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Ukraine-Krieg: Die USA und Europa erwachen! Und die Schweiz?

Es dämmert langsam. Es macht den Anschein, dass Europas politische Elite endlich erwacht und dass selbst dem Antieuropäer Donald Trump langsam die Augen aufgehen. Sogar er scheint zu erkennen, was auf dem Spiel steht, was die demokratisch verfassten Staaten durch die aggressive Kriegspolitik Putins zu verlieren haben: Demokratie, Freiheit, Unabhängigkeit und Wohlstand.

Emmanuel Macron, der französische Präsident, geht wieder einmal voran, schon zum zweiten Mal in diesem Frühjahr. Zum zweiten Jahrestag der Invasion Russlands in die Ukraine schloss er nicht aus, dass auch Nato-Soldaten in der Ukraine zum Einsatz auf dem Boden gegen den Aggressor gebracht werden müssten. Am letzten Donnerstag fand er in seiner zweiten Sorbonne-Rede zu noch drastischeren Worten: „Putins Russland wird immer hemmungsloser. So ist unser Europa sterblich, es kann sterben, und das hängt allein von unseren Entscheidungen ab. Die Grundvoraussetzung für unsere Sicherheit ist, dass Putin diesen Angriffskrieg nicht gewinnt.»

Hat er Recht oder dramatisiert er nur, um die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf sich zu lenken? Vor beinahe 7 Jahren, am 26. September 2017, sagte er an der selben Stelle, im prunkvollen Hörsaal der  Universität Sorbonne, im selben historischen, wissenschaftlichen Umfeld: „Den Turbulenzen der Globalisierung und der dadurch geschwächten Europäischen Union ist eine Neubegründung eines souveränen, geeinten und demokratischen Europas entgegenzusetzen.» Er plädierte für eine gemeinsame Verteidigungspolitik, gar für einen gemeinsamen Haushalt. Seine Worte damals verhallten, fanden selbst in Deutschland kaum ein Echo, vergessen denn die notwendige Solidarität, um umzusetzen, was gegen die Vorherrschaft der USA, Chinas, dem ungebrochenen Machtstreben Putins entgegengesetzt werden müsste: ein starkes, ein einiges Europa.

Und heute? Wird er jetzt gehört, wenn er unterstreicht: „Wie können wir unsere Souveränität, unsere Autonomie aufbauen, wenn wir nicht die Verantwortung übernehmen, unsere eigene europäische Verteidigungsindustrie aufzubauen, wenn wir nicht verteidigungsfähig werden?» Er stelle seine atomare Bewaffnung zur Verfügung, er glaube an eine gemeinsame Verteidigungsstrategie, um nun in Allianz mit den USA über die Ukraine Putin in die Knie zu zwingen. Er, der noch vor nicht allzu langer Zeit die Nato als «hirntot» bezeichnete, findet zur Umkehr, hoffentlich gerade noch zur rechten Zeit. Ähnlich wie Donald Trump, der auf seinem Kurznachrichtendienst Truth Social einen bemerkenswerten Satz schrieb: «Alle sind sich einig, dass das Überleben und die Stärke der Ukraine den Europäern viel wichtiger sein sollten als uns, dass sie für uns aber auch wichtig sind!» Ja, seine späte Einsicht, dass die Stärke der Ukraine auch für die USA wichtig ist, führte dazu, dass die Ukraine endlich erhält, was sie zur Verteidigung dringend braucht: insbesondere Flugabwehr-Waffen. Genau das, was US-Präsident Biden in weiser Voraussicht schon vor einem halben Jahr der Ukraine  zusichern wollte: Modernste Waffensysteme, die in der Ukraine angekommen wären, wenn Trump aus reiner Ichbezogenheit die Waffenlieferung im Kongress nicht hätte blockieren lassen.

Ja, es dämmert. Und in der Schweiz? Sie ist blockiert. Nicht zuletzt wegen der Initiative Blochers, welcher mit seinem Volksbegehren festlegen will, dass unserer Land weder politisch noch moralisch Position ergreifen darf, selbst wenn unsere Demokratie, die Freiheit, unserer Unabhängigkeit indirekt bedroht werden sollte oder gerade jetzt bedroht wird. Dennoch ergriffen Bundespräsidentin Viola Amherd und Aussenminister Ignazio Cassis die löbliche Initiative zu einer Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock über dem geschichtsträchtigen Vierwaldstättersee, die am 15. und 16. Juni  2024 stattfinden wird. Putin will sie mit allen Mitteln verhindern, zumindest klein machen, so dass vom Bürgenstock nicht eine weltweite Solidarität mit der Ukraine entsteht oder die Gewissheit ausgeht, was er wirklich will: ein Eurasien vom Ural bis an den Atlantik, wie es Macron befürchtet und Europa sterben könnte. Sergei Lawrow, sein Aussenminister, hat die Schweiz «als Feindesland» zu bezeichnen und hat den Auftrag, möglichst viele Staaten davon zu überzeugen, den Bürgenstock zu meiden, sich den Friedensbemühungen zu entsagen.

Das macht deutlich, wie wichtig die Initiative der Schweiz ist. Dass die Schweiz auch dann eine Friedensaufgabe hat, wenn sie aufgrund des Völkerrechts um eine Position gegen den Aggressor Putin nicht herumkommt. Auch wenn die Umsetzung der Friedensinitiative anstrengend ist und das Risiko in sich trägt zu scheitern. Wer glaubt, dass nur eine unverbrüchliche Neutralität, wie Blocher sie verlangt, Voraussetzung ist, um Frieden zu stiften, irrt. Der verkennt, dass wir im Konfliktfall auf uns allein gestellt wären, uns auch im Konfliktfall allein verteidigen müssten, wenn wir uns nicht eingliedern in eine europäische Sicherheitsstrategie, in eine Gemeinschaft der Solidarität zwischen den demokratischen Staaten.

