Röbi ist todkrank, sein heimtückischer Lungenkrebs gibt ihm noch eine Lebenserwartung von einem Monat bis einem Jahr. Heidi Schmid und Christian Labhart haben ihn auf seinem würdevollen Gang bis zum Tod begleitet, entstanden ist der wunderbare, das Leben feiernde Dokumentarfilm «Röbi geht». Ab 11. Mai im Kino.

«Röbi geht» ist ein Film, über den ich nur persönlich schreiben kann: Mich hat er tief berührt, vielleicht schon etwas verändert, bin ich doch schon einige Jahre älter als er, war seine Welt auch meine. Der Film bringt mich zur Besinnung, ist für mich, was für Gläubige Exerzitien sind.

Ein kostbares Geschenk machten mir mit diesem asketischen, poetischen, existenziellen Film Heidi Schmid und Christian Labhart. Sie waren dabei, als Gäste zu Röbi kamen, die mit ihren Aussagen wie mit bunten Mosaiksteinen ein umfassendes Bild von ihm geschaffen haben: seine Frau Heidi, die uns ganz nahe an seine Persönlichkeit heranführte, seine Familie, mit der er intensiv zusammenlebte, Freundinnen und Freunde und Menschen aus dem Berufsleben – eingebettet in wunderbaren Landschaftsbildern, vertieft mit seinen Worten und Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach.

Röbis letzte Zeilen:

Meine Lebenszeit ist am 18. August 2022 abgelaufen.
Bruder Tod geleitete mich – aus reich beschenktem Leben mit Heidi –
nach drüben.
Meine Asche geht unter Bäumen in den Bind.
Zusammen mit Blumen denken Sie
bitte auch an Geflüchtete, Hungernde, Arme.

Die nachfolgenden Texte der an der Produktion Beteiligten sind, in meinen Augen, die beste Einführung zum Film, weshalb ich sie nicht weiter ergänze, nur wärmstens empfehle.

Seit Januar 2024 ist beim Autor zu Fr. 20.- auch eine DVD des Films erhältlich.


Auf dem Weg mit Naira

Röbi Widmer-Demuth

Mit den siebenundsiebzig Jahren eines guten Lebens stehe ich nun am Rand. Zusammen mit meinem Krebs in der Lunge werde ich wohl bald sterben. Alle Therapiemöglichkeiten haben wir abgelehnt. Sie würden unser gemeinsames Leben nur wenig verlängern. Und das zu einem zu hohen Preis: dem pharmazeutisch-radiologisch-chirurgisch beherrschten Überlebenskampf. Jedenfalls, so meinen wir, dass mit den palliativen Möglichkeiten eine lebenswerte Qualität eher gewährleistet sein wird.

Ein Film über mich und meine Frau? Da regt sich Skepsis. Aber könnte damit nicht auch zum Ausdruck kommen, wie ich bei all meiner Lebenslust und Lebensfreude, meinen Tod akzeptieren kann? Ich kämpfe nicht gegen meinen Krebs, ich freunde mich mit dem Tod an. Dankbar bin ich. Für die warme Liebe meiner Frau, meiner Familie. Für die Geborgenheit in unserem Dorf, für das tägliche Brot, für Musik, Steine und Bücher. Für das Eingebettet sein in Glauben, Hoffnung und Liebe.


Friedensdemo Bern 2022

Heidi Demuth

Meine einziges Motiv, in diesem Film mitzumachen, liegt in meiner Überzeugung, dass Röbis Fantasie, sein Humor, seine nie versiegenden Ideen etwas Neues anzupacken und zu schaffen, sein klarer Verstand, seine Liebe zu den Menschen, den Tieren, der Musik, zum Leben und vergangenen Kulturen, sein Durchhaltewillen, in diesem Film festgehalten wird. Seine Eigenschaften, Begabungen tragen viele Menschen in sich, zum Teil bewusst, viele unbewusst.

Röbi hat es geschafft, sein reiches Innenleben sichtbar zu machen: in Gedichten, Geschichten, Fotografien, Filmen, in eigens gestalteten Büchern als Geschenk an mich und unsere Kinder, in Ausstellungen wie seinem Kuriositätenkabinett und seinem Rostmuseum. Das zählt für mich.


Heidi und Röbi zu Hause

Die Regisseurin und Kamerafrau Heidi Schmid

Röbi und Heidi sind für mich in Wetzikon ein bekanntes, schillerndes Ehepaar: initiativ, mutig, offen, ehrlich, gewinnend. Als mein Mann dann mit der Filmidee von Röbis Begleitung bis zum Tod kam, erschien mir alles so dunkel, negativ geprägt, voyeuristisch, sensationslüstern, distanzlos. Trotz meiner Zweifel besuchten wir Röbi und Heidi, ohne Kamera. Die Auseinandersetzung mit dem Tod, für mich etwas recht Unbekanntes, haben sie in ihrem Leben immer wieder angetroffen und entwickelten einen so natürlichen Umgang, dass ich mir einen Film vorstellen kann. Nun kamen zwei Dinge zusammen: all die tollen biografischen Geschichten der beiden und das Verhältnis zum Sterben.

