StartseiteMagazinKolumnenDie «Heiratstrafe» und die Bundesrats-Wahlen

Die «Heiratstrafe» und die Bundesrats-Wahlen

Er wird alle Hände voll zu tun haben, der neue Innenminister, heisst er Jon Pult, Beat Jans, oder ist es gar Ignazio Cassis, sofern ihn die Bundesversammlung gnädig weiterregieren lässt und der Bundesrat ihn, den Glücklosen, bei der Departementsverteilung ins «Innere» versetzt, damit er als Arzt, als ehemaliger Gesundheitspolitiker doch noch beweisen kann, dass er Bundesrat kann.

Auf jeden Fall wird der Bundesrat, die Bundesrätin, der/die Alain Berset nachfolgt, über keine 100 Tage Schonzeit verfügen, um sich im Department des Inneren zurechtzufinden. Sie oder er wird sofort in den Abstimmungskampf einsteigen müssen, um die Position des Bundesrates zu zwei wegweisenden, gar zentralen Initiativen zu vertreten. Denn bereits am 3. März 2024 geht es um nichts anders als um das beliebteste Sozialwerk der Schweizerinnen und Schweizer: die AVH und damit verbunden um das Renteneintrittsalter. Genauer: Es geht um die Volksinitiative der Gewerkschaften «Für ein besseres Leben im Alter», für eine 13. AHV-Rente. Und zweitens kommt die Volksinitiative der Jungfreisinnigen «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge» zur Abstimmung. Ein Volksbegehen, das das Renteneintrittsalter sukzessive erhöhen will. Beide Initiativen lehnen Bundesrat und Parlament ab.

Während die 13. AHV-Rente nach den ersten Umfragen auf über 70% Zustimmung kommt, wird die Erhöhung des Renteneintrittsalter kaum eine Chance haben. Es ist aber immer auch so, dass populäre Initiativen – wie die 13. Rente – bei ersten Umfragen meistens sehr gut starten. Je näher es aber jeweils zum Urnengang kommt, umso mehr sinken jeweils die Werte markant. Dennoch: Die 13. AHV-Rente hat gute Chancen, aber auch ihren Preis: 4.1 Mia. Franken. Eine stolze Summe. Geld, das aber auch wieder zum Teil in die  Wirtschaft fliessen würde. Die Schweiz würde damit nachvollziehen, auf das sich unsere Nachbarn im Fürstentum Liechtenstein schon lang jeweils freuen können: auf ein Weihnachtsgeschenk aus der AHV, auf die 13. Rente. Und es ist eh die AHV, die Zukunft hat, die mit dem Umlage-Verfahren solider und solidarischer finanziert wird als die berufliche Altersvorsorge, die zweite Säule mit dem Kapitaldeckungs-Verfahren.

Nun setzte der Bundesrat dem Neuen in der Landesregierung im Gesundheits- und Sozialdepartement (Inneres) kurz vor den Wahlen auch noch ein unausgebrütetes Ei ins Nest. Bis Ende März geht in die Vernehmlassung, was schon jetzt die Linke, Sozialinstitutionen auf die Palme bringt. Und brisant ist, dass der Druck gar von aussen kommt. Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat nämlich entschieden: Die schweizerische AHV ist männerfeindlich. Und was tut der Bundesrat mit dem unausweichlichen Entscheid? Statt die Männer den Frauen in der Witwen-/Witwer-Rente gleichzustellen, macht er daraus ein Sparpaket. Lebenslange Witwenrenten soll es nicht mehr geben. Kinderlose Witwen bekämen noch zwei Jahre lang eine Übergangsrente, dann würden selbst bestehende Renten gestrichen. Ältere und ärmere Witwen sollen nach dem Bundesrat über Ergänzungsleistungen unterstützt werden. Künftig sollen aber alle, Witwen und Witwer, die unterhaltspflichtige Kinder unter 25 Jahre haben, eine Hinterlassenen-Rente erhalten. Neben dem Abbau bei den Frauen gibt es aber doch noch einen Fortschritt festzuhalten: künftig sollen auch Unverheiratete (Frauen und Männer) eine Rente erhalten, wenn sie nach dem Tod der Lebenspartnerin, des Lebenspartners für gemeinsame Kinder unter 25 Jahre aufkommen müssen. Mit diesen nun eingeschränkten Witwen- und Witwer-Renten könnte in der AHV bezogen auf das Jahr 2040 jährlich etwa 700-800 Mio. Franken gespart werden. Immerhin.

