StartseiteMagazinKulturMystiker, Suchender, Romantiker

Mystiker, Suchender, Romantiker

Ein Jahr vor Caspar David Friedrichs 250-jährigem Geburtstag widmet das Kunst Museum Winterthur dem Künstler eine grosse Ausstellung. Es ist die erste in der Schweiz in Zusammenarbeit mit dem Museum Georg Schäfer in Schweinfurt: «Caspar David Friedrich und die Vorboten der Romantik».

Caspar David Friedrich verstand es wie kaum ein anderer Maler in seinen Bildern eine Sehnsucht auszudrücken, die bis heute wirkt. Seine stimmungsvollen Landschaften werden geliebt. Doch das war nicht immer so. Zu Lebzeiten hatte er zwar zeitweise Erfolg, aber nach seinem Tod geriet er fast völlig in Vergessenheit. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde Friedrich zufällig wieder entdeckt und seine Bilder 1906 in Berlin ausgestellt. Aus dieser Ausstellung erwarb der Winterthurer Sammler Oskar Reinhart mehrere Werke, darunter Die Kreidefelsen auf Rügen, die sich heute im Kunst Museum Winterthur befinden.

«Mondaufgang am Meer», 1822, Nationalgalerie Berlin

Die Deutung von Friedrichs Werk war immer umstritten und ist es bis heute. War er ein spirituell-religiöser oder ein politischer Maler, zumal er sich angesichts der Napoleonischen Kriege gegen Frankreich gewandt hatte. Als ich seine Landschaften erstmals in einer grossen Ausstellung um 1970 im Zürcher Kunsthaus sah, war ich tief berührt. Und doch war damals noch nicht ganz klar, ob Friedrich in die Kitschecke gehörte oder ernsthaft in die hohe Kunst. Die Nationalsozialisten hatten ihn als ihren Deutschen Maler vereinnahmt, so blieb die Haltung ihm gegenüber nach dem Krieg zurückhaltend.

Blick in die Ausstellung, im Vordergrund «Kreidefelsen auf Rügen», 1818, Kunst Museum Winterthur

Die vom Kunst Museum Winterthur und vom Museum Georg Schäfer gemeinsam entwickelte Ausstellung, kuratiert von David Schmidhauser, rückt nicht die kontroversen Interpretationsansätze ins Zentrum, sondern präsentiert sein Werk eingebettet in ein komplexes kulturelles und künstlerisches Umfeld. Ausgehend von der holländischen Landschaftsmalerei eines Jacob van Ruidael zu den Stimmungsbildern Claude Lorrains bis zum in Dresden lehrenden Schweizer Künstler Adrian Zingg.

«Landschaft mit Eichen und Jäger», 1811, Kunst Museum Winterthur. Die Gestaltung der Eichen erinnert an holländische Darstellungen des 17. Jahrhunderts. Foto: rv

Caspar David Friedrich (1774-1840) kam in Greifswald als sechstes von zehn Kindern eines Seifensieders und Kerzenziehers zur Welt. Schon als Kind war er etwas eigen – man denkt heute an Symptome von Autismus und Asperger – später litt er immer wieder unter depressiven Phasen. Als Vierzehnjähriger erhielt er Zeichenunterricht, nach Kupferstichen und Abgüssen antiker Skulpturen. 1794 studierte er an der Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen. 1798 verlegte er seinen Lebensmittelpunkt nach Dresden, wo er mit der romantischen literarischen Bewegung in Berührung kam. Zu seinen Freunden zählten die Schriftsteller Ludwig Tieck und Heinrich von Kleist und auch sein Malerkollege Otto Runge.

Adrian Zingg, «Der Prebischkegel», um 1770, Sepiazeichnung, Kupferstichkabinett Dresden. Foto: rv

In Dresden vertiefte er sich in die Landschaftsmalerei, die der gebürtige St. Galler Adrian Zingg (1743-1816) unterrichtete. Zingg war 1766 nach Dresden berufen worden und für seine grossformatigen Sepia-Zeichnungen bekannt. Er zeichnete mit seinen Studenten draussen in der felsigen Umgebung, die in der Folge «Sächsische Schweiz» genannt wurde. Von der Schweiz her war Zingg es gewohnt, draussen Naturstudien zu machen; auch seine Kollegen etwa Heinrich Wüest skizzierte und malte 1772 den Rhonegletscher vor Ort oder Caspar Wolf schuf Gebirgslandschaften im Berner Oberland. Letztere sind ausgestellt, ebenso Landschaftsaquarelle von Johann Ludwig Aberli. Der in Winterthur geborene Aberli hatte das Verfahren der «Umrissradierung», die koloriert werden konnte, entwickelt, um Aquarelle zu vervielfältigen. Dadurch verbreiteten sich die Schweizer Landschaften in ganz Europa und förderten Reisen in die Schweiz. Auch Friedrich wollte gerne einmal die Schweizer Berge kennenlernen, doch fehlte stets das Geld.

«Hünengrab im Schnee», 1807, Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Friedrich kam aus einem lutherischen Haus und setzte sich in Dresden intensiv mit der Naturmystik auseinander. Die Natur war für ihn göttliche Offenbarung, das Malen Andacht. Er wollte nicht nur die Natur abbilden, sondern die eigenen, auch spirituellen Empfindungen in die Malerei einfliessen lassen. Er sah es als seine Aufgabe, Kunst und Religion zu verbinden.

«Wanderer über dem Nebelmeer», um 1817, Hamburger Kunsthalle

Anfänglich arbeitete Friedrich hauptsächlich in Sepia, Tusche, Bleistift, Aquarell und Deckfarben. Diese Papierarbeiten werden in der Schau wegen ihrer hohen Lichtempfindlichkeit im ersten Teil etwas abgedunkelt präsentiert. Erst 1807 wagte er sich an die Ölmalerei, die er bewusst im Selbststudium erlernen und weiterentwickeln wollte ohne fremde Einflüsse.

«Ruine Eldena im Riesengebirge», um 1830/34. Pommersches Landesmuseum, Greifwald. Friedrich wanderte allein oder mit Freunden: in den früheren Jahren an die Meeresküste von Rügen, später in die Sächsische Schweiz und ins Riesengebirge in Böhmen.

In der Komposition entwickelte Friedrich eine eigene Bildsprache. Seine Landschaften entsprechen nur teilweise der Wirklichkeit; sie sind aus unterschiedlichen realen Landschaftselementen zusammengesetzt. Auch seine Form der Kreidefelsen sucht man auf der Ostseeinsel Rügen vergeblich. Friedrich verzichtete beim Malen bewusst auf Vorzeichnung und Farbentwürfe, weil dadurch die Fantasie erkalte, wie er meinte. Dafür verwendete er gerne geometrische Mittel wie Symmetrie, Goldener Schnitt, Ellipse und besonders die Hyperbel, die seine Landschaften scheinbar ins Unendliche ausdehnen lassen. Er «romantisiere» seine Bilder, bemerkten seine Zeitgenossen spöttisch. Doch durch Caspar David Friedrich wurde die «Romantik» zum Inbegriff einer ganzen Epoche.

Titelbild: Ausschnitt aus «Kreidefelsen auf Rügen», 1818, Kunst Museum Winterthur
Bilder: Vom Kunst Museum Winterthur zur Verfügung gestellt und rv

Bis 19. November 2023
«Caspar David Friedrich und die Vorboten der Romantik» im Kunst Museum Winterthur am Stadtgarten, Winterthur
Ausstellungskatalog mit verschiedenen Essays und zahlreichen Abbildungen, CHF 48.00

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