Jelmoli hört auf. Nach 125 Jahren ist Ende 2024 Schluss. Dies meldete das Unternehmen gestern am 6. Februar. Das ist schlimm, 850 Angestellte verlieren ihren Job. Jahrzehntelang bewunderten Damen, Herren und staunende Kinder das Einkaufsparadies. Heute glänzt drinnen zwar die heute auch anderswo übliche aufgemotzte Vielfalt. Doch wer vor dem Haus aus der Gründerzeit steht, spürt dass ein Stück Zürcher Identität verlorengeht. Konsumkultur hat halt keinen Heimatschutz.
So fings an: 1899 entstand der Neubau an der Zürcher Bahnhofstrasse.
Bild Zürcher Adressbuch-Zeitung
Meine Mutter putzte in den Fünfzigerjahren bei Jelmoli. Mein Vater war dagegen. Die Mutter verhätschelte zwar den Sohn, nicht aber ihren Ehemann. Also ging Frau Steiger zweimal in der Woche abends von der Genossenschaftswohnung in Wiedikon zum Jelmoli.
Dort war sie Chefputzfrau. Nein, sie leitete nicht die Reinigungsequipe. Sowas konnten nur Männer. Sie putzte die Büros der Herren Direktoren, sogar jenes vom Herrn Generaldirektor. Sie war stolz auf ihre Arbeit. Auf den Schreibtischen (gross, dunkel) lagen die Utensilien nach Klara Steigers Arbeitsschluss ganz genau dort, wo sie vorher waren. Ausserdem durfte sie die Briefmarken aus den Couverts herausschneiden und mitnehmen. Das versöhnte meinen philatelistisch aktiven Vater.
In den Zwanzigerjahren entstand dieses Wandgemälde im Zürcher Bahnhof Wiedikon.
Bild Ruth Vuilleumier
Hin und wieder besuchte ich mit meiner Mutter den abendlich leeren Jelmoli. Dort ärgerte ich mich, dass ich in den noblen Chefbüros nichts anfassen durfte. Unterdessen haben die Managerinnen und Manager hier weitaus grössere Sorgen. Der Betrieb fuhr in der letzten Zeit jährliche Verluste im zweistdelligen Millionenbereich ein. Schuld daran war nicht nur die Pandemie. Nun wollen die Besitzer 100 Millionen Franken in den Umbau investieren. Anschliessend bleiben das Unter- und das Erdgeschoss als Verkaufsflächen erhalten – allerdings nicht für Jelmoli. In den oberen Stockwerken sind Büros und Gastrobetriebe geplant.
Dem Zürcher Warenhaustempel sind die Gläubigen davongelaufen. Dies, weil wir zum einen immer mehr online einkaufen. Zum anderen hat die Schweiz viel zu viele Verkaufsflächen. Wir sind neudeutsch overshopped. Deshalb serbeln die klassischen Warenhäuser: Manor und Globus etwa. Die Bernerinnen und Berner flehen zu Merkur, dem Gott des Handels, dass er unseren Loeb überleben lässt.
In den oberen Jelmoli-Stockwerken werden Protz-Gyms um Kundschaft werben, Anwaltskanzleien, Consultants und stylische Arztpraxen für Bo- oder Detox. Das Haus aus der Gründerzeit bekommt damit den gleichen Mix wie fast überall an der Bahnhofstrasse. Oben Geschäftsräume in denen Franken, Euros und Dollars rollen. Unten Luxusläden, dazwischen Handyshops oder Billig- und Bling-Bling-Ware. Dem sagt man Strukturwandel. Hä nu. Da kann man nichts dagegen tun. Bloss ein bisschen jammern. Das beruhigt immerhin das schlechte Gewissen. Doch:
Hauptsache morgen bringt mir der Pöstler meinen Zalando-Pullover.
Der Jelmoli ist für einen älteren Zürcher ein Stück Heimat. Ich bin nun 67, wohne seit 11 Jahren in Südamerika. Aber der Jelmoli wird in mir bleiben. Ach…Wie viele Male war ich dort in diesem Kaufhaus im Kaufrausch….
Na ja. So ist es eben…..
Ja, als Heimweh Zürcher geht es mir wie Silvio. So durfte ich mit meinem Vater 1950 zu Jelmoli gehen, wo er mir meinen ersten Anzug mit Knickerbocker, Dächlikappe und Krawatte zur Geburtstagsfeier meines Grossvaters gekauft hat. Dieser Kauf wurde noch verschönert mit einigen Fahrten auf der damals ersten Zürcher Rolltreppe. Schliesslich besuchten wir die Gotte meiner Schwester, die als Verkäuferin in der Damenabteilung für Unterwäsche wirkte. und mir in einer ganz kurzen Auszeit eine Glace schenkte :-).
Ade Jelmoli, ade schönes Zürcher Andenken: tempi passati – vecchi ricordi.