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Die Schweiz: Liechtenstein Europas

Sie kann regieren, Bundesrätin Karin Keller-Sutter. Bundesbern kann eine weltweit bedeutende Entscheidung herbeiführen, ohne dass sie durchgestochen wird, ohne dass die Schweizer Medien zu ihrem Leidwesen darüber vorweg berichten konnten, deshalb gar von Pressezensur schreiben. Innert  5 Tagen schaffte der Bundesrat mit der Nationalbank, der Finanzaufsicht, der UBS- und der Credit Suisse-Spitze einen Deal, der Bundesbern weltweit Respekt und  Achtung einbrachte, der möglicherweise einen Zusammenbruch der weltweiten Finanzmärkte zumindest im Ansatz verhinderte. Karin Keller-Sutter, ein an sich finanzpolitisches Greenhorn, die ehrgeizig mit Nachdruck ins Finanzdepartment drängte, setzte ein, was sie als gelernte Dolmetscherin kann: Sprachen. Sie konnte aussenden, was die Schweiz wollte, sie hat verstanden, was die USA wollten: eine Beruhigung der Finanzmärkte. Insbesondere in der grossen Politik wird eines immer wieder massiv unterschätzt: das gegenseitige Verstehen können. Die US-Amerikaner geben auch bei solch globalen Deals den Ton an, ihren Ton, das technisch finanzgeprägte US-Englisch, die andern haben sich anzupassen. Und wer nicht alles haargenau versteht, ist ganz schnell auf der Verliererseite.

Innenpolitisch setzt die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS dagegen ein parteipolitisches Rankespiel in Gang, das seinesgleichen sucht, das zweifellos bis zu den Wahlen im Oktober nachwirken wird, was letztlich auch zu hoffen ist. Zu viel steht auf dem Spiel, zu viel ist noch nicht geklärt, zu viel muss neu gedacht und geregelt werden. Schon 2008, als die UBS wankte, war eigentlich allen klar: Die UBS ist gleichsam ein Ozeandampfer auf dem Zürichsee, zu gross für die Schweiz. Und nun ist sie nahezu doppelt so gross, der neue Ozeanriese ist jetzt auch viel zu gross für den Bodensee, die Bank schwappt gleichsam rüber nach Europa, sie ist und wird noch stärker aktiv sein in der ganzen Welt, selbst in China.

So werden wir immer mehr, was wir schon im Ansatz waren: das Liechtenstein Europas. Nur hat das kleine Nachbarland einen unzweifelhaften Vorteil; es ist Mitglied des EWR und das Verhältnis zur EU ist im Gegensatz zur Schweiz gelöst. Ein kleiner Vergleich zur Schweiz: Das Fürstentum Liechtenstein beherbergt mit rund 39`000 Einwohnern mindestens 14 Banken. Mit der fürstlichen LGT ist das Land auch stark international in der Bankenwelt aktiv vertreten. Bei der UBS waren es Ende 2022 rund 3960 Milliarden Vermögen, die verwaltet wurden. Die verwalteten Vermögen betrugen bei der LTG im letzten Jahr 287.2 Milliarden. Liechtenstein ist bezogen auf die Bevölkerungszahl 205 mal kleiner als die Schweiz, bei den verwalteten Vermögen waren diese bei der UBS – ohne CS – nur rund 14 mal höher. Wenn Liechtenstein damit zu Rande kommt, sollte es die Schweiz auch schaffen.

Auf jeden Fall ist Panikmache, was die Schweizer Medien nun während Tagen betreiben, zerstörender als das, was der Bundesrat ohne mediale Begleitung vollzogen hat. Die berufenen und die sich aufdrängenden Professoren und Finanzgurus, denen die Medien breitwillig ganze Seiten für ihr Verweisen, ihre Analysen, insbesondere für ihre Schuldzuweisungen nach allen Seiten öffnen, wären gut beraten, wenn sie Zukunftsperspektiven entwickeln würden, die den Bankenplatz Schweiz erhalten, für die vielen Privat-, Kantonal- und Regionalbanken Rahmenbedingungen schafften, die sie nicht in den Sog der jetzt  ganz grossen Bank treiben würden, auch und insbesondere bei den Boni. Den Politikerinnen und insbesondere den Politikern, die sich fast allesamt nicht mit ausgeprägtem Fachwissen in Szene setzten, sei geraten, dass sie sich den Menschen annehmen, die mit Entlassungen rechnen müssen, dass sie sich über die grossen Fragen beugen, die neue  Aktualität erlangt haben: unser Verhältnis zu Europa, zur bestimmenden USA, zur Frage der Solidarität mit der Ukraine, zur Neutralität.

