StartseiteMagazinKulturGräber - Schutzraum für alte Kunst

Gräber – Schutzraum für alte Kunst

«MOCHE – 1000 Jahre vor den Inkas», die Ausstellung im Museum zu Allerheiligen in Schaffhausen zeigt herausragende Werke einer wenig bekannten Kultur an der Nordküste Perus. Das Reich der Inkas war das letzte einer langen Reihe von Kulturen am Pazifik.

Die Moche-Menschen lebten zwischen dem 1. und 8. Jahrhundert n. Chr. in fruchtbaren Flusstälern. Einer dieser Flüsse heisst Moche (span., ausgesprochen «Motsche»), nach diesem wurde die Kultur benannt, in Peru heisst sie auch Mochica. Die Täler glichen Oasen und wurden mit einem ausgeklügelten Bewässerungssystem intensiv bewirtschaftet, überall sonst war und ist noch heute Wüstenland.

Seit ca. 1930 erforschen Gelehrte diese Kultur und ihre Entwicklung. Ihre Erkenntnis: Die Keramiken der Moche sind nicht nur von hohem künstlerischem und historischem Wert, sie sind eine «keramische Bibliothek». Sie bilden alle wichtigen Phasen des Lebens der Menschen ab. Sie erzählen vom Alltag, von der Natur, von Kriegern, Ritualen, Herrschern, von der Liebe und vom Tod.

Krieger mit Streitaxt und Rundschild, Kupfer, versilbert, © Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, Slg. Ebnöther, Foto: Ivan Ivic

Abbilder des Lebens – in Gräbern gefunden

Kunstvolle und ausdrucksstarke Figuren sind es, voller Realismus. Gerade die Portraits sind sehr individuell gestaltet. «Von allen bekannten Andenvölkern haben die Künstlerinnen und Künstler der Moche wohl das breiteste Spektrum an menschlichen Figuren und Aktivitäten geschaffen», erfahren wir von Kurator Werner Rutishauser. Die Personen sind sehr lebensnah gestaltet; auch Kranke, Verstümmelte oder Gelähmte fehlen nicht. Forschende vermuten, dass solchen Menschen besondere Gaben oder Fähigkeiten zugeschrieben wurden. Daneben erkennen wir Zeichnungen von Heilerinnen und Heilern bei ihrer Tätigkeit. Gefässe, auf denen Skelette abgebildet sind, sehen wir und einen richtigen Totentanz.

Die Gabelhalsflasche

Zwei Dinge sind besonders bemerkenswert.
Zum einen sind die Keramiken fast alles Gefässe, Krüge, meist sogenannte Gabelhalsflaschen, vielleicht eine Moche-Spezialität. Die «Flasche» hat die Form einer Hohlfigur, sei es Mensch oder Tier, und besitzt einen «Henkel», innen hohl, der oben in einer Öffnung endet, aus der getrunken wurde, vermutlich Bier (chicha). Dieses Maisbier, das in vielen Kulturen Amerikas bekannt ist, wurde zu Ritualen oder Festlichkeiten getrunken.

Gabelhalsflasche in Form eines Koka kauenden Kriegers, © Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, Slg. Ebnöther, Foto: Ivan Ivic

Zum anderen: Die kunstvollen Keramiken wurden für hochstehenden Persönlichkeiten hergestellt, daher sind sie wohl besonders sorgfältig gearbeitet und verziert. Aus den Gebrauchsspuren schliesst man, dass sie zuerst benutzt wurden und anschliessend als Grabbeigaben dienten. In Gräbern waren sie besser geschützt als die Gegenstände des Alltags, die in den Hütten und Häuschen der einfachen Leute die Jahrhunderte nur schlecht überdauert haben.

Die erste Ausstellung solcher Kunstwerke der Moche-Leute fand vor zehn Jahren statt. Das Grab des Fürsten von Sipàn wurde in Bonn ausgestellt und machte damals Furore.