Diese Reform, welche die Heiratsstrafe verschärfen würde, könnte auslösen, was die AHV wiederum stärker belasten würde, zumindest eine genaue Berechnung erfordert: die Abschaffung der eigentlichen Heiratsstrafe. Die Forderung nämlich, dass Eheleute mit Konkubinats-Paaren gleichgestellt würden, dass auch Ehepaare je eine 100-prozentige AHV ausbezahlt bekämen, statt gemeinsam nur 150 %, wird ein Revival erleben und die Mitte auf den Plan rufen, die sich schon lange für die Abschaffung der «Heiratstrafe « einsetzt.

Der neue Innenminister wird also gefordert sein. Er hat auszubrüten, was ihm seine Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat angerichtet haben. Und die Bundesversammlung ist gut beraten, wenn sie abwägt und sich genau überlegt, wer den Mammutaufgaben im Departement des Inneren gewachsen sein wird, zu stemmen vermag, was Innovations- und Durchsetzungskraft verlangt. In dieser Situation würde ich einer jungen, dynamischen und vor allem kommunikativen Kraft den Vorzug geben: Jon Pult. Er würde in den nächsten 20 Jahren die Generation vertreten, welche unsere Renten mitfinanziert, müsste die Renten so reformieren, dass auch sie, wie wir, einen würdigen Lebensabend erleben werden. Die Gesundheitspolitik hat er auf gesunde Füsse zu stellen, dass auch Mittelstandsfamilien künftig die Krankenkassen-Prämien noch bezahlen können. Und er hat mitzuwirken, dass wir ein prosperierendes Verhältnis zu Europa finden, im Interesse der Generationen, die jetzt die Schweiz und in den nächsten 20-30 Jahren prägen werden. Und er mittendrin und so insbesondere ihnen gegenüber verantwortlich.

Während die «Sonntag-Zeitung» sich mit Jon Pult umtreibt, ihn in einem Interview zu demaskieren versucht, berichtet die «NZZ am Sonntag» von einer «fragwürdigen Männerfreundschaft», die Beat Jans erst löste, als er als möglicher Bunderats-Kandidat gehandelt wurde. Die beiden sind bis zuletzt auf dem Prüfstand, bis am Mittwoch, am Wahltag. Und das ist gut so.

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4 Kommentare

  1. Ich bin ganz bei Ihnen, Herr Schaller. Ein Anwärter der jüngeren Generation als Nachfolger von Bundesrat Berset, mit Wurzeln in drei Kulturen und Sprachen, mit Erfahrung in verschiedenen politischen Gremien, in Privatunternehmen, Lehrer mit Studium der Geschichte, Wirtschafts- und Sozialgeschichte sowie Philosophie und nicht zuletzt als Vizepräsident der SP, ist Jon Pult meines Erachtens prädestiniert für die Besetzung des verantwortungsvollen, richtungs- und einflussreichen Sitz im Bundesrat.
    Ein sozialer und kommunikativer Intellektueller mit Bodenhaftung, wie Jon Pult dies verkörpert, könnte diesem eher festgefahrenen Siebnergremium neue Impulse verleihen und mit seinem klugen und freundlichen Wesen der schweizer Politik zu höheren Zielen verhelfen. Über was sich die Medien gerade wieder das Maul zerreissen, ist mir sowas von egal.