Zweifellos: Wir sind innerhalb einer Woche noch internationaler, noch globaler geworden. Unser neues gigantische Flaggschiff steuern zwei Ausländer: der Ire Colm Kelleher (65) als Präsident und der Holländer Ralph Hamers (57) als CEO, tatsächlich zwei Europäer am Paradeplatz, mitten in der Schweiz. Immerhin: entschieden hat der Bundesrat, mit Karin Keller-Sutter, der sprachgewandten. Und einen Reservespieler auf der Bank hat die Schweiz noch: Philipp Hildebrand (59), Ökonom und Politologe. Er war ab 2003 Mitglied des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank und ab Januar 2010 bis Januar 2012 deren Präsident. Seit Oktober 2012 ist er Vice Chairman beim Vermögensverwalter Black Rock, der grössten US-investmentgesellschaft. Neu ist er auch Präsident des Kunsthauses Zürich. Als ehrmaliger Spitzenschwimmer, als kulturaffiner Geist, als international eng vernetzter und renommierter Finanzfachmann könnte er schweizerisch inspiriert die UBS zu neuen Ufern führen, auch zähmen, so dass sie beherrschbar bleibt.

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9 Kommentare

  1. Mit dem Fürstentum Lichtenstein würde ich die Schweiz nicht vergleichen wollen, obwohl die Bankenplätze beider Länder sich ähnlich sind. Aber wie Sie erwähnen, Lichtenstein ist Mitglied des EWR und hat aus diesem Grund eine grössere Akzeptanz bei den EWR/EU-Ländern als die Schweiz. Politisch tickt der Fürstenstaat auch ganz anders als wir. Trotz paritätischer Machtverteilung hat der Fürst bei wichtigen Entscheidungen doch eigentlich immer das letzte Wort, auch gegen Politik und Volk.

    Mühe habe ich auch mit Ihrer Darstellung von Bundesrätin Karin Keller-Sutter im Bankendeal. Sie attestieren ihr zwar Führungs- und Kommunikationskompetenz, durch die in gutem Englisch kommunizierte Botschaft an die US-Amerikaner. Im weiteren Text reduzieren Sie sie, und das nicht zum ersten Mal, auf ihre Ausbildung als Dolmetscherin mit guten Sprachkenntnissen. Ja Sie reden gar von einem finanzpolitischen Greenhorn. Ich habe mir mal ihren Werdegang auf Wikipedia angesehen. Es gibt wahrscheinlich wenige Politiker*innen, die einen so grossen politischen Rucksack und Leistungsausweis wie Frau Keller-Sutter aufzuweisen haben. https://de.wikipedia.org/wiki/Karin_Keller-Sutter

    Ihr gegenüber stellen Sie den «Reservebankspieler» Philipp Hildebrand besonders ins helle Licht. Bei ihm sparen Sie auch nicht mit Leistungsausweis und möglichen Erfolgsaussichten. Auch seinen Eintrag auf Wikipedia habe ich mir durchgelesen. Zugegeben, er ist ein imposant auftretender Wirtschafts- und Finanzfachmann, der sich in höheren Finanzsphären bestens auskennt und weltweit gut vernetzt ist. Trotzdem hat er wegen unklaren Insiderhandelsvorwürfen, als NSB-Präsident nach nur zwei Jahren und gezwungenermassen das Handtuch geworfen. Im Oktober 2020 wurde Herr Hildebrand vom Bundesrat als Kandidat für das Amt des Generalsekretärs der OECD vorgeschlagen. Er zog seine Kandidatur aus dem Grund zurück, weil nicht alle Mitgliedsländer ihn unterstützt hätten. Das zeugt nicht gerade von Kritik- und Standfestigkeit. Wie Sie erwähnen, ist Herr Hildebrand seit 2012 Vorsitzender der grössten weltweit, auch in China, tätigen US-Vermögensverwaltung BlackRock, mit Sitz in New York, und mit einem verwalteten Kundenvermögen von über 10 Billionen USD.

    ch frage mich, ob ein Mann mit diesem Background die Kleinanleger von UBS/CS verstehen und den Bankenplatz Schweiz ernst nehmen und respektieren könnte. Ideologisch würde er sicher gut zum seit April 2022 tätigen UBS Verwaltungspräsidenten Colm Kelleher passen, denn dieser hat scheinbar nur ein Ziel für die UBS: Expandieren und weltweit noch mehr Umsatz generieren. Erinnert mich an den ehemaligen Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann…

    Sorry, aber bei diesem Bankenkapitalismus wird mir schlecht. Der Bundesrat und die Politik darf die UBS mit diesem Deal nicht sich selbst überlassen und muss Forderungen im Zusammenhang mit den angebotenen Staatsgarantien stellen. Es geht inzwischen um 260 Milliarden Franken, also Vermögen, das die finanzielle Absicherung der Schweizer Volkswirtschaft und damit unseren Wohlstand gewährleisten soll. Wir können nur hoffen, dass das neue gigantische Bankenflaggschiff UBS seine Verantwortung der Schweiz gegenüber wahrnimmt und in sichere und nachhaltige Gewässer steuert.

