StartseiteMagazinKulturLuxus provokativ inszeniert

Luxus provokativ inszeniert

Wie eine Ladendiebin entwendet Sylvie Fleury Themen aus der Mode- und Kunstwelt und verwandelt sie in provokative eigene Werke. Das Kunst Museum Winterthur präsentiert mit «Shoplifters from Venus» eine umfassende Einzelausstellung der Schweizer Künstlerin aus Genf.

Seit rund 25 Jahren spielt Sylvie Fleury (*1961) ironisch mit Geschlechterklischees und Stereotypen der Konsumgesellschaft. Berühmt wurde sie durch ihre raffinierten Inszenierungen von Glamour, Mode und Lifestyle. Der Ausstellungstitel Shoplifters from Venus verweist nicht nur auf den Ladendiebstahl, sondern mit der römischen Göttin der Liebe auch auf den weiblichen Aspekt ihrer Arbeit.

«Céline Bag», 2017, in Bronze gegossen, vor Fernand Légers kubistischen Gemälden 

Als Einstimmung auf die grosse Schau sind einzelne ihrer Werke bereits auf dem Weg durch die Sammlung der Klassischen Moderne zu entdecken, etwa auf Sockeln deponierte Damenhandtaschen, darin eingesteckt ein Gemälde, das Ganze in Bronze gegossen. Vor einem Gemälde von Josef Albers stehen Originalschuhe des Londoner Designers Patrick Cox nach Farbkompositionen von Piet Mondrian. Damit erhebt Fleury die Luxusschuhe zum Kunstwerk.

«Patrick, Piet und Josef II», Designerschuhe von Patrick Cox auf einem Sockel, bemalt von Fleury in der Art konkreter Kunst.

Der eigentliche Ausstellungsrundgang beginnt mit den umstrittenen Shopping Bags, die in den frühen 1990er Jahren für Aufregung sorgten. Damals präsentierte die Künstlerin zehn prall gefüllte Einkaufstaschen mit originalverpackten Luxusartikeln, die sie bei einem nachmittäglichen Einkaufsbummel erworben hatte. Bewusst provozierte sie mit exklusiver Mode und Lifestyle und war selbst überaus stylish gekleidet. Ihre Einkaufstaschen tragen die Namen der berühmten Modelabels.

«Cologne», 1996, Einkaufstaschen mit Inhalt

Ihre Provokationen zeigten Wirkung. Die Kunstwelt war damals empört über ihre Vorliebe für profane Luxusartikel, die sie scheinbar kritiklos mit Kunst in Verbindung brachte. Dazu meinte sie: «Ich war – seltsamerweise vielleicht – bei Feministinnen nie sehr beliebt. Sie waren von meiner Haltung schockiert. Man warf mir sogar vor, antifeministisch zu sein.»

«Catwalk», 2008, 27 Bilder mit Goldketten, Catwalk, Wandmalerei

Sogar der Laufsteg einer Modeschau wird Teil ihres Kunstkonzepts. Auf diesem führten Fashion Models 2008 Bilder im Stil von Jackson Pollocks Action Painting wie Handtaschen vor. Die an den Wänden schräg aufgehängten Gemälde mit Goldspritzer auf schwarzem Grund sowie das Wandgemälde mit einer schillernden Sonne sind ebenso Teil dieser Installation.

Untitled, 2021, Teppich, Schuhe, Sessel. An der Wand «Frankie Goes to Hollywood n.5», 2002, eine Aneignung von Frank Stellas (*1936) Werk.

Fleurys Beschäftigung mit bekannten Vertretern der Minimal und Postminimal Art der amerikanischen Nachkriegskunst – ein Schwerpunkt in der Winterthurer Sammlung – ist offensichtlich. So provoziert sie die männlich geprägte Kunst der Pop-Art und des Minimalismus, indem sie sich deren Strategien aneignet und diese in einem neuen Setting kritisch hinterfragt. Sie übernimmt fremde Kunstvorbilder etwa eines Frank Stella, Donald Judd oder Carl Andre wie eine «Ladendiebin» und setzt diese in Verbindung mit der erotischen Verführung der «Venus», etwa dem weiblich geprägte Shoppingvergnügen einer Auslage von Schuhen und einem Sessel auf einem Plüschteppich, alles in Weiss, oder Schminkutensilien auf Bodenplatten oder auf einem Tisch.

Serie «First Spaceships on Venus», ab 1995

Ein Ausstellungsraum ist der Serie Raketen «First Spaceships on Venus» gewidmet. Raketen, das Phallussymbol schlechthin. Mit Raketen wird Krieg geführt, das Weltall erobert. Doch Fleurys Raketen brechen mit Männlichkeitsfantasien. Sie sehen wie überdimensionierte Spielzeugraketen aus, die Oberflächen mit weissem Kunstpelz überzogen, jene in Pink deutlich der Venus zugedacht. Zumindest lässt Fleurys Raketenarsenal augenzwinkernd viele Interpretationsmöglichkeiten zu.

Double Positive Installation, 2022, vergoldete Kleiderständer

Die letzte raumfüllende Installation Double Positive besteht aus zahlreichen goldglänzenden leeren Kleiderständern, als würden sie für eine spätere Nutzung für eine Modeschau bereitstehen. Auch die beiden Fitting Rooms mit violetten Ankleidekabinen und einem grossen Spiegel spielen mit der Leere und ihren potentiellen Besetzungen.

Die Künstlerin Sylvie Fleury, ohne Glamour, vor der violetten Ankleidekabine der Installation «Fitting Rooms», 2023.

Sylvie Fleury wurde anfänglich wegen ihrer Nähe zur banalen luxuriösen Konsumwelt nicht verstanden, die Ironie dahinter nicht erkannt. Zwar waren die Verschiebungen zwischen High und Low schon damals vorgespurt durch berühmte männliche Künstler wie Andy Warhol. Doch die Konnotation mit weiblichen Aspekten war ein Affront und passte nicht in die Vorstellung seriöser Kunst.

Heute ist Sylvie Fleury eine international gefeierte Künstlerin und meint: «Wenn ich zusammen mit anderen dazu beigetragen habe, die Mode in die Sphäre der Kunst zu überführen, so habe ich umgekehrt auch daran mitgewirkt, die Kunst in der Mode präsenter zu machen.»

Titelbild: «Patrick, Piet und Josef II», Detail, KMW. Fotos: rv

Bis 20. August 2023
Sylvie Fleury, Shoplifters from Venus, im Kunst Museum Winterthur, Beim Stadthaus

Zur Ausstellung erscheint eine umfangreiche Publikation, Herausgeber Konrad Bitterli und David Schmidhauser, erhältlich im Shop des Museums

Rabatt über Seniorweb

Beim Kauf einer Limmex-Notruf-Uhr erhalten Sie CHF 100.—Rabatt.

Verlangen Sie unter info@seniorweb.ch einen Gutschein Code. Diesen können Sie im Limmex-Online-Shop einlösen.

Beliebte Artikel

Mitgliedschaften für Leser:innen

  • 20% Ermässigung auf Kurse im Lernzentrum und Online-Kurse
  • Zugang zu Projekten über unsere Partner
  • Massgeschneiderte Partnerangebote
  • Buchung von Ferien im Baudenkmal, Rabatt von CHF 50 .-

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein