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Kleider – Zeugnisse vergangenen Lebens

Das Textilmuseum der Abegg Stiftung zeigt in seiner diesjährigen Ausstellung «Das letzte Gewand» restaurierte Kleider und Leichentücher aus einer Höhle im Libanon-Gebirge.

Seit Jahrzehnten geniesst die Restaurierungsarbeit der Abegg Stiftung international höchstes Ansehen. Immer wieder erhält das Zentrum einzigartige Textilien zur Wiederherstellung eines bestmöglichen Zustands. Anschliessend hat das Museum das Recht, diese Objekte auszustellen, bevor die kostbaren Stoffe zurück in ihr Heimatmuseum geschickt werden.

Diesmal stellt das Museum Textilien aus dem Nationalmuseum Beirut aus, die mehrere Jahre lang in Riggisberg BE restauriert worden waren. Es handelt sich um besonders seltene Stoffe: Leichentücher und Gewänder, die zwischen 1988 und 1993 in der Felsgrotte Assi el-Hadath im Libanongebirge gefunden worden waren. Sie stammen aus dem 13. Jahrhundert, als Menschen dort Schutz gesucht hatten, um in kriegerischen Zeiten zu überleben. So wurden auch ihre Toten dort im hintersten Teil der weitläufigen Höhle bestattet. Dank des trockenen Klimas blieben die Textilien erhalten.

Blick auf die Landschaft des Libanongebirges. Es handelt sich nicht um die erwähnte Felsgrotte. «Cedar and Rocks» © Sami Bado /commons.wikimedia.org

Kriegerische Zeiten

«Sie sind alt, gebraucht und geflickt. Genau diese Tatsache jedoch macht die Gewänder und Accessoires in dieser Ausstellung so besonders. Sie erzählen von der Kleiderkultur einer ländlichen Bevölkerung im 13. Jahrhundert und lassen erkennen, welch hohen Wert Textilien für die Menschen damals hatten», erklärt die Abegg Stiftung.

Tunika mit Stickerei (Ausschnitt) Libanongebirge, 13. Jh. Das Gewand ist aus ungefärbter Baumwolle genäht.

Es sind die Kleider von Maroniten, einer frühchristlichen Gemeinschaft, die im Libanon und Syrien beheimatet war, dort aber verfolgt worden war und seit dem 10. Jahrhundert im Libanongebirge eine Heimat gefunden hatte. Als seit dem 11. Jahrhundert die Kreuzritter sich durch Eroberungen diese Region zu eigen machten, erhielt die maronitische Bevölkerung Schutz von ihnen. Im 13. Jahrhundert endete die Herrschaft der Kreuzfahrer.

Kopfbedeckung, Libanongebirge, 13. Jh. Zu den textilen Fundstücken gehören neben den Gewändern auch Accessoires wie diese Kappe. Sie wurde am Bestattungsplatz eines Mannes gefunden.

Die Mamluken, «Militärsklaven», Moslems aus vielen Ländern, anfänglich vor allem aus Ägypten, verfolgten die Maroniten erneut. Aus arabischen Quellen wissen die Historiker, dass einige Maroniten in eine uneinnehmbare Höhle mit einem Brunnen flüchteten, denn der Sitz ihres Patriarchen, Hadath, nahe dem heutigen Beirut gelegen, wurde von den Mamluken angegriffen.

Ein trockenes Klima zur Freude der Forschenden

Die Höhle Assi el-Hadath entspricht dieser Beschreibung. Sie war für einen längeren Aufenthalt eingerichtet, es gab einen Brunnen und einen Trog, um Getreide zu mahlen. Im hintersten Teil, wo wie erwähnt, die Toten bestattet wurden, war es so trocken, dass sich die fragilen Textilfasern gut erhalten haben. Dass dort wirklich Maroniten lebten, beweisen die Funde von Handschriften mit christlichen Gebeten. Fünf Erwachsene, fünf Kinder und ein Neugeborenes, alle vollständig bekleidet und in Tücher gewickelt, wurden dort entdeckt, im Höhlenklima auf natürliche Weise mumifiziert.

Stickerei auf einer Tunika (Detail, s. Bild oben) Libanongebirge, 13. Jh. Die reiche Stickerei auf Brust und Schultern ist mit farbigen Seidenfäden ausgeführt.