  2. Sehr geehrte Frau Mosimann, ich bin mit Ihren Kommentaren selten einverstanden, aber hier stimme ich Ihnen vollumfänglich zu.

    • Danke für Ihr Feedback. Ich lese übrigens auch die Kritiken gerne und Ihre Meinung interessiert mich, ob Sie nun mit meiner übereinstimmt oder nicht. Die Kommentare der Leser*innen sind doch auch eine Würdigung der fleissigen Mitarbeiter*innen von Seniorweb.

  3. Chère Madame, nehmen Sie’s gelassen, das mit dem Bashing von Hanspeter Vogel. Sie haben lediglich ausgedrückt, was die meisten Schweizerinnen und Schweizer empfinden. Die Frage nach den facts erübrigt sich. Wenn, laut Baedecker in tiefster französischer Provinz, mein Freund Alain mich beim Gläschen Chardonnay etwas hämisch zum Thema Crédit Suisse anspricht, macht mich das auch sehr zornig. Aber auch traurig mit der Erinnerung an manches Gläschen RieslingXSylvaner mit Freund Ruedi, dem damaligen «berühmten» Chef unserer Kreditanstalt vor Ort. Diese Bank, nicht mehr die meinige, ist tief gesunken. Und die Entscheidungen der Regierenden hinterlassen vor allem starke Zweifel, zu Recht, übrigens.

    • Herr Weber, mit Ausnahme des ersten Satzes kann ich Ihren Ausführugen voll zustimmen.
      Ich kam auch nicht in Rage, wenn Jean Ziegler die UBS für alles Elend dieser Welt verantwortllich machte; das war eben typisch Jean!
      Hingegen kann ich die persönlichen Angriffe auf Hildebrand (unhaltbare Verleumdungen aus der SVP-Blocher-Lei-Mottenkiste, insbesondere bezüglich sogenannter «Insidergeschäfte», in Tat und Wahrheit Wechseln eiiner relativ kleinen Summe CHF in USD vor einer Fahrt in die USA, wo seine Frau herkam), Joe Ackermann (in Tat und Wahrheit hatte der die Deutsche Bank praktisch gerettet und kann nichts dafür, wenn die von ihm hinterlassenen Fussstapfen für seine Nachfolger zu gross sind) und Colm Kelleher (der 1. die CS gar nicht übernehmen wollte und 2. als erstes sagte, er wolle das Investment Banking herunterfahren, also das Gegenteil von dem, was ihm Frau Mosimann unterstellt) nicht ausstehen.
      Deshalb verlangte ich Facts statt Dräckele!

      • Herr Vogel, Menschen mit Ihrem einseitigen Blick auf unsere Welt, tun mir einfach nur leid. Sie erwarten Fakten! Dann sehen Sie sich unsere Welt und wie sie funktioniert und wo die Menschheit hinsteuert, einmal etwas aus Distanz an. Vielleicht aus der Sicht der Millionen von Menschen die kein sauberes Wasser und zu wenig zu essen haben, von brutalen Kriegen und Despoten beherrscht und aus ihrer Heimat vertrieben werden. Oder aus der Sicht der Hunderttausenden in Armut lebenden oder von Armut bedrohten Menschen in unserem Land.

        Was kommt Ihnen dann in den Sinn? Das alles was bisher in unserer Geschichte geschah und geschieht, doch zusammen hängen könnte? Dass es eventuell kein Zufall ist, dass die Reichen und Mächtigen immer reicher und gewalttätiger werden? Dass sich die Armutsschere immer mehr auftut und, dass diejenigen, die lügen, stehlen, andere bescheissen und immer mehr Gewalt anwenden, weltweit die Oberhand gewinnen?

        Nicht bloss wegen dieses erneuten Bankendebakels in unserer kleinen, überheblichen reichen Schweiz, sehe ich die hart erkämpften demokratischen Werte den Bach runtergehen. Ohne ein Umdenken und ein gerechteres Handeln aller, und ein Hochhalten der Werte, die am Anfang unserer Bundesverfassung stehen, sehe ich für die Generation meiner Kinder und Enkel eine dunkle Zukunft. Und das macht mich richtig wütend und zugleich sehr traurig.
        Ich verstehe die jungen Leute, wenn sie sich aus lauter Verzweiflung und Zukunftsangst über den ausbeuterischen Umgang unserer Gesellschaften mit der Natur und das Schneckentempo der dringend nötigen Massnahmen, vor dem Gotthardtunnel auf den Boden kleben müssen, und sich damit der Justiz und dem Unmut tausender Automobilisten aussetzen, die so zahlreich wie noch nie, an Ostern mit ihren Umweltverpestern gen Süden davon machen.
        Was das wohl alles mit unserem Finanzsystem und den überbezahlten Bankenbossen zu tun hat? Da könnte man tatsächlich im Dreck wühlen, Herr Vogel.

