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Schmerz und Leiden

Können wir trotz chronischen Schmerzen ein erfülltes Leben führen? Ja, meint Jon Kabat-Zinn. In seinem neuesten Buch «Achtsam mit dem Schmerz» erläutert er einen achtsamen Umgang mit dem Schmerz und liefert gleich Audio-Links zu geführten Meditationen mit.

Der akute Schmerz ist ein wertvoller Hinweis, dass irgendwo im Körper etwas nicht stimmt und man kann punktuell das, was den Schmerz auslöst, wieder ins Lot bringen. Eine tolle Aufgabe für medizinische Spezialisten. Ganz anders ist es bei chronischen Schmerzen, mit denen jemand zu leben hat. Da besteht die Gefahr, dass der chronische Schmerz zu einem zentralen Lebensinhalt wird und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigt. Aber es kann auch ganz anders sein. Es gibt Menschen, die können trotz chronischen Schmerzen einen freudvollen Alltag gestalten.

Wie geht das? Nach Kabat Zinn kommt es u. a. auf die Deutung des Schmerzes an, auf die geistige Umgangsweise mit ihm. Welchen Stellenwert wir dem Schmerz geben, entscheiden wir. Wenn wir achtsam mit dem Schmerz umgehen, finden wir heraus, mit welchen Aktivitäten er auf welche Weise kombinierbar ist.

Das Buch «Achtsam mit dem Schmerz» zeigt, wie man die MBSR-Methode auf chronische Schmerzen anwenden kann. MBSR ist die Abkürzung für Mindfulness-Based Stress Reduction, auf deutsch achtsamkeitsbasierte Stressreduktion. Weltweit wird der von Kabat-Zinn entwickelte MBSR 8-Wochenkurs angeboten, so auch in der Schweiz und es gibt sogar einen MBSR-Verband Schweiz mit Informationen zu Achtsamkeit und zu Kursangeboten unter https://www.mindfulness.swiss.

Wer chronische Schmerzen hat und hie und da Achtsamkeitsübungen macht, wird  ermuntert, gezielt und regelmässig zu praktizieren. Das Buch lässt sich leicht lesen und ist angereichert mit fett gedruckten Zitaten, die wesentliche Aussagen in Erinnerung rufen. Fotos im Text laden zwischendurch zur entspannenden Betrachtung ein.

Die zentralste Aussage findet sich auf der Umschlagseite des Buches: «Es gibt einen grossen Unterschied zwischen Schmerz und Leiden. In diesem Leben mag zwar der Schmerz manchmal unausweichlich sein, das Leiden hingegen – das heisst, wie wir mit dem Schmerz umgehen – ist eine Wahl.» Das ist eine gute Nachricht und der Erfolg der Achtsamkeitsmethode von Kabat-Zinn ist durch wissenschaftliche Studien erwiesen.

Seit einiger Zeit ist die aus dem Buddhismus stammende Praxis der Achtsamkeit kritisiert worden. Es wird etwa gesagt, die Achtsamkeitspraxis sei zu selbstbezogen, es gehe nur darum, sich selbst zu optimieren, den Stress zu reduzieren ohne ethisch/politisch auf die Leiden erzeugende Mit- und Umwelt einzuwirken. Tatsächlich ist im Buddhismus die «Rechte Achtsamkeit» das siebte Glied des achtfachen Pfades zur Überwindung des Leidens und  eingebettet in ethische Regeln und in Regeln für ein weises Weltverständnis. Diese Kritik scheint mir berechtigt, wenn Achtsamkeitspraktiken bloss narzisstische Bedürfnisse befriedigen unter gleichzeitiger Vernachlässigung von sozialer und ökologischer Verantwortung.

So gesehen genügt es nicht, durch Achtsamkeitspraxis den Schmerz zu reduzieren und erträglich zu machen, wenn sie nicht kombiniert wird mit einer sinnvollen Lebensführung zum eigenen Wohl und zum Wohl unserer Mitmenschen.

Jon Kabat-Zinn: Achtsam mit dem Schmerz. Das MBSR-Programm bei chronischen Beschwerden. München 2023. ISBN: 978-3-426-29341-6

Jon Kabat-Zinn (geb. 1944) ist promovierter Molekularbiologe und emeritierter Professor für Medizin an der University of Massachusetts Medical School. Dort gründete er 1979 die weltbekannte MBSR-Klinik und 1995 das Center for Mindfulness in Medicine, Health Care and Society. Seine 15 Bücher sind in mehr als 40 Sprachen übersetzt.

Titelbild von Joe auf Pixabay

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