Die Aufgabe des Restaurierungsatelier der Abegg Stiftung bestand darin, die Gewänder so weit wie möglich zu restaurieren, d.h. zunächst vorsichtig zu waschen und morsche Stellen schonend instandzustellen, so dass der ursprüngliche Gebrauchszustand erkennbar würde. – Gerade in diesen Arbeiten besitzen die Mitarbeitenden der Abegg Stiftung seit Jahrzehnten internationales Renommée.

Nachhaltigkeit im 13. Jahrhundert

Textilien herzustellen, war im Mittelalter sehr zeit- und kostenintensiv. Deshalb war es äusserst wichtig, dass die Kleidungsstücke lange tragbar blieben. Davon zeugen die zahlreichen Reparaturen und der Ersatz von zerrissenen Teilen. Die Expertinnen und Experten können anhand der textilen Spuren auf den ursprünglichen Gebrauch und die damalige Tragweise schliessen. So dienten offenbar die 28 übereinander genähten Stoffstücke auf Kniehöhe der Vorderseite einer blauen Frauentunika als Verstärkung oder Polsterung. Gleichzeitig machen die zahlreichen Ausbesserungen deutlich, dass die Tunika über lange Zeit bei der Arbeit getragen wurde. Diese «letzten Gewänder» wurden also nicht erst für die Bestattung hergestellt, sondern bereits zu Lebzeiten als Alltags- oder Festtagskleidung getragen.

Tunika, Libanongebirge, 13. Jh. Das blau gefärbte Baumwollgewand weist eine Vielzahl von Ergänzungen und Reparaturen auf. Sie machen deutlich, dass die Tunika über lange Zeit bei der Arbeit getragen wurde.

Der sorgfältige und nachhaltige Umgang mit den wertvollen Materialien offenbart sich auch in den ausgestellten Leichentüchern. Oftmals zusammengesetzt aus mehreren Einzelstücken, sind sie das Resultat gelungener Wiederverwendung älterer Stoffe. Hatte nämlich ein Kleidungsstück ausgedient, wurden die noch brauchbaren Teile für neue Zwecke umgearbeitet.

So entstanden Gewänder teilweise aus bereits verwendeten Stoffen. Die Schnittteile mussten sich in Form und Grösse an dem ausrichten, was an Material vorhanden war. So besteht beispielsweise der Oberstoff einer Kindertunika aus 19 Teilen von drei verschiedenen Geweben.

Für die Herstellung der Textilien wurden verschiedene Materialien verwendet, am häufigsten Baumwolle. Sie musste, ebenso wie Leinen, importiert werden. Als lokaler Rohstoff wurden Bastfasern, beispielsweise von der heimischen Brennnessel, verwendet. Die Mehrzahl der Stoffe ist ungefärbt, denn das Färben der Gewebe und Garne war ein Luxus, den sich nur die wenigsten Leute leisten konnten. Farbige Akzente wurden vor allem durch Stickereien in Seide gesetzt. Das kostbare Material wurde aus dem Osten importiert und vor Ort verarbeitet.

Wie solche Stickarbeiten entstanden, zeigt eine der vielen kleinen Videoanimationen. Diese sind sehr nützlich, sie erklären in Wort und Aktion, was es Wissenswertes zu den Ausstellungsobjekten gibt und wie die Restauratorinnen vorgegangen sind.

Das letzte Gewand. Grabfunde aus der Höhle Assi el-Hadath im Libanon. Sonderausstellung 2023 der Abegg Stiftung.
bis 12. November 2023 täglich 14.00 bis 17.30 Uhr

Titelbild: Kindermantel (Ausschnitt), Libanongebirge, 13. Jh. Materialien: Baumwolle, Leinen und Seide. Die braunen Stickereien stammen von anderen Gewändern. Sie wurden für den Schmuck des Mantels neu zusammengesetzt. Das Beispiel zeigt, wie kostbar Textilien waren und wie nachhaltig damit umgegangen wurde.

Herkunft aller Exponate: Direction Générale des Antiquités du Liban.
Alle Fotos: © Abegg-Stiftung, CH-3132 Riggisberg (Christoph von Viràg)

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