        • Frau Mosimann: Auf meinen obigen Beitrag haben Sie überhaupt nicht geantwortet. Dafür kommt eine neue Ladung von Anschuldigungen tous azimuts ohne auch nur den geringsten Versuch einer sauberen Herleitung.
          Natürlich ist unsere Welt kein Paradies! Sie war es nie. Bloss kann ich mir kaum vorstellen, dass sie besser wird, wenn man die besten Steuerzahler und all diejenigen, die Arbeitspätze und Wohlstand schaffen, von der Schweiz ins Ausland jagen will.
          Im übrigen wird die Welt auch für Schweizer nicht besser, wenn man sich auf die Strasse klebt. Wenn schon, wäre es gescheiter, einmal durchzurechnen, wie wir uns künftig mit neuen Erneuerbaren genügend Strom verschaffen können.
          Solarstrom gibt es bekanntlich vor allem im Sommer und wenn die Sonne scheint. Um ihn in den Winter hinüber zu speichern, brauchen wir rund 18 Stauseen von der Grösse der Gde Dixence. Dazu werden einige Stauseen kommen, um das aufgrund von Klimaveränderungen und Gletscherschwund zusätzlich zur Bewässerung nötige Wasser zu speichern. Die Optimierung von Solarfarmen, Pumpspeicherseen und Uebertragungsleitungen zu einem bis gegen Ende des Jahrhunderts funktionierenden Gesamtsystem (wer glaubt, das sei vorher möglich, hat von der Dimension der Aufgabe ohnehin nichts verstanden) wäre weiss Gott klüger, als bloss zu schimpfen!
          Bevor wir die benötigten Hunderten von Milliarden in die Hand nehmen, um das zu erreichen, gäbe es allerdings noch ein paar Details zu klären (siehe nächsten Beitrag).

        • Es ist insbesondere absurd, dass die Beschlüsse/Empfehlungen zum Ausstieg aus den Fossilen und zur Förderung der sogenannten» neuen Erneuerbaren» unter dem Titel Klima- und Umweltschutz ergangen sind.

          Bergbaufachleute haben in vielen fundierten Artikeln dargelegt, zu welchen weltweiten Umwelt- und Klimaschäden die überstürzte Elektrifizierung fast zwangsläufig führen muss. Die Anzahl der Bergwerke zur Gewinnung der hierfür notwendigen Rohstoffe (Lithium, Kobalt, Kupfer, Neodym, Terbium, Dysprosium, Cer, Praseodym etc.) muss auf Teufel komm raus so schnell wie möglich vervielfältigt werden.

          In Anbetracht dessen, dass schon heute durch viele derartige Bergwerke die Landschaft und selbst Wohngebiete in ungeahntem Ausmass zerstört und der lokalen Bevölkerung die Lebensgrundlagen durch Anzapfen und Ableitung oder Säurevergiftung ihrer Trinkwasserreserven entzogen werden, führt das unweigerlich zur Katastrophe.

          Soll das verhindert werden, so müssen alle Prozesse von der Planung eines Bergwerks bis zur letzten Verwendung der daraus gewonnenen Stoffe und Zwischenprodukte bezüglich Auswirkungen auf Umwelt und Klima, Energieverbrauch und – last but not least – Arbeits- und Sozialbedingungen des eingesetzten Personals (keine uigurischen Sklaven!) optimiert, sauber dokumentiert und zertifiziert werden. Zertifikate müssen selbstverständlich einer internationalen Kontrolle unterliegen.

          Diese Prozesse können gut und gerne mehrere Jahre bis – sofern der Totalumbau bestehender Produktionsanlagen notwendig wird – über ein Jahrzehnt dauern.

          Erst die im Rahmen der Zertifizierungen gewonnen Werte werden uns zeigen, wo die Elektrifikation etwas zur Erreichung der Pariser Ziele beitragen kann. Erst mit diesem Wissen (und unter Berücksichtigung allfälliger neu geschaffener Abhängigkeiten von bestimmten ausländischen Mächten) kann eine seriöse Regierung den Bau von Solarpanels und Eoliennes empfehlen (oder davon abraten).

          Tut sie das schon heute, so spannt sie ganz einfach den Pflug vor die Ochsen!

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