit lange, was nicht nur Geduld, sondern auch entsprechende finanzielle Reserven und Drittmittel erfordert.

Kantone, Gemeinden und private Anbieter sind im Schaffen und Betreiben von Alterstagesstätten völlig unterschiedlich unterwegs. Verschlafen da einige Kantone und Gemeinden eine bedeutende Option oder sind sie zurecht vorsichtig?

Leider gibt es im Gegensatz zu Heim- und Spitex-Organisationen für Alterstagesstätten keine soliden Kennzahlen, was eine Planbarkeit erschwert. Damit rücken sie in der Versorgungsplanung automatisch in den Hintergrund. Fakt ist, alle Akteure, ob öffentliche Hand, private Anbieter, Organisationen im Sozial- und Gesundheitsbereich und die Zivilgesellschaft müssen gemeinsam ein sorgfältiges flexibles Unterstützungsnetz für und mit älteren Menschen weben. Dazu benötigt es einen intensiven Erfahrungsaustausch, eine kluge Planung und starke Finanzpartner.  Je nach Versorgungssituation sind Alterstagesstätten eine Möglichkeit neben weiteren. Das Age-Dossier bietet mit seinem Leitfaden konkrete Unterstützung und fördert den Erfahrungsaustausch.

Aus der Sicht von Betroffenen und Angehörigen ist nicht immer klar, welche finanziellen Anteile der Kosten für den Aufenthalt in Alterstagesstätten privat und welche von Krankenversicherung oder andern Finanzierungsquellen getragen werden. Besteht hier ein Finanzierungsdschungel oder ist Information und Beratung mangelhaft?

Es braucht auf verschiedenen Ebenen konkrete Hilfestellungen: ein gesetzlich verankertes Versorgungskonzept, das stationär und ambulant miteinander verzahnt; ein sorgfältiges Planungsinstrument, um die dafür notwendigen Ressourcen zeitnah bereit zu stellen; eine systematische Datenerfassung.

Fleur Jaccard, Geschäftsleiterin der Age-Stiftung

Die Finanzierung der Leistungen zum Besuch einer Alterstagesstätte ist in der Tat komplex, weil der Anteil an Betreuungsleistung gross ist und dieser nicht von den Krankenkassen anerkannt ist. Dafür müssen Hilflosenentschädigung und nach Möglichkeit Ergänzungsleistungen sowie Zuschüsse des Kantons oder der Gemeinde beantragt werden. Dieser Prozess ist zeitaufwendig… Deshalb sind Angehörige dringend auf frühe, einfache und zugängliche Informationen zur finanziellen Soforthilfe und geeigneten Angeboten angewiesen, die rasch zur Verfügung stehen.

Das Age-Dossier «Nicht daheim, nicht allein» bietet durch die Präsentation von aussagekräftigen Projektbeispielen enormes Potential für die Entwicklung von vielfältigen Angeboten von Alterstagesstätten. Sind Alterstagestätten eine Zukunftsoption für viele Kantone und Gemeinden, um stationäre Pflege- und Betreuungsangebote durch bessere Optionen für alle Beteiligten zu ersetzen?

Alterstagesstätten sind eine Möglichkeit unter vielen, die je nach Versorgungssituation in einer Region durchaus sinnvoll sein können, vorausgesetzt sie sind Teil der Versorgungsplanung und damit finanzierbar.

Stationäre Pflegeangebote sind gute und weiterhin wichtige Angebote für Menschen, die nicht mehr im Privathaushalt gepflegt und betreut werden können. Durch den Ausbau der ambulanten Pflege ist heute die medizinische Pflege zu Hause immer länger möglich. Doch wenn dadurch Angehörige mit der Betreuung im Alltag überfordert werden, ist damit nichts gewonnen. Da Alterstagesstätten die Angehörigenbetreuung stützen, verzögern sie in gewissen Fällen den Heimeintritt und dienen zumindest für einen begrenzten Zeitraum als Alternative zum Heim. Sie sind eine konsequente Ergänzung zu den verstärkten ambulanten Pflegestrukturen. Zudem ergänzen Alterstagesstätten auch neuere Betreuungsmodelle: Immer häufiger wird die 24h-Hausbetreuung durch sogenannte Pflegemigrantinnen mit Aufenthalten in Tagesstätten kombiniert – insbesondere seit der Schutz der Arbeitnehmenden in diesem Bereich klarer geregelt ist (Ruhezeiten, Freizeit, Ferien etc.).

Weiterführende Links:

Das neue Age-Dossier «Nicht daheim, nicht allein. Potentiale und Grenzen von Alterstagesstätten» finden Sie hier

Impulse für die Gesundheitsförderung von betreuenden Angehörigen finden Sie hier

Titelfoto: Im «Vorstädtli» in Laupersdorf können die Tagesgäste ihrer Kreativität freien Lauf lassen. © Age-Stiftung, Foto: Ursula Meisser

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