  2. Tja, Herr Schaller, heute ist es halt anders herausgekommen und Ihr «junger, dynamischer und vor allem kommunikativer» (Schlagworte oder Qualifikation?) Favorit hat es nicht geschafft. Was mich aber zur Tastatur greifen lässt, ist Ihr abfälliger Kommentar zu Bundesrat Ignazio Cassis. Allerdings können Sie sich damit zu Frau Lüthi gesellen. Anstelle einer einigermassen neutralen Moderation machte sie im gestrigen «Club» mehrere Versuche, Gründe zur Abwahl von Herrn Cassis in die Diskussion zu bringen. Das gelang dank der souveränen Gesprächsrunde nicht. Ja, ich weiss: Es ist eine bösartige Unterstellung, dass (ehemalige oder aktuelle) Fernsehleute Linksdrall haben. Das wäre zwar ihr gutes Recht, aber sie sollten damit nicht allzu stark ihr Publikum behelligen. Allerdings – gerade auch wegen pointierten Artikeln schätze ich Seniorweb! Die Auseinandersetzung mit anderen Meinungen hält uns doch auch im Alter wach und interessiert an der Gegenwart!

  3. Ihr Optimismus ehrt Sie, Herr Schaller.
    Nun, das Parlament hat entschieden, das Resultat ist eher bescheiden. Die Angst, es könnte sich irgend etwas bewegen, hat einen Kandidaten gewählt, der sich selbst als Brückenbauer begreift und nicht erkennt, dass das Gegenufer eigentlich wenig Interesse zeigt. Die SP ist nach wie vor eine quantité négligable, die kleinmütigen Kompromisse als Siege feiert. Dann doch der Harmlosere! Ein leichtes Spiel nach der Präsentation eines mutlosen Tickets. Dass trotzdem drei Wahlgänge nötig waren, ist weitgehend dem Niveau dieses Parlamentes zuzuschreiben, ein Parlament, gewählt im Sinne der “gelebten Gleichgültigkeit” am 22. Oktober dieses Jahres. Und Jositsch zeigte seiner Partei wieder einmal, “wo der Bartli den Most holt”.
    Die Erwartungen an den zukünftigen Departementsvorsteher sind gewaltig, aber die Bürgerlichen werden schon zu verhindern wissen, dass eine 13. AHV-Reform wirklich gelingen wird. Vor just 12 Jahren war die Abschaffung der Heiratsstrafe ein Anliegen, das ich der damaligen CVP anvertraute. Deren Haltung war, anständige Leute leben nicht einfach zusammen und geschiedene Leute sind ohnehin Gescheiterte. Auch wenn diese Partei nun unter einem neuen Namen politisiert, die “Mitte” ist keineswegs in der Mitte.
    Wir haben beide das ganze Leben gearbeitet und in die AHV einbezahlt. Und erhalten nach wie vor nur 150%, weil wir auch nach über 55 aufregenden und aufgeregten Jahren uns partout weder gerichtlich trennen noch scheiden lassen wollen. Gut, wir können es uns noch leisten, aber es ist einfach weder richtig noch gerecht. Aber mit Jahrgang 1943 löst sich die Frage ohnehin in absehbarer Frist, nicht?

    • Was denken Sie, wie es sich anfühlt nach 44 Jahren Berufsjahren im öffentlichlen Dienst um 40% gekürzte Renten zu bekommen, nur weil die beruftätige Mutter wegen ihrer zwei Kinder, da alleinerziehend, nicht 100% arbeiten konnte? Ist das gerecht? Sicher nicht; man kann nur hoffen, dass die 13. AHV-Rente, die man nach meiner Meinung nur an Rentner:innen unter einer gewissen Rentenhöhe auszahlen sollte, trotz Wiederstand im Brundesrat doch noch eine Chance bekommt oder/und wenigstens einen angemessenen Teuerungsausgleich zugesprochen wird. Wir sind eben nicht alle gleich, andere sind gleicher.

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