So stehen wir vor dem unauflösbaren Dilemma, dass wir aktuell selbst von Russland als unbestritten neutral bezeichnet werden müssten, um Frieden zu stiften. Wir müssten aber zwingend auf eine klare Position im Ukraine-Krieg verzichten. Wir müssten den Bruch des Völkerrechts billigen, akzeptieren, dass uns die Ukrainer verteidigen, ihr Leben lassen, um letztlich auch uns vor dem Aggressor zu schützen. Am liebstem hätten wir beides: Eine unverbrüchliche Neutralität und den Schutz der Nato. So sind wir. Tatsächlich?

Immerhin. Animiert von Frauen der Mitte haben sich SP-, Grüne- und Grünliberale-Parlamentarierinnen zu einem gemeinsamen, bemerkenswerten, auch innovativen Vorschlag gefunden. Mit einem „spezialgesetzlich geregelten befristeten Milliarden-Fonds“ von insgesamt 15,1 Milliarden Franken wollen beherzte Frauen der drei Parteien mit 10,1 Milliarden die Armee aufrüsten und mit 5 Milliarden zum Wiederaufbau der Ukraine beitragen. Vor allem Männer der FDP und SVP treten knirschend auf die Bremse. Karin Keller-Sutter, die Finanzministerin, warnt und die NZZ sieht darin lediglich ein „Aushebeln der Schuldenbremse“. Wird die Blockade-Politik zur Staatsmaxime? Oder haben innovative Ideen noch eine Chance in unserer ehren Eidgenossenschaft? Erwacht auch die Schweiz? Die Hoffnung stirbt zuletzt.

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4 Kommentare

  1. «Aushebeln der Schuldenbremse» heisst neue Bundesanleihen, die (mit Steuergeldern) zu verzinsen sind. Und wenn wir das schon in einnahmenmässig fetten Jahren (wie jetzt), tun, werden wir es auch in mageren Jahren tun, bis am Schluss das gesame Steueraufkommen zur Bezahlung der Zinsen (an die Kapitalisten, die die Anleihen gezeichnet haben) aufgewendet werden muss. Dann gibt es weder Geld für die Ukraine, noch für Entwicklungshilfe oder für Sozialleistungen. Die Schweiz wird wieder zum bettelarmen Auswanderungsland, das sie während Jahrhunderten war. Bloss wird es dann kein Land mehr geben, in das ausgewandert werden kann.

    • Ach Herr Vogel, in welchem Jahrhundert leben resp. denken Sie? Es gibt nun mal nicht nur rechts und links, schwarz und weiss. Vor vielen Jahren war ich mal in einer Gesprächstherapie wegen meiner verkorksten Ehe; mein Mann hielt das ja nicht für nötig. Es gab zwei leere Stühle, einer für mich bestimmt und der andere für den imaginären Ehepartner. Nun musste ich abwechselnd von der Therapeutin gestellte Fragen zu meiner Paarbeziehung, mal aus meiner Sicht und auf meinem Stuhl, dann aus der Sicht des Ehemannes auf dem anderen Stuhl, beantworten. Es dauerte ein wenig bis ich begriff, dass es auch andere, für diese Person und diese Situation stimmende Sichtweise gibt.

      Seither gehen mir Menschen mit eingefrorenen Meinungen, die sie auch noch immer wiederholen, sowas von auf den Geist. Machen Sie sich mal locker und lassen Sie andere Meinungen zu, auch wenn es nicht die Ihre ist und malen Sie nicht immer den Teufel an die Wand, das turnt nur ab und behindert dringend notwendige und gemeinsame Problemlösungsfindungen. Übrigens ist es keine Schande, seine Meinung zu ändern, wenn man akzeptieren kann, dass sich alles konstant ändert auf unserem immer noch lebenswerten Planeten Erde.

    • Herr Vogel, entweder sie haben massive Eigeninteressen oder keine Ahnung von Wirtschaft. Aber Sie haben eine Wahl, und das ist doch schon sehr viel.

      Die Schweiz ist schon längst eines der bedeutendsten Auswandererländer Europas. Mehr als jeder elfte Schweizer, jede elfte Schweizerin wohnt nicht in der ersten Heimat. Sie haben die Schweiz aus verschiedensten Gründen verlassen: aus Neugierde, aus Abenteuerlust, wegen beruflichen Chancen, wegen der Liebe, um den Lebenstandard auch im Alter erhalten zu können und nicht wenige wegen der Enge, auch jene in den schweizerischen Köpfen. Im vergangenen Jahr waren es sogar mehr die gingen, als in die Schweiz einwanderten. Das sollte auch Ihnen zu denken geben.
      PS: Vor mehr als zwanzig Jahren habe ich in Frankreich mit wenig Geld innert fünf Tagen ein Unternehmen gegründet.

  2. voll u ganz auf seiten von anton schaller. wir sind die grössten chörnlipicker wenn es darum geht, zu profitieren. wir haben eine nicht gut ausgerüstete armee dafür eine fdp- verordnete schuldenbremse. wir brauchen abwehrwaffen JETZT!
    nicht erst wenn putin
    uns mit bomben bestückte drohnen schickt.
    europa ist gefährdet.
    die schweiz auch, trotz oder gar wegen blocher.

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