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Unterwegs mit Goethe

Die Neuausgabe von «Goethes Schweizer Reisen» verblüfft durch die lebendigen Aufzeichnungen Goethes sowie seiner Begleiter und Gastgeber. Zudem machen die aktualisierten Reiserouten Lust zum Nachwandern. Die zwei Bände wurden von Margrit Wyder, Barbara Naumann und Robert Steiger zusammengestellt und kommentiert.

Das Angebot vom Schwabe Verlag, Goethes Schweizer Reisen zu besprechen, lösten in meinem Umfeld wenig Begeisterung aus: Ist Goethe nicht veraltet, interessiert das unsere Leserinnen und Leser überhaupt? Ich habe mich in die Lektüre vertieft und war begeistert. Kein alter verstaubter Dichter kam mir entgegen, sondern ein sportlicher, interessierter junger Mann, der im 18. Jahrhundert den Mut und auch die Mittel fand, die Landesgrenzen zu überschreiten, geleitet vom Interesse an der Freiheitstradition der Schweiz, ihren gesellschaftlichen Verhältnissen sowie ganz besonders an den Alpen.

Johann Wolfgang Goethe (1749-1832) bereiste und durchwanderte die Schweiz dreimal, 1775, 1779 und 1797; und zusätzlich im Juni 1788 auf der Rückreise aus Italien, vom Splügenpass bis zum Bodensee. Die Aufzeichnungen im ersten Band erfolgen in chronologischer Reihenfolge: in Briefen, Tagebüchern, literarisch gestalteten Reiseberichten bis zur Liste der unterwegs benötigten Wäschestücke.

Die Literaturwissenschaftlerinnen Margrit Wyder und Barbara Naumann sowie der Herausgeber Robert Steiger wählten Texte, die während der jeweiligen Reise entstanden, und nicht nachträglich von Goethe oder seinen Mitarbeitern redigiert wurden. Sie wirken frisch und lebendig, auch jene seiner Reisebegleiter und Gastgeber.

Goethes erste Reise von Mai bis Juli 1775 war für den 26-Jährigen eine Art Befreiungsschlag. Er mochte sich als Jurist, erfolgreicher Autor des Romans Die Leiden des jungen Werthers und als möglicher Ehemann noch nicht in Frankfurt festsetzen. Er hoffte aus räumlicher Distanz durch das Eintauchen in die Natur des Hochgebirges sowie durch die Begegnung mit dem charismatischen Pfarrer Johann Caspar Lavater in Zürich mehr Klarheit über sein Leben zu gewinnen. Zudem gehörte das Wandern zu seiner Passion, sie beruhige sein Gemüt, schreibt er in Dichtung und Wahrheit. Die physisch anspruchsvollen Touren am Gotthard, auch im Wallis, zeugen von seiner Fitness und Ausdauer.

Johann Rudolf Holzhalb, Zürich vom Stampfenbach her, 1781, Radierung, ZB Zürich,

Dem in die Heimat Zurückgekehrten eröffneten sich neue Perspektiven am Hof von Weimar, wo Goethe für den damals 18-jährigen Herzog Carl August das Ministeramt übernehmen konnte und sich mit ihm befreundete. Unter der Obhut des acht Jahre älteren Goethes waren die beiden von Oktober bis Dezember 1779 in der ganzen Schweiz unterwegs, Goethes zweite Reise. Der wagemutige junge Herzog musste öfters von seinem Betreuer zurückgehalten werden, besonders im Gebirge etwa in der Mont-Blanc Region, von wo aus sie ins Wallis wanderten und Mitte November bei viel Neuschnee über die Furka den Gotthard erreichten. Sowohl Goethe als auch Carl August schreiben in ihren Briefen und Tagebüchern von ihren Erfahrungen auf der abenteuerlichen und körperlich anspruchsvollen Tour.

Gabriel «Père» Lory, Ansicht des Rosenlauigletschers mit Wellhorn und Wetterhorn, 1823

Im Herbst 1797 hält sich Goethe zum dritten Mal in der Schweiz auf, diesmal in Begleitung seines Sekretärs Ludwig Geist. Eigentlich wollte er nochmal nach Italien, was durch die politische Situation durch Napoleon verhindert wurde. Goethe war jetzt 48 Jahre alt und wollte in erster Linie den Schweizer Maler Johann Heinrich Meyer in Stäfa für ein gemeinsames Projekt besuchen. Die beiden hatten sich in Rom kennengelernt.