Nach jenem Besuch ist darum meine Skepsis geschmolzen, ich sage ja zu diesem Projekt und stelle mich den Herausforderungen. Ich glaube, dass Röbi es versteht, anderen Menschen in ähnlichen Situationen Mut zu machen, vielleicht sogar Trost zu spenden, indem er sie teilhaben lässt an seinem Leben. Und Heidi wird ihren noch schwierigeren Weg genauso unerschrocken gehen, wie sie schon ihr Leben mit körperlicher Behinderung angegangen ist.


Mit den Enkelkindern

Der Regisseur Christian Labhart

Als ich Röbi von meiner Idee eines poetisch-menschlichen Filmes über die letzte Wegstrecke seines Lebens erzählte, huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Nachdem wir uns verabschiedet hatten, wusste ich: Das wird eine Geschichte über realisierte und nicht realisierte Träume werden, über Abschied, Loslassen und den Umgang mit der Angst, alles zu verlieren. Und nicht zuletzt über den Wunsch, eine kleine Spur auf der Welt zurückzulassen. Bisher habe ich meinen eigenen Tod erfolgreich verdrängt. Ich werde wohl diesen Film nur machen können, wenn ich bereit bin, einen Teil meiner inneren Struktur aufzubrechen. Als ich mit meiner Frau zu Besuch bei Röbi und Heidi war, überraschten sie mich: keine Traurigkeit, kein Selbstmitleid, sondern eine Kraft, die ich von allen früheren Begegnungen mit den beiden in Erinnerung hatte. Ihre Ehrlichkeit und Unerschrockenheit, wie sie der Zukunft ins Auge blicken, machten mir Eindruck.

Röbi ist ein idealer Protagonist, weil er das Leben feiert, obwohl der Tod wartet. Zwei Fragen im Film, sie haben auch mit mir zu tun, könnten sein: Gibt es ein Leben nach dem Tod? Oder anders: Gibt es ein Leben vor dem Tod? Entlang dieser beiden Standpunkte wird sich der Film bewegen.


Am geliebten Pfäffikersee

Das Buch zum Film: «Komm durch die offene Tür»

Nach dem Schnitt des Films entstand der Wunsch, die Sicht auf Röbi um eine literarische Dimension zu erweitern. Damit verknüpfen Heidi Schmid und Christian Labhart seine Gedichte, Tagebucheinträge und Gedanken mit Bildern aus dem Film. Das schön gestaltete Buch mit 44 Seiten Text und ebenso vielen Fotos ist für Fr. 18.– zu bestellen bei heidi.schmid@bluemail.ch.

Als Nachbemerkung erlaube ich mir eine persönliche Empfehlung: Ich glaube, für Menschen, die noch nie das Sterben eines nahen Menschen miterlebt haben, kann dieser Film eine wertvolle, vielleicht notwendige Hilfe sein, für andere wohl ein wertvolles, wahrscheinlich hilfreiches Geschenk.


Heidi, nach Röbis Tod

Notizen zu den Filmschaffenden

Heidi Schmid, Co-Regie und Kamera. Geboren 1953 in Zürich, Ausbildung zur Lehrerin, 1974 – 2020 Lehrerin, Bäuerin und Mutter, seit 2019 Regisseurin und Kamerafrau. Regie mit Christian Labhart bei «Das Einzige, was wir haben, ist unsere Stimme», «Corona – radikale Fragen» und «Jeannine Gmelin – Kämpfen für Olympia».

Christian Labhart, Regie. Geboren 1953 in Zürich, 1972 – 1974 Beleuchter und Kameraassistent bei Condor Film, 1974 Lehrerausbildung, 1974 – 1980 Mittelstufenlehrer, ab 1980 Landwirt, Primarlehrer und Hausmann, seit 2000 freier Filmemacher. Auf dieser Website sind besprochen «Zum Abschied Mozart», «Zwischen Himmel und Erde – Anthroposophie heute» und «Passion».

Mirjam Krakenberger, Schnitt. 1982 – 1985 Cutterin bei SRF, 1984 – 1988 diverse Spielfilmassistenzen bei Fee Liechti und Georg Janett, 1991 – 1997 Dozentin an der Zürcher Hochschule der Künste, Film, Schnittbetreuung, 2000 – 2012 Dozentin an der Hochschule Design&Kunst Luzern, Schnittbetreuung, Studiengang Video, insgesamt über 50 Spiel- und Dokumentarfilme von Schweizer Filmemacher:innen geschnitten.

Titelbild: Röbi vor seinem Haus in Robenhausen

Regie: Christian Labhart und Heidi Schmid, Produktion: 2023, Länge: 83 min, Verleih: Royal Film