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Wie mit Wut im Bauch umgehen

Wut aushalten und verstehen: Regisseurin Suna Gürler thematisiert in ihrem neuen Stück «Ich chan es Zündhölzli azünde» am Schauspielhaus Zürich auf unterhaltsame Art Formen des Widerstands gegen Ungerechtigkeiten.

Wut im Bauch. Woher kommt sie und wie geht man damit um? Das Autorenduo Fatima Moumouni und Larin Buser beschäftigt sich in seinem zweiten Stück «Ich chan es Zündhölzli azünde» für das Schauspielhaus mit diesen Fragen. Im Zentrum steht die junge Türkin  Yalaz Çavuşoğlu, die als Dolmetscherin im kantonalen Amt für Migration arbeitet und mit selbstgedrehten Videos auf Instagram Kritik an der Praxis der Ausschaffungen äusserte. Im Verlauf des Abends wird offensichtlich, warum Yalaz die Ausschaffungspraxis kritisiert: ihr Vater, der nach einem Unfall arbeitslos wurde und Sozialhilfe bezog, wurde nach Jahren in der Schweiz ausgewiesen.

Elif Karci als Yalaz Çavuşoğlu zelebriert innere Zerrissenheit.

Yalaz Çavuşoğlu, die mit ihren Videos für Aufsehen sorgte, ist Gast in der von Moderator Thomas Zürcher geleiteten Podiumsdiskussion «Zündstoffe – Stadtgespräche mit Zürcher». Thema des Podiums: «Wänn gaht Protest zwiit?». Neben Yalaz beteiligen sich noch Adrian «Ädu» Brie, ein Jugendsozialarbeiter und ehemaliger Box-Vizemeister, und der Radaktivist Thomas Wagner an der Debatte. Geboten wird ein grandios inszenierter Schlagabtausch, der in die Erkenntnis mündet, dass Yalaz mit ihren Protestgedichten auf Instagram wohl zu weit gegangen ist. Moderator Zürcher (aalglatt gespielt von Michael Neuenschwander) bedrängt Yalaz dauernd mit suggestiven, rassistisch gefärbten Fragen, Wagner (wunderbar gespielt von Matthias Neukirch) triumphiert förmlich mit seinem besserwisserischen Gehabe, während Brie (Kay Kysela) eher hilflos mit behördlichen Erklärungen agiert.

Innenschau der Zerrissenheit

Gespielt wird die Podiumsdiskussion vor geschlossenem Vorhang. Als der Vorhang hochgezogen wird, präsentiert sich eine Bühne mit Dutzenden Stühlen und Tischen, die von der Decke hängen (Bühnenbild: Moira Gilliéron). Vier Jugendliche mit langhaarigen Perücken tauchen auf, bedrängen Yalaz verbal und gestisch mit widersprüchlichen Gedanken und Emotionen, wie sie mit ihren Verletzungen und ihrer Wut umzugehen hat, geben sich allmählich als Schwestern, Freundinnen und Exfreund zu erkennen. Ausgiebig mit tänzerischen Einlagen und bei einem Auf und Ab der Stühle und Tische zelebrieren sie eine Innenschau der Zerrissenheit, das Für und Wider von Protest und Wut. Als Höhepunkt fahren die Jugendlichen eine Wutkabine auf die Bühne, in der Yalaz als mögliche Therapie gegen Wut minutenlang mit einem Baseballschläger Kartonschachteln malträtiert .

In der Wutbox: Elif Karci als Yalaz Çavuşoğlu zertrümmert mit einem Baseballschläger Kartonschachteln. Fotos: Diana Pfammatter

Regisseurin Suna Gürler präsentiert einen durchwegs gelungenen Theaterabend mit drei Ensemblemitgliedern und fünf jungen (noch) nicht professionellen Darstellerinnen und Darstellern. Inspiriert vom Mani-Matter-Song «Ich han es Zündhölzli azündt» und von einem realen Fall, wird das Thema Wut auf unterhaltsame und empathische Art spielerisch vorgeführt. Unüberhörbar ist die Kritik an der schweizerischen Ausschaffungspraxis, die Armutsbetroffene benachteiligt, aber auch an Ungerechtigkeiten aller Art. Besonderes Lob gehört Elif Karci, die die Rolle der Yalaz Çavuşoğlu sehr differenziert und glaubwürdig meistert. Das Premierenpublikum der Uraufführung im Pfauen bedankte sich mit Standing Ovation.

Weitere Spieldaten: 21., 23. Februar, 1., 5., 16., 17., 21., 29. März, 2., 4. April

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1 Kommentar

  1. Kritisieren ist immer leichter als konkret etwas verändern. Theater kann ein Sprachrohr für Missstände sein, aber wie viele Schweizer*innen gehen ins Theater? Besser wäre persönliches Engagement, persönliche Einmischung und Beteiligung an politischen Fragen, Gespräche mit den Nachbarn im Wohnquartier, den Verantwortlichen der zuständigen Behörde und der Politik auf dem kleinen Dienstweg, aber vor allem, sich zu solidarisieren und auszutauschen mit Gleichgesinnten.

    Wut im Bauch mit Gewalt loszuwerden ist sicher medienwirksam, hilft jedoch im täglichen Leben nur einen Moment lang und ist eher destruktiv. Ich wünschte mir z.B. eine online Wutbox für Senioren, wo sich die aufgestaute Wut eines langen Lebens oder über aktuelle Themen Luft machen könnte. Gerade wir Frauen durften Wut lange nicht öffentlich zeigen. Wut schreibenderweise los zu werden, kann sehr erleichternd sein, eine Art Psychohygiene. Vielleicht würden wir dadurch mit unseren Anliegen und unserer Sicht auf die Dinge des Lebens auch mehr Gehör und Respekt in der Gesellschaft erfahren, als dies heute der Fall ist.
    Noch immer gibt es, insbesondere bei indigenen Völkern, die Wertschätzung den Alten gegenüber. Sie werden gefragt, wenn es um schwierige Entscheidungen geht und mit ihrer lebenslangen Erfahrung kann ihr Rat oft weiter helfen. Leider sind in unserer westlichen Kultur, die nur Leistung und Wohlstand im Blick hat, die alten Menschen so gut wie auf der Strecke geblieben.

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