Mit Meyer reiste er nochmal zum Gotthard, diesmal abgeklärter und besonders an Mineralien interessiert. Auf dem Rückweg über den Vierwaldstättersee spürte er dem Freiheitskämpfer Wilhelm Tell nach. Eigentlich wollte er über ihn ein Epos schreiben, übergab den Stoff jedoch später seinem jüngeren Dichterfreund Friedrich Schiller, der durch seine dramatische Bearbeitung den Tell erfolgreich zum Schweizer Freiheitshelden erhob.

Charles-Melchior Descourtis, Gottardhospiz, 1785.

In Stäfa bezog Goethe in Meyers Nähe sein Quartier, wo er in Ruhe arbeiten konnte und Ausflüge in die Umgebung machte, auch nach Zürich. Wie seine Aufzeichnungen bezeugen, war er stets enorm umtriebig und fleissig, hatte sogar auf einer seiner Wanderungen mitten im Schneegestöber Zeit gefunden, am Egmont zu schreiben. Von Stäfa aus korrespondierte er mit Friedrich Schiller, Herzog Carl August und seiner jungen Frau Christiane Vulpius, die er offensichtlich von Herzen liebte. Da sie nicht seinem Stand entsprach, ächtete die Gesellschaft diese Verbindung. Erst 1806 war eine Heirat möglich. Von den fünf gezeugten Kindern überlebte nur der Erstgeborene, der später als Beamter am Weimarer Hof Karriere machte.

Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, Goethe in der römischen Campagna, 1787

Goethes Briefe von seiner letzten Reise sind beschaulicher, auch betroffen von den Kriegswirren, die ihn am Reisen nach Italien hinderten. Er schreibt von seinen Beobachtungen, seinem Interesse an Geologie und Mineralogie, zumal er eine grosse Gesteinssammlung vom Gotthard nach Weimar mitbrachte. Die privaten Aufzeichnungen seines Sekretärs Ludwig Geist ergänzen und erweitern Goethes Erlebnisse, auch mit volkskundlich interessanten Beobachtungen.

Als junger Mann hatte Goethe den charismatischen Zürcher Pfarrer Johann Caspar Lavater über alle Massen bewundert. Während seines ersten Aufenthalts in Zürich wohnte er bei ihm und kam durch ihn mit den geistigen und politischen Grössen der Stadt in Kontakt. Lavater gehörte zu den Wenigen, die Goethe in seinen Briefen als Bruder und mit Du ansprach. In den späteren Jahren kühlte diese Verehrung ab. Bei der letzten Reise wich er ihm sogar aus und nannte ihn im Tagebuch despektierlich «Kranich». Goethes Besuche in Basel, Bern und Lausanne werden durch Zeitgenossen ebenso aufschlussreich dokumentiert.

Im Zürcher «Schönenhof» war Goethe oft zu Gast bei seiner Freundin Barbara Schulthess (1745-1818), Kohlezeichnung von Heinrich Hintermeister, 1931

Frauen gehörten stets zu Goethes engem Beziehungsnetz. Die Briefe an Frau von Stein nach Weimar sind wohlformulierte Reiseberichte. Dafür gab er sich grosse Mühe. Jene an Barbara Schulthess in Zürich sind spontaner, zeigen aber, wie seine Zuneigung zu ihr später abnahm und er bei seiner letzten Reise zögerte, sie zu treffen.

Der zweite Band bietet die Möglichkeit, Goethes Wege heute nachzuwandern anhand von 25 recherchierten aktuellen Wanderrouten, ergänzt von Themenseiten mit Querverbindungen und Kommentaren zu den historischen Landschaften. Beide Bände sind reich bebildert, der Textband mit Goethes Zeichnungen und zeitgenössischen Illustrationen, das Wanderbuch mit aktuellen Fotos und Kartenausschnitten.

Titelbild: Teufelsbrücke (Schöllenen)
Alle Bilder: Wikimedia Commons

Margrit Wyder, Barbara Naumann, Robert Steiger (Hg), «Goethes Schweizer Reisen», in zwei Bänden mit Schmuckschuber, reich illustriert, Schwabe Verlag, Basel 2023. ISBN 978-3-7965-4771-3

Siehe auch Veranstaltungen und Beiträge: «Goethe in der Schweiz»
Informationen zu Goethes Schweizer Reisen: siehe hier

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