Die jetzige Ausstellung im Museum zu Allerheiligen ist die zweite Ausstellung weltweit und die umfangreichste dazu: insgesamt 227 Objekte. Davon stammen 208 Exponate aus der Sammlung Ebnöther. – Das Museum zu Allerheiligen verdankt dem Schweizer Industriellen und Kunstsammler Marcel Ebnöther (1920-2008) viele kunstgeschichtliche Schätze. Auch die Etrusker-Ausstellung vor fünf Jahren basierte auf dessen Sammlung. Ebnöther, der viel reiste, besonders in Lateinamerika, konzentrierte sich auf alte Kunstwerke; für Qualität hatte er ein gutes Auge.

Maskenartiges Schmuckelement, Moche IV, © Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, Slg. Ebnöther, Foto Ivan Ivic

Die Moche liebten Farbe und Musik

«Die Welt der Moche war bunt», erklärt uns Werner Rutishauser, obwohl die Keramikwerke in Hell und Dunkel (Ockerfarben) gehalten sind. Die Häuser, auch die Pyramiden, von denen nur zwei als Ruinen noch gefunden wurden, waren mit starken Farben bemalt. Die Moche-Künstler konnten auch mit Metall umgehen; Kupfer verwendeten sie besonders häufig, aber auch Gold und Silber. Schmuckstücke und Masken, ebenfalls farbig, zeugen davon.

Maske mit Reisszähnen, Kupfer, Zinnober, Silber, Gold, Türkis, © Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, Slg. Ebnöther, Foto: Ivan Ivic

Obwohl die Moche das Rad nicht kannten und nicht über eine Schrift verfügten, war ihre Zivilisation alles andere als primitiv.  Die Forschenden gehen davon aus, dass es in jener Zeit keine Kriege zwischen den Moche und ihren Nachbarn gab. Schwerter und andere Waffen wurden allerdings angefertigt.

In Ritualkämpfen wurde regelmässig gekämpft. Das heisst: Die Krieger fochten in Kämpfen, die mit einem Sieger und einem Verlierer endeten, der dabei den Tod fand. – Blutspuren zeigen, dass dies kein übles Gerücht war. Von späteren Völkern, den Azteken z.B., erzählen die spanischen Eroberer das gleiche. Die Gräber mit den prächtigen Beigaben gehören wohl in vielen Fällen solchen im Kampf unterlegenen Männern.

Dualismus in ihren religiösen Vorstellungen

Die Forschenden schliessen aus allen Quellen, über die sie auf Denken und Religion der Moche schliessen können, dass dieses Volk Leben und Tod als Dualismus erlebte; nicht als Gegensatz, sondern als zwei Teile eines Ganzen: Hell und Dunkel ergänzen sich. Daher die entsprechende Verzierung der Ritualgefässe. Auch die Konstruktion der Gabelhalsflasche verweist darauf.

Trompete, © Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, Slg. Ebnöther, Foto: Ivan Ivic

Wenn wir die Keramiken betrachten, entsteht der Eindruck, dass sich die Moche-Menschen das Leben nach dem Tode als fröhliches Fest vorgestellt haben. Es wird getrunken, getanzt, Musik gemacht – und die Liebe kommt wohl auch nicht zu kurz.

Die zahlreichen Objekte sind im Museum mustergültig ausgestellt: Da sie relativ klein sind und von allen Seiten interessant, wurden sie in Vitrinen platziert, die frei im Raum stehen. Wegen der Beschaffenheit der fragilen Werke musste das Licht reduziert werden, was dem Raum eine beinahe geheimnisvolle Atmosphäre gibt.

Auf grossen, gut lesbaren Wandbehängen finden wir alle Informationen zu den Moche, ihrer Gesellschaft und ihrer Kunstfertigkeit. Ihre Geschichte ist eingebettet in die Abfolge der Kulturen, soweit sie heute bekannt ist.

Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen unter Mitwirkung der weltbesten Moche-Forschenden. Darin wird die gesamte Moche-Sammlung von Marcel Ebnöther dokumentiert.
Zahlreiche Veranstaltungen für Erwachsene und Familien sind geplant.

MOCHE – 1000 Jahre vor den Inkas. Museum zu Allerheiligen Schaffhausen. Bis 28. April 2024

Titelbild: Gabelhalsflasche in Form eines liegenden Panflötenspielers, © Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, Slg. Ebnöther, Foto: Ivan Ivic

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