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Drei Sekunden vor Mitternacht

Drei Sekunden vor Mitternacht – der Tag ist schon sehr weit fortgeschritten. Was es auf sich hat, zeigt das Luzerner Kunstmuseum mit den Werken von Claudia Kübler bis 5. Februar 2023.
Wenn die Zeitdauer seit der Entstehung von Leben auf der Erde auf einen 24-Stunden-Tag übertragen wird, erscheint der Mensch Drei Sekunden vor Mitternacht, also fast am Ende des Tages.

Ausstellungsansicht Claudia Kübler. Drei Sekunden vor Mitternacht, 2022,
mit Slices of Beginning, 2022 und 24/7, 2022
Foto: Marc Latzel, Courtesy of the artist

Claudia Kübler (*1983) interessiert sich für geologische Prozesse, den Ursprung der Menschheit und insbesondere für die Zeit, ihre Messbarkeit, Elastizität und Visualisierung. Wie nehmen wir die Zeit wahr? Wie erfahren andere Lebewesen oder gar Steine Zeit? Claudia Kübler lässt das Publikum in der von Eveline Suter kuratierten Ausstellung mitwirken. Küblers Installation Slices of Beginning (2022) vollenden erst die Besucher und Besucherinnen. Die ungebrannten Tonplatten brechen unter den Füssen und rutschen auf den geneigten Ebenen langsam nach unten.

Neon – Ausstellungsansicht Kunsthalle Luzern, transformative Bodeninstallation mit Neonzeichnung (encore, encore), Gips, Schellack, 36 m2. Foto: Philip Frowein, Courtesy of the artist

Die gelb-beige Farbe unterstreicht den Eindruck einer sandigen Landschaft, die erodiert und sich wandelt. Wann ist das Werk fertig? Zu Beginn der Ausstellung? Nach der Eröffnung? Oder erst ganz am Schluss? Und was bedeutet vollendet? Die Installation greift Begriffe auf wie Fragment, Erosion, Veränderung und das Erlebnis von Zeit. In der prozesshaften Arbeit von Claudia Kübler sind Kategorien wie Anfang und Ende weniger von Bedeutung als Veränderung, Umbildung, Alterung, körperliche Erfahrung und vor allem Wahrnehmung von Zeit. Das Erlebnis dieser Prozesse teilt sie mit dem Publikum. Indem unser Besuch das Kunstwerk verändert, regt die Künstlerin zudem dazu an, darüber nachzudenken, wie sich unser Handeln auswirkt und wie wir mit Veränderungen umgehen.


Claudia Kübler, Regolith II, 2020. Ausstellungsansicht Prix Mobilière, artgenève, transformative Bodeninstallation mit Neonzeichnung (encore, encore, 2018), Gips, Schellack, 25 m2Foto: Philip Frowein, Courtesy of the artist

Dafür arbeitet Claudia Kübler bevorzugt mit haptischen, fragilen Materialien. Sie schneidet Ton in brüchige Platten oder legt Sand zu einer präzisen Form aus. Das macht ihre Arbeiten prekär und flüchtig. Die Zeitlichkeit ist ihnen nicht nur deswegen eingeschrieben, sondern entsteht oft auch im Herstellungsprozess: Die Künstlerin investiert oft viele Stunden Arbeit, beispielsweise um Steine zu Sand zu zermahlen oder unzählige Tonplatten herzustellen.

 

Ergänzt wird die raumgreifende Installation durch zwei neue Neonarbeiten, die unsere Wahrnehmung der Zeit thematisieren. 24/7 zielt auf den menschlichen Alltag und lässt an andauernde Verfügbarkeit und den damit verbundenen Stress denken. years, yours zeigt mit dem Text «1’750’000’000 yrs» einen Zeitrahmen auf, den wir uns nicht mehr vorstellen können: Die verbleibenden Lebensjahre der Erde sind zwar gezählt, scheinen jedoch unendlich weit in der Zukunft zu legen.


Ausstellungsansicht Claudia Kübler. Drei Sekunden vor Mitternacht, 2022, mit Seconds, Minutes, Aeons, 2021 und 24/7, 2022. Foto: Josef Ritler

Die kinetische Skulptur Seconds, Minutes, Aeons (2021) spielt mit der Darstellung von Zeit. Werden wir gebeten, eine Uhr zu zeichnen, ist das Ergebnis meist ähnlich: Ein Kreis, zwei Zeiger und allenfalls zwölf Striche, Punkte oder Zahlen. So sieht in der westlichen Kultur der Prototyp einer Uhr aus. In der Skulptur werden die Elemente durcheinander und zu immer neuen Formationen gebracht. Claudia Kübler erhält mit dem Manor Kunstpreis Zentralschweiz Luzern 2022 einen der wich- tigsten Schweizer Förderpreise. Dieser beinhaltet nebst dem Preisgeld einen Beitrag für die Publikation von 25’000 Franken.

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